Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

Wie gefällt Ihnen das Gedicht? -- Geh'n Sie
in jene Kirche, die dort so dunkel hersieht, sagte
Friedrich erschüttert, und wenn der Teufel mit
meinen gesunden Augen nicht sein Spiel treibt, so
werden Sie Sie dort wiedersehen. -- Dort ist sie
begraben, antwortete der Prinz und wurde blaß und
immer blässer, als ihm Friedrich erzählte, was ihm
begegnet. Warum fürchten Sie sich? sagte Friedrich
hastig, denn ihm war, als sähe ihn das stille weiße
Bild wie in der Kirche wieder an, wenn Sie den
Muth hatten, das hinzuschreiben, warum erschrecken
Sie, wenn es auf einmal Ernst wird und die Wor¬
te sich rühren und lebendig werden? Ich möchte
nicht dichten, wenn es nur Spaß wäre, denn wo
dürfen wir jetzt noch redlich und wahrhaft seyn,
wenn es nicht im Gedichte ist? Haben Sie den
rechten Muth, besser zu werden, so geh'n Sie in die
Kirche und bitten Sie Gott inbrünstig um seine
Kraft und Gnade. Ist aber das Beten und alle
unsere schönen Gedanken um des Reimes Willen
auf dem Papiere, so hol' der Teufel auf ewig den
Reim sammt den Gedanken! --

Hier fiel der Prinz Friedrich'n ungestümm um
den Hals. Ich bin durch und durch schlecht, rief
er, Sie wissen gar nicht und niemand weiß es, wie
schlecht ich bin! Die Gräfin Romana hat mich zu¬
erst verdorben vor langer Zeit, das verstorbene
Mädchen habe ich sehr künstlich verführt, der da¬
mals in der Nacht zu Marien bey Ihnen vorbey¬

schlich,

Wie gefällt Ihnen das Gedicht? — Geh'n Sie
in jene Kirche, die dort ſo dunkel herſieht, ſagte
Friedrich erſchüttert, und wenn der Teufel mit
meinen geſunden Augen nicht ſein Spiel treibt, ſo
werden Sie Sie dort wiederſehen. — Dort iſt ſie
begraben, antwortete der Prinz und wurde blaß und
immer bläſſer, als ihm Friedrich erzählte, was ihm
begegnet. Warum fürchten Sie ſich? ſagte Friedrich
haſtig, denn ihm war, als ſähe ihn das ſtille weiße
Bild wie in der Kirche wieder an, wenn Sie den
Muth hatten, das hinzuſchreiben, warum erſchrecken
Sie, wenn es auf einmal Ernſt wird und die Wor¬
te ſich rühren und lebendig werden? Ich möchte
nicht dichten, wenn es nur Spaß wäre, denn wo
dürfen wir jetzt noch redlich und wahrhaft ſeyn,
wenn es nicht im Gedichte iſt? Haben Sie den
rechten Muth, beſſer zu werden, ſo geh'n Sie in die
Kirche und bitten Sie Gott inbrünſtig um ſeine
Kraft und Gnade. Iſt aber das Beten und alle
unſere ſchönen Gedanken um des Reimes Willen
auf dem Papiere, ſo hol' der Teufel auf ewig den
Reim ſammt den Gedanken! —

Hier fiel der Prinz Friedrich'n ungeſtümm um
den Hals. Ich bin durch und durch ſchlecht, rief
er, Sie wiſſen gar nicht und niemand weiß es, wie
ſchlecht ich bin! Die Gräfin Romana hat mich zu¬
erſt verdorben vor langer Zeit, das verſtorbene
Mädchen habe ich ſehr künſtlich verführt, der da¬
mals in der Nacht zu Marien bey Ihnen vorbey¬

