und betrachtete lange ernsthaft das wunderschöne Mädchen.
Romana kam auf die beyden los und empfieng sie mit einer auffallenden Heftigkeit. Nun entlud sich auch das Zelt auf einmal eines ganzen Haufens von Gästen und Leontin war in dem Gewirre gar bald in seine launigste Ausgelassenheit hineingeär¬ gert, und spielte in kecken, barocken Worten, die ihm wie von den hellen Schneehäuptern der Alpen zuzufliegen schienen, mit diesem Jagdgesindel, das Ein einziger Auerochs verjagt hätte. Auch hier war die innerliche Antipathie zwischen ihm und dem Prinzen bemerkbar. Der Prinz wurde still und vermied ihn, wo er konnte, wie ein Feuer, das überall mit seinen Flammenspitzen nach ihm griff und ihn im Innersten versengte. Nur Romana war heute auf keine Weise aus dem Felde zu schlagen, sie schien sich vielmehr an seiner eignen Weise nur immer mehr zu berauschen. Er konnte sich, wie immer, wenn er sie sah, nicht enthalten, mit zwey¬ deutigen Witzen und Wortspielen ihre innerste Na¬ tur herauszukitzeln, und sie hielt ihm heute tapfer Stich, so daß Rosa mehreremal roth wurde und endlich fortgeh'n mußte. Gott segne uns alle, sagte er zuletzt zu einem vornehmen Männlein, das eben sehr komisch bey ihm stand, daß wir heute dort oben an einem schmalen Felsenabhange nicht etwa einem von unseren Ahnherren begegnen, denn die versteh'n keinen Spaß, und wir sind schwindli¬ che Leute. --
und betrachtete lange ernſthaft das wunderſchöne Mädchen.
Romana kam auf die beyden los und empfieng ſie mit einer auffallenden Heftigkeit. Nun entlud ſich auch das Zelt auf einmal eines ganzen Haufens von Gäſten und Leontin war in dem Gewirre gar bald in ſeine launigſte Ausgelaſſenheit hineingeär¬ gert, und ſpielte in kecken, barocken Worten, die ihm wie von den hellen Schneehäuptern der Alpen zuzufliegen ſchienen, mit dieſem Jagdgeſindel, das Ein einziger Auerochs verjagt hätte. Auch hier war die innerliche Antipathie zwiſchen ihm und dem Prinzen bemerkbar. Der Prinz wurde ſtill und vermied ihn, wo er konnte, wie ein Feuer, das überall mit ſeinen Flammenſpitzen nach ihm griff und ihn im Innerſten verſengte. Nur Romana war heute auf keine Weiſe aus dem Felde zu ſchlagen, ſie ſchien ſich vielmehr an ſeiner eignen Weiſe nur immer mehr zu berauſchen. Er konnte ſich, wie immer, wenn er ſie ſah, nicht enthalten, mit zwey¬ deutigen Witzen und Wortſpielen ihre innerſte Na¬ tur herauszukitzeln, und ſie hielt ihm heute tapfer Stich, ſo daß Roſa mehreremal roth wurde und endlich fortgeh'n mußte. Gott ſegne uns alle, ſagte er zuletzt zu einem vornehmen Männlein, das eben ſehr komiſch bey ihm ſtand, daß wir heute dort oben an einem ſchmalen Felſenabhange nicht etwa einem von unſeren Ahnherren begegnen, denn die verſteh'n keinen Spaß, und wir ſind ſchwindli¬ che Leute. —
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und betrachtete lange ernſthaft das wunderſchöne
Mädchen.
Romana kam auf die beyden los und empfieng
ſie mit einer auffallenden Heftigkeit. Nun entlud
ſich auch das Zelt auf einmal eines ganzen Haufens
von Gäſten und Leontin war in dem Gewirre gar
bald in ſeine launigſte Ausgelaſſenheit hineingeär¬
gert, und ſpielte in kecken, barocken Worten, die
ihm wie von den hellen Schneehäuptern der Alpen
zuzufliegen ſchienen, mit dieſem Jagdgeſindel, das
Ein einziger Auerochs verjagt hätte. Auch hier
war die innerliche Antipathie zwiſchen ihm und dem
Prinzen bemerkbar. Der Prinz wurde ſtill und
vermied ihn, wo er konnte, wie ein Feuer, das
überall mit ſeinen Flammenſpitzen nach ihm griff
und ihn im Innerſten verſengte. Nur Romana war
heute auf keine Weiſe aus dem Felde zu ſchlagen,
ſie ſchien ſich vielmehr an ſeiner eignen Weiſe nur
immer mehr zu berauſchen. Er konnte ſich, wie
immer, wenn er ſie ſah, nicht enthalten, mit zwey¬
deutigen Witzen und Wortſpielen ihre innerſte Na¬
tur herauszukitzeln, und ſie hielt ihm heute tapfer
Stich, ſo daß Roſa mehreremal roth wurde und
endlich fortgeh'n mußte. Gott ſegne uns alle,
ſagte er zuletzt zu einem vornehmen Männlein, das
eben ſehr komiſch bey ihm ſtand, daß wir heute
dort oben an einem ſchmalen Felſenabhange nicht
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/318>, abgerufen am 23.11.2024.
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