Sie sind alle schon morsch, die guten Gesellen, sagte Romana in einem Anfalle von gespannter, unmenschlicher Lustigkeit, als sie die Verwüstung betrat, die noch vor so kurzer Zeit von Getümmel und freudenreichem Schalle belebt war, nahm ihre Stutzflinte vom Rücken und stieß ein Bild nach dem andern von der Wand, daß sie zertrümmert auf die Erde fielen. Dazwischen kehrte sie sich auf ein¬ mal zu Friedrich und sagte: Als ich mich vorhin im Gebirge umwandte, um wieder zum Schloß zu¬ rückzukehren, sah ich plötzlich auf einer Klippe mir gegenüber einen langen, wilden Mann stehen, den ich sonst in meinem Leben nicht geseh'n, der hatte in der einsamen Stille seine Flinte unbeweglich an¬ gelegt, mit der Mündung grade auf mich. Ich sprang fort, denn mir kam es vor, als stünde der Mann seit tausend Jahren immer und ewig so dort oben. -- Friedrich bemerkte bey diesen verwirrten Worten, die ihn an den Halbverrückten erinnerten, dem er vorhin gefolgt, daß der Hahn an ihrer Flinte, die sie unbekümmert in der Hand hielt und häufig gegen sich kehrte, noch gespannt sey. Er verwieß es ihr. Sie sah in die Mündung hinein und lachte wild auf. Schweigen Sie still, sagte Friedrich ernst und streng und faßte sie unsanft an. --
Er trat an das eine Fenster, setzte sich in den Fensterbogen und sah in die vom Monde beschiene¬ nen Grunde hinab. Romana setzte sich zu ihm. Sie sah noch immer blaß, aber auch in der Ver¬
Sie ſind alle ſchon morſch, die guten Geſellen, ſagte Romana in einem Anfalle von geſpannter, unmenſchlicher Luſtigkeit, als ſie die Verwüſtung betrat, die noch vor ſo kurzer Zeit von Getümmel und freudenreichem Schalle belebt war, nahm ihre Stutzflinte vom Rücken und ſtieß ein Bild nach dem andern von der Wand, daß ſie zertrümmert auf die Erde fielen. Dazwiſchen kehrte ſie ſich auf ein¬ mal zu Friedrich und ſagte: Als ich mich vorhin im Gebirge umwandte, um wieder zum Schloß zu¬ rückzukehren, ſah ich plötzlich auf einer Klippe mir gegenüber einen langen, wilden Mann ſtehen, den ich ſonſt in meinem Leben nicht geſeh'n, der hatte in der einſamen Stille ſeine Flinte unbeweglich an¬ gelegt, mit der Mündung grade auf mich. Ich ſprang fort, denn mir kam es vor, als ſtünde der Mann ſeit tauſend Jahren immer und ewig ſo dort oben. — Friedrich bemerkte bey dieſen verwirrten Worten, die ihn an den Halbverrückten erinnerten, dem er vorhin gefolgt, daß der Hahn an ihrer Flinte, die ſie unbekümmert in der Hand hielt und häufig gegen ſich kehrte, noch geſpannt ſey. Er verwieß es ihr. Sie ſah in die Mündung hinein und lachte wild auf. Schweigen Sie ſtill, ſagte Friedrich ernſt und ſtreng und faßte ſie unſanft an. —
Er trat an das eine Fenſter, ſetzte ſich in den Fenſterbogen und ſah in die vom Monde beſchiene¬ nen Grunde hinab. Romana ſetzte ſich zu ihm. Sie ſah noch immer blaß, aber auch in der Ver¬
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Sie ſind alle ſchon morſch, die guten Geſellen,
ſagte Romana in einem Anfalle von geſpannter,
unmenſchlicher Luſtigkeit, als ſie die Verwüſtung
betrat, die noch vor ſo kurzer Zeit von Getümmel
und freudenreichem Schalle belebt war, nahm ihre
Stutzflinte vom Rücken und ſtieß ein Bild nach dem
andern von der Wand, daß ſie zertrümmert auf
die Erde fielen. Dazwiſchen kehrte ſie ſich auf ein¬
mal zu Friedrich und ſagte: Als ich mich vorhin
im Gebirge umwandte, um wieder zum Schloß zu¬
rückzukehren, ſah ich plötzlich auf einer Klippe mir
gegenüber einen langen, wilden Mann ſtehen, den
ich ſonſt in meinem Leben nicht geſeh'n, der hatte
in der einſamen Stille ſeine Flinte unbeweglich an¬
gelegt, mit der Mündung grade auf mich. Ich
ſprang fort, denn mir kam es vor, als ſtünde der
Mann ſeit tauſend Jahren immer und ewig ſo dort
oben. — Friedrich bemerkte bey dieſen verwirrten
Worten, die ihn an den Halbverrückten erinnerten,
dem er vorhin gefolgt, daß der Hahn an ihrer
Flinte, die ſie unbekümmert in der Hand hielt und
häufig gegen ſich kehrte, noch geſpannt ſey. Er
verwieß es ihr. Sie ſah in die Mündung hinein
und lachte wild auf. Schweigen Sie ſtill, ſagte
Friedrich ernſt und ſtreng und faßte ſie unſanft
an. —
Er trat an das eine Fenſter, ſetzte ſich in den
Fenſterbogen und ſah in die vom Monde beſchiene¬
nen Grunde hinab. Romana ſetzte ſich zu ihm.
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/355>, abgerufen am 23.11.2024.
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