ne zerstreut umherlagen. Mich befiel eine niegefühl¬ te Angst, denn je mehr ich die zerstreuten Steine betrachtete, je mehr kamen sie mir wie eingeschlafe¬ ne Männer vor. Die Gegend lag unbeschreiblich hoch die Luft war kalt und scharf. Da sagte Frie¬ drich: Wir sind zu Hause! Ich sah ihn erschrocken an und erkannte ihn nicht wieder, er war völlig ge¬ harnischt, wie ein Ritter. Sonderbar! es hieng ein altes Ritterbild sonst in einem Zimmer unseres Schlosses, vor dem ich oft als Kind gestanden. Ich hatte längst alle Züge davon vergessen, und grade so sah jetzt Friedrich auf einmal aus. -- Ich fror entsetzlich. Da gieng die Sonne plötzlich auf und Friedrich nahm mich in beyde Arme und preßte mich so fest an seine Brust, daß ich vor Schmerz mit ei¬ nem lauten Schrey erwachte. --
Glaubst du an Träume? sagte Rosa nach einer Weile in Gedanken zu dem Kammermädchen. Das Mädchen antwortete nicht. Wo mag nun wohl Marie seyn, die ärmste? sagte Rosa unruhig wie¬ der. -- Dann stand sie auf und trat ans Fenster. Es war ein Gartenhaus der Gräfin Romana, das sie bewohnte; der Morgen blitzte unten über den kühlen Garten, weiterhin übersah man die Stadt mit ihren duftigen Kuppeln, die Luft war frisch und klar. Da warf sie plötzlich alle Schminkbüchschen, die auf dem Fenster standen, heimlich hinaus und zwang sich, zu lächeln, als es das Mädchen be¬ merkte. --
ne zerſtreut umherlagen. Mich befiel eine niegefühl¬ te Angſt, denn je mehr ich die zerſtreuten Steine betrachtete, je mehr kamen ſie mir wie eingeſchlafe¬ ne Männer vor. Die Gegend lag unbeſchreiblich hoch die Luft war kalt und ſcharf. Da ſagte Frie¬ drich: Wir ſind zu Hauſe! Ich ſah ihn erſchrocken an und erkannte ihn nicht wieder, er war völlig ge¬ harniſcht, wie ein Ritter. Sonderbar! es hieng ein altes Ritterbild ſonſt in einem Zimmer unſeres Schloſſes, vor dem ich oft als Kind geſtanden. Ich hatte längſt alle Züge davon vergeſſen, und grade ſo ſah jetzt Friedrich auf einmal aus. — Ich fror entſetzlich. Da gieng die Sonne plötzlich auf und Friedrich nahm mich in beyde Arme und preßte mich ſo feſt an ſeine Bruſt, daß ich vor Schmerz mit ei¬ nem lauten Schrey erwachte. —
Glaubſt du an Träume? ſagte Roſa nach einer Weile in Gedanken zu dem Kammermädchen. Das Mädchen antwortete nicht. Wo mag nun wohl Marie ſeyn, die ärmſte? ſagte Roſa unruhig wie¬ der. — Dann ſtand ſie auf und trat ans Fenſter. Es war ein Gartenhaus der Gräfin Romana, das ſie bewohnte; der Morgen blitzte unten über den kühlen Garten, weiterhin überſah man die Stadt mit ihren duftigen Kuppeln, die Luft war friſch und klar. Da warf ſie plötzlich alle Schminkbüchschen, die auf dem Fenſter ſtanden, heimlich hinaus und zwang ſich, zu lächeln, als es das Mädchen be¬ merkte. —
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ne zerſtreut umherlagen. Mich befiel eine niegefühl¬
te Angſt, denn je mehr ich die zerſtreuten Steine
betrachtete, je mehr kamen ſie mir wie eingeſchlafe¬
ne Männer vor. Die Gegend lag unbeſchreiblich
hoch die Luft war kalt und ſcharf. Da ſagte Frie¬
drich: Wir ſind zu Hauſe! Ich ſah ihn erſchrocken
an und erkannte ihn nicht wieder, er war völlig ge¬
harniſcht, wie ein Ritter. Sonderbar! es hieng
ein altes Ritterbild ſonſt in einem Zimmer unſeres
Schloſſes, vor dem ich oft als Kind geſtanden. Ich
hatte längſt alle Züge davon vergeſſen, und grade
ſo ſah jetzt Friedrich auf einmal aus. — Ich fror
entſetzlich. Da gieng die Sonne plötzlich auf und
Friedrich nahm mich in beyde Arme und preßte mich
ſo feſt an ſeine Bruſt, daß ich vor Schmerz mit ei¬
nem lauten Schrey erwachte. —
Glaubſt du an Träume? ſagte Roſa nach einer
Weile in Gedanken zu dem Kammermädchen. Das
Mädchen antwortete nicht. Wo mag nun wohl
Marie ſeyn, die ärmſte? ſagte Roſa unruhig wie¬
der. — Dann ſtand ſie auf und trat ans Fenſter.
Es war ein Gartenhaus der Gräfin Romana, das
ſie bewohnte; der Morgen blitzte unten über den
kühlen Garten, weiterhin überſah man die Stadt
mit ihren duftigen Kuppeln, die Luft war friſch und
klar. Da warf ſie plötzlich alle Schminkbüchschen,
die auf dem Fenſter ſtanden, heimlich hinaus und
zwang ſich, zu lächeln, als es das Mädchen be¬
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/314>, abgerufen am 23.11.2024.
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