Schon Hähne krähen in Dörfern weit, Da schauert sein Roß und wühlet hinab, Scharret ihm schnaubend sein eigenes Grab.
Er mochte ohngefähr eine Stunde so gesessen haben, als der große Hund unten im Hofe ein Paarmal anschlug. Bald darauf kam es ihm vor, als hörte er draussen mehrere Stimmen. Er horch¬ te hinaus, aber alles war wieder still. Eine Un¬ ruhe bemächtigte sich seiner, er stand vom Fenster auf, untersuchte seine geladenen Taschenpistolen und legte seinen Reisesäbel auf den Tisch. In diesem Augenblicke gieng auch die Thüre auf, und mehrere wilde Männer traten herein. Sie blieben erschro¬ cken stehen, da sie den Grafen wach fanden. Er erkannte sogleich die fürchterlichen Gesichter aus der Waldschenke und seinen Hauswirth, den langen Müller, mitten unter ihnen. Dieser faßte sich zu¬ erst und drückte unversehens eine Pistol nach ihm ab. Die Kugel prellte neben seinem Kopfe an die Mauer. Falsch gezielt, heimtükischer Hund! schrie der Graf ausser sich vor Zorn und schoß den Kerl durch's Hirn. Darauf ergriff er seinen Säbel, stürzte sich in den Haufen hinein und warf die Räuber, rechts und links mit in die Augen gedrück¬ tem Hute um sich herumhauend, die Stiege hinun¬ ter. Mitten in dem Gemetzel glaubte er das schö¬ ne Müllermädchen wieder zu sehen. Sie hatte sel¬ ber ein Schwerdt in der Hand, mit dem sie sich hochherzig, den Grafen vertheidigend, zwischen die Verräther warf. Unten an der Stiege endlich, da
Wann Tag und Nacht in verworrenem Streit,
Schon Hähne krähen in Dörfern weit, Da ſchauert ſein Roß und wühlet hinab, Scharret ihm ſchnaubend ſein eigenes Grab.
Er mochte ohngefähr eine Stunde ſo geſeſſen haben, als der große Hund unten im Hofe ein Paarmal anſchlug. Bald darauf kam es ihm vor, als hörte er drauſſen mehrere Stimmen. Er horch¬ te hinaus, aber alles war wieder ſtill. Eine Un¬ ruhe bemächtigte ſich ſeiner, er ſtand vom Fenſter auf, unterſuchte ſeine geladenen Taſchenpiſtolen und legte ſeinen Reiſeſäbel auf den Tiſch. In dieſem Augenblicke gieng auch die Thüre auf, und mehrere wilde Männer traten herein. Sie blieben erſchro¬ cken ſtehen, da ſie den Grafen wach fanden. Er erkannte ſogleich die fürchterlichen Geſichter aus der Waldſchenke und ſeinen Hauswirth, den langen Müller, mitten unter ihnen. Dieſer faßte ſich zu¬ erſt und drückte unverſehens eine Piſtol nach ihm ab. Die Kugel prellte neben ſeinem Kopfe an die Mauer. Falſch gezielt, heimtükiſcher Hund! ſchrie der Graf auſſer ſich vor Zorn und ſchoß den Kerl durch's Hirn. Darauf ergriff er ſeinen Säbel, ſtürzte ſich in den Haufen hinein und warf die Räuber, rechts und links mit in die Augen gedrück¬ tem Hute um ſich herumhauend, die Stiege hinun¬ ter. Mitten in dem Gemetzel glaubte er das ſchö¬ ne Müllermädchen wieder zu ſehen. Sie hatte ſel¬ ber ein Schwerdt in der Hand, mit dem ſie ſich hochherzig, den Grafen vertheidigend, zwiſchen die Verräther warf. Unten an der Stiege endlich, da
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Wann Tag und Nacht in verworrenem Streit,
Schon Hähne krähen in Dörfern weit,
Da ſchauert ſein Roß und wühlet hinab,
Scharret ihm ſchnaubend ſein eigenes Grab.
Er mochte ohngefähr eine Stunde ſo geſeſſen
haben, als der große Hund unten im Hofe ein
Paarmal anſchlug. Bald darauf kam es ihm vor,
als hörte er drauſſen mehrere Stimmen. Er horch¬
te hinaus, aber alles war wieder ſtill. Eine Un¬
ruhe bemächtigte ſich ſeiner, er ſtand vom Fenſter
auf, unterſuchte ſeine geladenen Taſchenpiſtolen und
legte ſeinen Reiſeſäbel auf den Tiſch. In dieſem
Augenblicke gieng auch die Thüre auf, und mehrere
wilde Männer traten herein. Sie blieben erſchro¬
cken ſtehen, da ſie den Grafen wach fanden. Er
erkannte ſogleich die fürchterlichen Geſichter aus der
Waldſchenke und ſeinen Hauswirth, den langen
Müller, mitten unter ihnen. Dieſer faßte ſich zu¬
erſt und drückte unverſehens eine Piſtol nach ihm
ab. Die Kugel prellte neben ſeinem Kopfe an die
Mauer. Falſch gezielt, heimtükiſcher Hund! ſchrie
der Graf auſſer ſich vor Zorn und ſchoß den Kerl
durch's Hirn. Darauf ergriff er ſeinen Säbel,
ſtürzte ſich in den Haufen hinein und warf die
Räuber, rechts und links mit in die Augen gedrück¬
tem Hute um ſich herumhauend, die Stiege hinun¬
ter. Mitten in dem Gemetzel glaubte er das ſchö¬
ne Müllermädchen wieder zu ſehen. Sie hatte ſel¬
ber ein Schwerdt in der Hand, mit dem ſie ſich
hochherzig, den Grafen vertheidigend, zwiſchen die
Verräther warf. Unten an der Stiege endlich, da
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/33>, abgerufen am 27.11.2024.
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