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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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schreiblicher Jammer durch die Brust, und die Schön¬
heit und Hohheit und das heilige Recht, daß sie so
allein waren, und wie er sich selber in dem Spie¬
gel so winzig und verloren in dem Ganzen erblickte,
schien es ihm herrlich, sich selber vergessend, dem
Ganzen treulich zu helfen mit Geist, Mund und
Arm. Er erstaunte, wie er noch so gar nichts ge¬
than, wie es ihn noch niemals lebendig erbarmet
um die Welt. So schien das große Schauspiel des
Lebens, manche besondere äussere Anregung, vor al¬
lem aber der furchtbare Gang der Zeit, der wohl
keines der besseren Gemüther unberührt ließ, auf
einmal alle die hellen Quellen in seinem Inneren,
die sonst zum Zeitvertreibe wir lustige Springbrun¬
nen spielten, in Einen großen Strom vereinigt zu
haben. Ihn eckelten die falschen Dichter an mit
ihren Taubenherzen, die, uneingedenk der Himmel¬
schreyenden Mahnung der Zeit, ihre Nationalkraft
in müssigem Spiele verliederten. Die unbestimmte
Knaben-Sehnsucht, jener wunderbare Spielmann
vom Venusberge, verwandelte sich in eine heilige
Liebe und Begeisterung für den bestimmten und fe¬
sten Zweck. Gar vieles, was ihn sonst beängstigte,
wurde zu Schanden, er wurde reifer, klar, selbst¬
ständig und ruhig über das Urtheil der Welt. Es
genügte ihm nicht mehr, sich an sich allein zu er¬
götzen, er wollte lebendig eindringen. Desto tiefer
und schmerzlicher mußte er sich überzeugen, wie
schwer es sey, nützlich zu seyn. Mit gränzenloser
Aufopferung warf er sich daher auf das Studium

ſchreiblicher Jammer durch die Bruſt, und die Schön¬
heit und Hohheit und das heilige Recht, daß ſie ſo
allein waren, und wie er ſich ſelber in dem Spie¬
gel ſo winzig und verloren in dem Ganzen erblickte,
ſchien es ihm herrlich, ſich ſelber vergeſſend, dem
Ganzen treulich zu helfen mit Geiſt, Mund und
Arm. Er erſtaunte, wie er noch ſo gar nichts ge¬
than, wie es ihn noch niemals lebendig erbarmet
um die Welt. So ſchien das große Schauſpiel des
Lebens, manche beſondere äuſſere Anregung, vor al¬
lem aber der furchtbare Gang der Zeit, der wohl
keines der beſſeren Gemüther unberührt ließ, auf
einmal alle die hellen Quellen in ſeinem Inneren,
die ſonſt zum Zeitvertreibe wir luſtige Springbrun¬
nen ſpielten, in Einen großen Strom vereinigt zu
haben. Ihn eckelten die falſchen Dichter an mit
ihren Taubenherzen, die, uneingedenk der Himmel¬
ſchreyenden Mahnung der Zeit, ihre Nationalkraft
in müſſigem Spiele verliederten. Die unbeſtimmte
Knaben-Sehnſucht, jener wunderbare Spielmann
vom Venusberge, verwandelte ſich in eine heilige
Liebe und Begeiſterung für den beſtimmten und fe¬
ſten Zweck. Gar vieles, was ihn ſonſt beängſtigte,
wurde zu Schanden, er wurde reifer, klar, ſelbſt¬
ſtändig und ruhig über das Urtheil der Welt. Es
genügte ihm nicht mehr, ſich an ſich allein zu er¬
götzen, er wollte lebendig eindringen. Deſto tiefer
und ſchmerzlicher mußte er ſich überzeugen, wie
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Aufopferung warf er ſich daher auf das Studium

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[255/0261] ſchreiblicher Jammer durch die Bruſt, und die Schön¬ heit und Hohheit und das heilige Recht, daß ſie ſo allein waren, und wie er ſich ſelber in dem Spie¬ gel ſo winzig und verloren in dem Ganzen erblickte, ſchien es ihm herrlich, ſich ſelber vergeſſend, dem Ganzen treulich zu helfen mit Geiſt, Mund und Arm. Er erſtaunte, wie er noch ſo gar nichts ge¬ than, wie es ihn noch niemals lebendig erbarmet um die Welt. So ſchien das große Schauſpiel des Lebens, manche beſondere äuſſere Anregung, vor al¬ lem aber der furchtbare Gang der Zeit, der wohl keines der beſſeren Gemüther unberührt ließ, auf einmal alle die hellen Quellen in ſeinem Inneren, die ſonſt zum Zeitvertreibe wir luſtige Springbrun¬ nen ſpielten, in Einen großen Strom vereinigt zu haben. Ihn eckelten die falſchen Dichter an mit ihren Taubenherzen, die, uneingedenk der Himmel¬ ſchreyenden Mahnung der Zeit, ihre Nationalkraft in müſſigem Spiele verliederten. Die unbeſtimmte Knaben-Sehnſucht, jener wunderbare Spielmann vom Venusberge, verwandelte ſich in eine heilige Liebe und Begeiſterung für den beſtimmten und fe¬ ſten Zweck. Gar vieles, was ihn ſonſt beängſtigte, wurde zu Schanden, er wurde reifer, klar, ſelbſt¬ ſtändig und ruhig über das Urtheil der Welt. Es genügte ihm nicht mehr, ſich an ſich allein zu er¬ götzen, er wollte lebendig eindringen. Deſto tiefer und ſchmerzlicher mußte er ſich überzeugen, wie ſchwer es ſey, nützlich zu ſeyn. Mit gränzenloſer Aufopferung warf er ſich daher auf das Studium

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/261>, abgerufen am 23.11.2024.