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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Hier wurde er durch das Jagdgeschrey unter¬
brochen, das nun plötzlich von allen Seiten los¬
brach. Die Hörner forderten wie zum Kriege, die
Hunde wurden losgelassen und alles griff nach den
Gewehren. Leontin war bey dem ersten Signal
mitten in seiner Rede fortgesprungen, er war der
erste unter dem Haufen der anführenden Jäger.
Mit einer schwindelerregenden Kühnheit sah man
ihn sich, an die Sträucher haltend, geschickt von Fels
zu Fels über die Abgründe immer höher hinauf¬
schwingen; er hatte bald alle Jäger weit unter sich
und verschwand in der Wildniß. Mehrere von der
Gesellschaft schrieen dabey ängstlich auf. Romana
sah ihm furchtlos mit unverwandten Blicken nach;
wie sind die Männer beneidenswerth! sagte sie, als
er sich verlohren hatte.

Die Gesellschaft hatte sich unterdeß nach allen
Richtungen hin zerstreut und die Jagd gieng wie
ein Krieg durch das Gebirge. In tiefster Abge¬
schiedenheit, wo Bäche in hellen Bogen von den
Höhen sprangen, sah man die Gemsen schwindlich
von Spitze zu Spitze hüpfen, einsame Jäger da¬
zwischen auf den Klippen erscheinen und wieder ver¬
schwinden, einzelne Schüße fielen hin und her, das
Hüfthorn verkündigte von Zeit zu Zeit den Tod
eines jeden Thieres. Da sah Friedrich auf einem
einsamen Fleck nach mehreren Stunden seinen Leon¬
tin waghalsig auf der höchsten von allen den Fel¬
senspitzen stehen, daß das Auge den Anblick kaum
ertragen konnte. Er erblickte Friedrich'n und rief

Hier wurde er durch das Jagdgeſchrey unter¬
brochen, das nun plötzlich von allen Seiten los¬
brach. Die Hörner forderten wie zum Kriege, die
Hunde wurden losgelaſſen und alles griff nach den
Gewehren. Leontin war bey dem erſten Signal
mitten in ſeiner Rede fortgeſprungen, er war der
erſte unter dem Haufen der anführenden Jäger.
Mit einer ſchwindelerregenden Kühnheit ſah man
ihn ſich, an die Sträucher haltend, geſchickt von Fels
zu Fels über die Abgründe immer höher hinauf¬
ſchwingen; er hatte bald alle Jäger weit unter ſich
und verſchwand in der Wildniß. Mehrere von der
Geſellſchaft ſchrieen dabey ängſtlich auf. Romana
ſah ihm furchtlos mit unverwandten Blicken nach;
wie ſind die Männer beneidenswerth! ſagte ſie, als
er ſich verlohren hatte.

Die Geſellſchaft hatte ſich unterdeß nach allen
Richtungen hin zerſtreut und die Jagd gieng wie
ein Krieg durch das Gebirge. In tiefſter Abge¬
ſchiedenheit, wo Bäche in hellen Bogen von den
Höhen ſprangen, ſah man die Gemſen ſchwindlich
von Spitze zu Spitze hüpfen, einſame Jäger da¬
zwiſchen auf den Klippen erſcheinen und wieder ver¬
ſchwinden, einzelne Schüße fielen hin und her, das
Hüfthorn verkündigte von Zeit zu Zeit den Tod
eines jeden Thieres. Da ſah Friedrich auf einem
einſamen Fleck nach mehreren Stunden ſeinen Leon¬
tin waghalſig auf der höchſten von allen den Fel¬
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[313/0319] Hier wurde er durch das Jagdgeſchrey unter¬ brochen, das nun plötzlich von allen Seiten los¬ brach. Die Hörner forderten wie zum Kriege, die Hunde wurden losgelaſſen und alles griff nach den Gewehren. Leontin war bey dem erſten Signal mitten in ſeiner Rede fortgeſprungen, er war der erſte unter dem Haufen der anführenden Jäger. Mit einer ſchwindelerregenden Kühnheit ſah man ihn ſich, an die Sträucher haltend, geſchickt von Fels zu Fels über die Abgründe immer höher hinauf¬ ſchwingen; er hatte bald alle Jäger weit unter ſich und verſchwand in der Wildniß. Mehrere von der Geſellſchaft ſchrieen dabey ängſtlich auf. Romana ſah ihm furchtlos mit unverwandten Blicken nach; wie ſind die Männer beneidenswerth! ſagte ſie, als er ſich verlohren hatte. Die Geſellſchaft hatte ſich unterdeß nach allen Richtungen hin zerſtreut und die Jagd gieng wie ein Krieg durch das Gebirge. In tiefſter Abge¬ ſchiedenheit, wo Bäche in hellen Bogen von den Höhen ſprangen, ſah man die Gemſen ſchwindlich von Spitze zu Spitze hüpfen, einſame Jäger da¬ zwiſchen auf den Klippen erſcheinen und wieder ver¬ ſchwinden, einzelne Schüße fielen hin und her, das Hüfthorn verkündigte von Zeit zu Zeit den Tod eines jeden Thieres. Da ſah Friedrich auf einem einſamen Fleck nach mehreren Stunden ſeinen Leon¬ tin waghalſig auf der höchſten von allen den Fel¬ ſenſpitzen ſtehen, daß das Auge den Anblick kaum ertragen konnte. Er erblickte Friedrich'n und rief

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/319>, abgerufen am 23.11.2024.