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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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ihren geschlossenen Augen tief. Er ließ sie sicher
nach Hause bringen; er selbst wollte sie nicht be¬
gleiten, um alles Aufseh'n zu vermeiden.

Noch denselben Abend spät sprach er den Prin¬
zen über diese Begebenheit. Dieser war sehr be¬
wegt. Er hatte das Mädchen des Abends besucht.
Sie aber wollte ihn durchaus nicht wiedersehen, und
hatte eben so hartnäckig ein fürstliches Geschenk,
das er ihr anbot, ausgeschlagen. Uebrigens schiene
sie, wie er hörte, ganz gesund.

Erwin fieng um diese Zeit an zu kränkeln, es
war als erdrückte ihn die Stadtluft. Seine seltsa¬
me Gewohnheit, die Nächte im Freyen zuzubrin¬
gen, hatte er hier ablegen müssen. Es schien seit
frühester Kindheit eine wunderbare Freundschaft zwi¬
schen ihm und der Natur mit ihren Wäldern, Strö¬
men und Felsen. Jetzt, da dieser Bund durch das
beengte Leben zerstört war, schien er, wie ein er¬
wachter Nachtwandler, auf einmal allein in der
Welt.

So versank er mitten in der Stadt immer tie¬
fer in Einsamkeit. Nur um Rosa bekümmerte er
sich viel und mit einer auffallenden Leidenschaftlich¬
keit. Uebrigens erlernte er noch immer nichts, ob¬
schon es nicht an gutem Willen fehlte. Eben so las
er auch sehr wenig und ungern, desto mehr, ja fast
unaufhörlich, schrieb er, seit er es beym Grafen
gelernt, so oft er allein gewesen. Friedrich fand

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ihren geſchloſſenen Augen tief. Er ließ ſie ſicher
nach Hauſe bringen; er ſelbſt wollte ſie nicht be¬
gleiten, um alles Aufſeh'n zu vermeiden.

Noch denſelben Abend ſpät ſprach er den Prin¬
zen über dieſe Begebenheit. Dieſer war ſehr be¬
wegt. Er hatte das Mädchen des Abends beſucht.
Sie aber wollte ihn durchaus nicht wiederſehen, und
hatte eben ſo hartnäckig ein fürſtliches Geſchenk,
das er ihr anbot, ausgeſchlagen. Uebrigens ſchiene
ſie, wie er hörte, ganz geſund.

Erwin fieng um dieſe Zeit an zu kränkeln, es
war als erdrückte ihn die Stadtluft. Seine ſeltſa¬
me Gewohnheit, die Nächte im Freyen zuzubrin¬
gen, hatte er hier ablegen müſſen. Es ſchien ſeit
früheſter Kindheit eine wunderbare Freundſchaft zwi¬
ſchen ihm und der Natur mit ihren Wäldern, Strö¬
men und Felſen. Jetzt, da dieſer Bund durch das
beengte Leben zerſtört war, ſchien er, wie ein er¬
wachter Nachtwandler, auf einmal allein in der
Welt.

So verſank er mitten in der Stadt immer tie¬
fer in Einſamkeit. Nur um Roſa bekümmerte er
ſich viel und mit einer auffallenden Leidenſchaftlich¬
keit. Uebrigens erlernte er noch immer nichts, ob¬
ſchon es nicht an gutem Willen fehlte. Eben ſo las
er auch ſehr wenig und ungern, deſto mehr, ja faſt
unaufhörlich, ſchrieb er, ſeit er es beym Grafen
gelernt, ſo oft er allein geweſen. Friedrich fand

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[273/0279] ihren geſchloſſenen Augen tief. Er ließ ſie ſicher nach Hauſe bringen; er ſelbſt wollte ſie nicht be¬ gleiten, um alles Aufſeh'n zu vermeiden. Noch denſelben Abend ſpät ſprach er den Prin¬ zen über dieſe Begebenheit. Dieſer war ſehr be¬ wegt. Er hatte das Mädchen des Abends beſucht. Sie aber wollte ihn durchaus nicht wiederſehen, und hatte eben ſo hartnäckig ein fürſtliches Geſchenk, das er ihr anbot, ausgeſchlagen. Uebrigens ſchiene ſie, wie er hörte, ganz geſund. Erwin fieng um dieſe Zeit an zu kränkeln, es war als erdrückte ihn die Stadtluft. Seine ſeltſa¬ me Gewohnheit, die Nächte im Freyen zuzubrin¬ gen, hatte er hier ablegen müſſen. Es ſchien ſeit früheſter Kindheit eine wunderbare Freundſchaft zwi¬ ſchen ihm und der Natur mit ihren Wäldern, Strö¬ men und Felſen. Jetzt, da dieſer Bund durch das beengte Leben zerſtört war, ſchien er, wie ein er¬ wachter Nachtwandler, auf einmal allein in der Welt. So verſank er mitten in der Stadt immer tie¬ fer in Einſamkeit. Nur um Roſa bekümmerte er ſich viel und mit einer auffallenden Leidenſchaftlich¬ keit. Uebrigens erlernte er noch immer nichts, ob¬ ſchon es nicht an gutem Willen fehlte. Eben ſo las er auch ſehr wenig und ungern, deſto mehr, ja faſt unaufhörlich, ſchrieb er, ſeit er es beym Grafen gelernt, ſo oft er allein geweſen. Friedrich fand 18

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/279>, abgerufen am 23.11.2024.