Als das Wetter sich nach einiger Zeit wieder verzogen hatte, brachen sie aus ihrem Schlupfwin¬ kel auf, um sich in das Städtchen hinunterzubege¬ ben. Da trafen sie an dem Ausgange der Burg mit den zwey Jägern zusammen, die sie frühmor¬ gens über den Rhein fahren gesehen, und die eben¬ falls das Gewitter in der Burg belagert gehalten hatte. Es war schon dunkel geworden, so daß sie einander nicht wohl erkennen konnten. Die Bäume hiengen voll heller Tropfen, der enge Fußsteig war durch den Regen äusserst glatt geworden. Die bey¬ den Jäger, giengen sehr, vorsichtig und furchtsam, hielten sich an alle Sträucher und glitten mehrere¬ mal bald Friedrich'n, bald Leontin in die Arme, woruber sie vom letzteren viel Gelächter aussteh'n mußten, der ihnen durchaus nicht helfen wollte. Erwin sprang mit einer ihm sonst nie gewöhnlichen Wildheit allen weit voraus wie ein Gems den Berg hinab.
Allen wurde wohl, als sie nach der langen Einsamkeit in das Städtchen hinunterkamen, wo es recht patriarchalisch aussah. Auf den Gassen gieng Jung und Alt sprechend und lachend nach dem Re¬ gen spazieren, die Mädchen des Städtchens sassen draussen vor ihren Thüren unter den Weinlauben. Der Abend war herrlich, alles erquickt nach dem Gewitter, das nur noch von ferne nachhallte, Nach¬ tigallen schlugen wieder von den Bergen, vor ihren Augen rauschte der Rhein an dem Städtchen vorüber. Leontin zog mit seiner Guitarre wie ein
Als das Wetter ſich nach einiger Zeit wieder verzogen hatte, brachen ſie aus ihrem Schlupfwin¬ kel auf, um ſich in das Städtchen hinunterzubege¬ ben. Da trafen ſie an dem Ausgange der Burg mit den zwey Jägern zuſammen, die ſie frühmor¬ gens über den Rhein fahren geſehen, und die eben¬ falls das Gewitter in der Burg belagert gehalten hatte. Es war ſchon dunkel geworden, ſo daß ſie einander nicht wohl erkennen konnten. Die Bäume hiengen voll heller Tropfen, der enge Fußſteig war durch den Regen äuſſerſt glatt geworden. Die bey¬ den Jäger, giengen ſehr, vorſichtig und furchtſam, hielten ſich an alle Sträucher und glitten mehrere¬ mal bald Friedrich'n, bald Leontin in die Arme, woruber ſie vom letzteren viel Gelächter ausſteh'n mußten, der ihnen durchaus nicht helfen wollte. Erwin ſprang mit einer ihm ſonſt nie gewöhnlichen Wildheit allen weit voraus wie ein Gems den Berg hinab.
Allen wurde wohl, als ſie nach der langen Einſamkeit in das Städtchen hinunterkamen, wo es recht patriarchaliſch ausſah. Auf den Gaſſen gieng Jung und Alt ſprechend und lachend nach dem Re¬ gen ſpazieren, die Mädchen des Städtchens ſaſſen drauſſen vor ihren Thüren unter den Weinlauben. Der Abend war herrlich, alles erquickt nach dem Gewitter, das nur noch von ferne nachhallte, Nach¬ tigallen ſchlugen wieder von den Bergen, vor ihren Augen rauſchte der Rhein an dem Städtchen vorüber. Leontin zog mit ſeiner Guitarre wie ein
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Als das Wetter ſich nach einiger Zeit wieder
verzogen hatte, brachen ſie aus ihrem Schlupfwin¬
kel auf, um ſich in das Städtchen hinunterzubege¬
ben. Da trafen ſie an dem Ausgange der Burg
mit den zwey Jägern zuſammen, die ſie frühmor¬
gens über den Rhein fahren geſehen, und die eben¬
falls das Gewitter in der Burg belagert gehalten
hatte. Es war ſchon dunkel geworden, ſo daß ſie
einander nicht wohl erkennen konnten. Die Bäume
hiengen voll heller Tropfen, der enge Fußſteig war
durch den Regen äuſſerſt glatt geworden. Die bey¬
den Jäger, giengen ſehr, vorſichtig und furchtſam,
hielten ſich an alle Sträucher und glitten mehrere¬
mal bald Friedrich'n, bald Leontin in die Arme,
woruber ſie vom letzteren viel Gelächter ausſteh'n
mußten, der ihnen durchaus nicht helfen wollte.
Erwin ſprang mit einer ihm ſonſt nie gewöhnlichen
Wildheit allen weit voraus wie ein Gems den Berg
hinab.
Allen wurde wohl, als ſie nach der langen
Einſamkeit in das Städtchen hinunterkamen, wo es
recht patriarchaliſch ausſah. Auf den Gaſſen gieng
Jung und Alt ſprechend und lachend nach dem Re¬
gen ſpazieren, die Mädchen des Städtchens ſaſſen
drauſſen vor ihren Thüren unter den Weinlauben.
Der Abend war herrlich, alles erquickt nach dem
Gewitter, das nur noch von ferne nachhallte, Nach¬
tigallen ſchlugen wieder von den Bergen, vor
ihren Augen rauſchte der Rhein an dem Städtchen
vorüber. Leontin zog mit ſeiner Guitarre wie ein
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/290>, abgerufen am 23.11.2024.
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