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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Weib gebückt, und zerrte, wie es schien, blutige
Därme an den Flammen auseinander. Ein Grau¬
sen überfiel den Grafen bey dem scheußlichen An¬
blick, er sezte sich rasch auf sein Pferd und spreng¬
te querfeldein.

Das Rauschen und Klappen einer Wassermühle
bestimmte seine Richtung. Ein ungeheurer Hund
empfieng ihn dort an dem Hofe der Mühle.
Friedrich und sein Pferd waren zu ermattet, um
noch weiter zu reisen. Er pochte daher an die
Hausthüre. Eine rauhe Stimme antwortete von
innen, bald darauf gieng die Thüre auf, und ein
langer, hagerer Mann trat heraus. Er sah Frie¬
drich'n
, der ihn um Herberge bath, von oben bis
unten an, nahm dann sein Pferd und führte es
stillschweigend nach dem Stalle. Friedrich gieng
nun in die Stube hinein. Ein Frauenzimmer stand
drinnen und pickte Feuer. Er bemerkte bey den
Blitzen der Funken ein junges und schönes Mäd¬
chengesicht. Als sie das Licht angezündet hatte, be¬
trachtete sie den Grafen mit einem freudigen Er¬
staunen, das ihr fast den Athem zu verhalten
schien. Darauf ergriff sie das Licht und führte ihn,
ohne ein Wort zu sagen, die Stiege hinauf in ein
geräumiges Zimmer mit mehreren Betten. Sie
war barfuß und Friedrich bemerkte, als sie so
vor ihm hergieng, daß sie nur im Hemde war und
den Busen fast ganz bloß hatte. Er ärgerte sich
über die Frechheit bey solcher zarten Jugend. Als
sie oben in der Stube waren, blieb das Mädchen

Weib gebückt, und zerrte, wie es ſchien, blutige
Därme an den Flammen auseinander. Ein Grau¬
ſen überfiel den Grafen bey dem ſcheußlichen An¬
blick, er ſezte ſich raſch auf ſein Pferd und ſpreng¬
te querfeldein.

Das Rauſchen und Klappen einer Waſſermühle
beſtimmte ſeine Richtung. Ein ungeheurer Hund
empfieng ihn dort an dem Hofe der Mühle.
Friedrich und ſein Pferd waren zu ermattet, um
noch weiter zu reiſen. Er pochte daher an die
Hausthüre. Eine rauhe Stimme antwortete von
innen, bald darauf gieng die Thüre auf, und ein
langer, hagerer Mann trat heraus. Er ſah Frie¬
drich'n
, der ihn um Herberge bath, von oben bis
unten an, nahm dann ſein Pferd und führte es
ſtillſchweigend nach dem Stalle. Friedrich gieng
nun in die Stube hinein. Ein Frauenzimmer ſtand
drinnen und pickte Feuer. Er bemerkte bey den
Blitzen der Funken ein junges und ſchönes Mäd¬
chengeſicht. Als ſie das Licht angezündet hatte, be¬
trachtete ſie den Grafen mit einem freudigen Er¬
ſtaunen, das ihr faſt den Athem zu verhalten
ſchien. Darauf ergriff ſie das Licht und führte ihn,
ohne ein Wort zu ſagen, die Stiege hinauf in ein
geräumiges Zimmer mit mehreren Betten. Sie
war barfuß und Friedrich bemerkte, als ſie ſo
vor ihm hergieng, daß ſie nur im Hemde war und
den Buſen faſt ganz bloß hatte. Er ärgerte ſich
über die Frechheit bey ſolcher zarten Jugend. Als
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[25/0031] Weib gebückt, und zerrte, wie es ſchien, blutige Därme an den Flammen auseinander. Ein Grau¬ ſen überfiel den Grafen bey dem ſcheußlichen An¬ blick, er ſezte ſich raſch auf ſein Pferd und ſpreng¬ te querfeldein. Das Rauſchen und Klappen einer Waſſermühle beſtimmte ſeine Richtung. Ein ungeheurer Hund empfieng ihn dort an dem Hofe der Mühle. Friedrich und ſein Pferd waren zu ermattet, um noch weiter zu reiſen. Er pochte daher an die Hausthüre. Eine rauhe Stimme antwortete von innen, bald darauf gieng die Thüre auf, und ein langer, hagerer Mann trat heraus. Er ſah Frie¬ drich'n, der ihn um Herberge bath, von oben bis unten an, nahm dann ſein Pferd und führte es ſtillſchweigend nach dem Stalle. Friedrich gieng nun in die Stube hinein. Ein Frauenzimmer ſtand drinnen und pickte Feuer. Er bemerkte bey den Blitzen der Funken ein junges und ſchönes Mäd¬ chengeſicht. Als ſie das Licht angezündet hatte, be¬ trachtete ſie den Grafen mit einem freudigen Er¬ ſtaunen, das ihr faſt den Athem zu verhalten ſchien. Darauf ergriff ſie das Licht und führte ihn, ohne ein Wort zu ſagen, die Stiege hinauf in ein geräumiges Zimmer mit mehreren Betten. Sie war barfuß und Friedrich bemerkte, als ſie ſo vor ihm hergieng, daß ſie nur im Hemde war und den Buſen faſt ganz bloß hatte. Er ärgerte ſich über die Frechheit bey ſolcher zarten Jugend. Als ſie oben in der Stube waren, blieb das Mädchen

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/31>, abgerufen am 27.11.2024.