dien, die er am Morgen wieder verbrannte. Seine alles verspottende Lustigkeit war im Grunde nichts, als diese Verzweiflung, wie sie sich an den bunten Bildern der Erde in tausend Farben brach und be¬ spiegelte.
Friedrich besuchte ihn täglich, sie blieben ein¬ ander wechselseitig noch immer durchaus unentbehr¬ liche Freunde, wenn gleich Leontin auf keine Weise zu bereden war, an den Bestrebungen jenes Krei¬ ses Antheil zu nehmen. Er nannte unverholen das Ganze eine leidliche Komödie, und den Minister den unleidlichen Theaterprinzipal, der gewiß noch am Ende des Stückes herausgerufen werden würde, wenn nur darin das Wort: deutsch recht fleißig vorkäme, denn das mache in der undeutschen Zeit den besten Effekt. Besonders aber war er ein rech¬ ter Feind des Erbprinzen. Er sagte oft, er wünsch¬ te ihn mit einem großen Schwerte seiner Ahnherren aus Barmherzigkeit recht in der Mitte entzweyhauen zu können, damit die eine ordinäre Hälfte vor der anderen närrischen, begeisterten einmal Ruhe hätte. -- Dergleichen Reden verstand Friedrich zwar da¬ mals nicht recht, denn seine beste Natur sträubte sich gegen ihr Verständniß, aber sie machten ihn stutzig. Faber dagegen, welcher, der Dichtkunst treu ergeben, immer fleissig fortarbeitete, empfieng ihn alle Tage gelassen mit derselben Frage: ob er noch immer weltbürgerlich sey? -- Gott sey Dank, ant¬ wortete Friedrich ärgerlich, ich verkaufte mein Le¬
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dien, die er am Morgen wieder verbrannte. Seine alles verſpottende Luſtigkeit war im Grunde nichts, als dieſe Verzweiflung, wie ſie ſich an den bunten Bildern der Erde in tauſend Farben brach und be¬ ſpiegelte.
Friedrich beſuchte ihn täglich, ſie blieben ein¬ ander wechſelſeitig noch immer durchaus unentbehr¬ liche Freunde, wenn gleich Leontin auf keine Weiſe zu bereden war, an den Beſtrebungen jenes Krei¬ ſes Antheil zu nehmen. Er nannte unverholen das Ganze eine leidliche Komödie, und den Miniſter den unleidlichen Theaterprinzipal, der gewiß noch am Ende des Stückes herausgerufen werden würde, wenn nur darin das Wort: deutſch recht fleißig vorkäme, denn das mache in der undeutſchen Zeit den beſten Effekt. Beſonders aber war er ein rech¬ ter Feind des Erbprinzen. Er ſagte oft, er wünſch¬ te ihn mit einem großen Schwerte ſeiner Ahnherren aus Barmherzigkeit recht in der Mitte entzweyhauen zu können, damit die eine ordinäre Hälfte vor der anderen närriſchen, begeiſterten einmal Ruhe hätte. — Dergleichen Reden verſtand Friedrich zwar da¬ mals nicht recht, denn ſeine beſte Natur ſträubte ſich gegen ihr Verſtändniß, aber ſie machten ihn ſtutzig. Faber dagegen, welcher, der Dichtkunſt treu ergeben, immer fleiſſig fortarbeitete, empfieng ihn alle Tage gelaſſen mit derſelben Frage: ob er noch immer weltbürgerlich ſey? — Gott ſey Dank, ant¬ wortete Friedrich ärgerlich, ich verkaufte mein Le¬
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dien, die er am Morgen wieder verbrannte. Seine
alles verſpottende Luſtigkeit war im Grunde nichts,
als dieſe Verzweiflung, wie ſie ſich an den bunten
Bildern der Erde in tauſend Farben brach und be¬
ſpiegelte.
Friedrich beſuchte ihn täglich, ſie blieben ein¬
ander wechſelſeitig noch immer durchaus unentbehr¬
liche Freunde, wenn gleich Leontin auf keine Weiſe
zu bereden war, an den Beſtrebungen jenes Krei¬
ſes Antheil zu nehmen. Er nannte unverholen das
Ganze eine leidliche Komödie, und den Miniſter
den unleidlichen Theaterprinzipal, der gewiß noch
am Ende des Stückes herausgerufen werden würde,
wenn nur darin das Wort: deutſch recht fleißig
vorkäme, denn das mache in der undeutſchen Zeit
den beſten Effekt. Beſonders aber war er ein rech¬
ter Feind des Erbprinzen. Er ſagte oft, er wünſch¬
te ihn mit einem großen Schwerte ſeiner Ahnherren
aus Barmherzigkeit recht in der Mitte entzweyhauen
zu können, damit die eine ordinäre Hälfte vor der
anderen närriſchen, begeiſterten einmal Ruhe hätte.
— Dergleichen Reden verſtand Friedrich zwar da¬
mals nicht recht, denn ſeine beſte Natur ſträubte
ſich gegen ihr Verſtändniß, aber ſie machten ihn
ſtutzig. Faber dagegen, welcher, der Dichtkunſt treu
ergeben, immer fleiſſig fortarbeitete, empfieng ihn
alle Tage gelaſſen mit derſelben Frage: ob er noch
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/265>, abgerufen am 23.11.2024.
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