ſchlich,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0310" n="304"/>
          <p>Wie gefällt Ihnen das Gedicht? &#x2014; Geh'n Sie<lb/>
in jene Kirche, die dort &#x017F;o dunkel her&#x017F;ieht, &#x017F;agte<lb/>
Friedrich er&#x017F;chüttert, und wenn der Teufel mit<lb/>
meinen ge&#x017F;unden Augen nicht &#x017F;ein Spiel treibt, &#x017F;o<lb/>
werden Sie Sie dort wieder&#x017F;ehen. &#x2014; Dort i&#x017F;t &#x017F;ie<lb/>
begraben, antwortete der Prinz und wurde blaß und<lb/>
immer blä&#x017F;&#x017F;er, als ihm Friedrich erzählte, was ihm<lb/>
begegnet. Warum fürchten Sie &#x017F;ich? &#x017F;agte Friedrich<lb/>
ha&#x017F;tig, denn ihm war, als &#x017F;ähe ihn das &#x017F;tille weiße<lb/>
Bild wie in der Kirche wieder an, wenn Sie den<lb/>
Muth hatten, das hinzu&#x017F;chreiben, warum er&#x017F;chrecken<lb/>
Sie, wenn es auf einmal Ern&#x017F;t wird und die Wor¬<lb/>
te &#x017F;ich rühren und lebendig werden? Ich möchte<lb/>
nicht dichten, wenn es nur Spaß wäre, denn wo<lb/>
dürfen wir jetzt noch redlich und wahrhaft &#x017F;eyn,<lb/>
wenn es nicht im Gedichte i&#x017F;t? Haben Sie den<lb/>
rechten Muth, be&#x017F;&#x017F;er zu werden, &#x017F;o geh'n Sie in die<lb/>
Kirche und bitten Sie Gott inbrün&#x017F;tig um &#x017F;eine<lb/>
Kraft und Gnade. I&#x017F;t aber das Beten und alle<lb/>
un&#x017F;ere &#x017F;chönen Gedanken um des Reimes Willen<lb/>
auf dem Papiere, &#x017F;o hol' der Teufel auf ewig den<lb/>
Reim &#x017F;ammt den Gedanken! &#x2014;</p><lb/>
          <p>Hier fiel der Prinz Friedrich'n unge&#x017F;tümm um<lb/>
den Hals. Ich bin durch und durch &#x017F;chlecht, rief<lb/>
er, Sie wi&#x017F;&#x017F;en gar nicht und niemand weiß es, wie<lb/>
&#x017F;chlecht ich bin! Die Gräfin Romana hat mich zu¬<lb/>
er&#x017F;t verdorben vor langer Zeit, das ver&#x017F;torbene<lb/>
Mädchen habe ich &#x017F;ehr kün&#x017F;tlich verführt, der da¬<lb/>
mals in der Nacht zu Marien bey Ihnen vorbey¬<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chlich,<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0310] Wie gefällt Ihnen das Gedicht? — Geh'n Sie in jene Kirche, die dort ſo dunkel herſieht, ſagte Friedrich erſchüttert, und wenn der Teufel mit meinen geſunden Augen nicht ſein Spiel treibt, ſo werden Sie Sie dort wiederſehen. — Dort iſt ſie begraben, antwortete der Prinz und wurde blaß und immer bläſſer, als ihm Friedrich erzählte, was ihm begegnet. Warum fürchten Sie ſich? ſagte Friedrich haſtig, denn ihm war, als ſähe ihn das ſtille weiße Bild wie in der Kirche wieder an, wenn Sie den Muth hatten, das hinzuſchreiben, warum erſchrecken Sie, wenn es auf einmal Ernſt wird und die Wor¬ te ſich rühren und lebendig werden? Ich möchte nicht dichten, wenn es nur Spaß wäre, denn wo dürfen wir jetzt noch redlich und wahrhaft ſeyn, wenn es nicht im Gedichte iſt? Haben Sie den rechten Muth, beſſer zu werden, ſo geh'n Sie in die Kirche und bitten Sie Gott inbrünſtig um ſeine Kraft und Gnade. Iſt aber das Beten und alle unſere ſchönen Gedanken um des Reimes Willen auf dem Papiere, ſo hol' der Teufel auf ewig den Reim ſammt den Gedanken! — Hier fiel der Prinz Friedrich'n ungeſtümm um den Hals. Ich bin durch und durch ſchlecht, rief er, Sie wiſſen gar nicht und niemand weiß es, wie ſchlecht ich bin! Die Gräfin Romana hat mich zu¬ erſt verdorben vor langer Zeit, das verſtorbene Mädchen habe ich ſehr künſtlich verführt, der da¬ mals in der Nacht zu Marien bey Ihnen vorbey¬ ſchlich,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/310
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/310>, abgerufen am 23.11.2024.