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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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zu fallen. Aber das Unglück wollte, daß er eben
nicht zu Hause war. Da stand sie im Vorhaus und
weinte bitterlich. Mehrere Thüren giengen indeß
im Hause auf und zu, Bediente eilten hin und her
über die Gänge. Sie konnte nicht länger weilen,
ohne verrathen zu werden.

Die Furcht, so allein und zu dieser Zeit auf
der Gasse erkannt zu werden, trieb sie schnell durch
die Gassen zurück, das Gesicht tief in den seidenen
Mantel gehüllt. Aber das Geschick war in seiner
teuflischen Laune. Als sie eben um eine Ecke bog,
stand der Prinz plötzlich vor ihr. Eine Laterne
schien ihr grade ins Gesicht, er hatte sie erkannt.
Ohne irgend ein Erstaunen zu äussern, bot er ihr
den Arm, um sie nach Hause zu begleiten. Sie
sagte nichts, sondern hieng kraftlos und vernichtet
vor Schaam an seinem Arm. Er wunderte sich
nicht, er lächelte nicht, er fragte um nichts, son¬
dern sprach artig von gewöhnlichen Dingen. -- Als
sie an ihr Haus kamen, bat er sie scherzend um ei¬
nen Kuß. Sie willigte verwirrt ein, er umschlang
sie heftig und küßte sie zum erstenmal. Eine lange
Gestalt stand indeß unbemerkt gegenüber an der
Mauer und kam plötzlich auf den Prinzen los. Der
Prinz, der sich nichts Gutes versah, sprang schnell
in ein Nebenhaus und schloß die Thüre hinter sich
zu. Es war Friedrich, den der Zufall eben hier
vorbeygeführt hatte. Sie hatten beyde einander
nicht erkannt. Er saß noch die halbe Nacht dort
auf der Schwelle des Hauses und lauerte auf den

zu fallen. Aber das Unglück wollte, daß er eben
nicht zu Hauſe war. Da ſtand ſie im Vorhaus und
weinte bitterlich. Mehrere Thüren giengen indeß
im Hauſe auf und zu, Bediente eilten hin und her
über die Gänge. Sie konnte nicht länger weilen,
ohne verrathen zu werden.

Die Furcht, ſo allein und zu dieſer Zeit auf
der Gaſſe erkannt zu werden, trieb ſie ſchnell durch
die Gaſſen zurück, das Geſicht tief in den ſeidenen
Mantel gehüllt. Aber das Geſchick war in ſeiner
teufliſchen Laune. Als ſie eben um eine Ecke bog,
ſtand der Prinz plötzlich vor ihr. Eine Laterne
ſchien ihr grade ins Geſicht, er hatte ſie erkannt.
Ohne irgend ein Erſtaunen zu äuſſern, bot er ihr
den Arm, um ſie nach Hauſe zu begleiten. Sie
ſagte nichts, ſondern hieng kraftlos und vernichtet
vor Schaam an ſeinem Arm. Er wunderte ſich
nicht, er lächelte nicht, er fragte um nichts, ſon¬
dern ſprach artig von gewöhnlichen Dingen. — Als
ſie an ihr Haus kamen, bat er ſie ſcherzend um ei¬
nen Kuß. Sie willigte verwirrt ein, er umſchlang
ſie heftig und küßte ſie zum erſtenmal. Eine lange
Geſtalt ſtand indeß unbemerkt gegenüber an der
Mauer und kam plötzlich auf den Prinzen los. Der
Prinz, der ſich nichts Gutes verſah, ſprang ſchnell
in ein Nebenhaus und ſchloß die Thüre hinter ſich
zu. Es war Friedrich, den der Zufall eben hier
vorbeygeführt hatte. Sie hatten beyde einander
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[310/0316] zu fallen. Aber das Unglück wollte, daß er eben nicht zu Hauſe war. Da ſtand ſie im Vorhaus und weinte bitterlich. Mehrere Thüren giengen indeß im Hauſe auf und zu, Bediente eilten hin und her über die Gänge. Sie konnte nicht länger weilen, ohne verrathen zu werden. Die Furcht, ſo allein und zu dieſer Zeit auf der Gaſſe erkannt zu werden, trieb ſie ſchnell durch die Gaſſen zurück, das Geſicht tief in den ſeidenen Mantel gehüllt. Aber das Geſchick war in ſeiner teufliſchen Laune. Als ſie eben um eine Ecke bog, ſtand der Prinz plötzlich vor ihr. Eine Laterne ſchien ihr grade ins Geſicht, er hatte ſie erkannt. Ohne irgend ein Erſtaunen zu äuſſern, bot er ihr den Arm, um ſie nach Hauſe zu begleiten. Sie ſagte nichts, ſondern hieng kraftlos und vernichtet vor Schaam an ſeinem Arm. Er wunderte ſich nicht, er lächelte nicht, er fragte um nichts, ſon¬ dern ſprach artig von gewöhnlichen Dingen. — Als ſie an ihr Haus kamen, bat er ſie ſcherzend um ei¬ nen Kuß. Sie willigte verwirrt ein, er umſchlang ſie heftig und küßte ſie zum erſtenmal. Eine lange Geſtalt ſtand indeß unbemerkt gegenüber an der Mauer und kam plötzlich auf den Prinzen los. Der Prinz, der ſich nichts Gutes verſah, ſprang ſchnell in ein Nebenhaus und ſchloß die Thüre hinter ſich zu. Es war Friedrich, den der Zufall eben hier vorbeygeführt hatte. Sie hatten beyde einander nicht erkannt. Er ſaß noch die halbe Nacht dort auf der Schwelle des Hauſes und lauerte auf den

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/316>, abgerufen am 23.11.2024.