wüstung noch schön aus, ihr Busen war unanstän¬ dig fast ganz entblößt; sie hielt seine Hand, er bemerkte, daß die ihrige bisweilen zuckte.
Heftiges, unbändiges Weib, sagte Friedrich, der sich nicht länger mehr hielt, sehr ernsthaft, geh'n Sie beten! Beschauen Sie recht den Wun¬ derbau der hundertjährigen Stämme da unten, die alten Felsenriesen drüber und den ewigen Himmel, wie da die Elemente, sonst wechselseitig vernichtende Feinde gegeneinander, selber ihre rauhen, verwit¬ terten Riesennacken und angebohrene Wildheit vor ihrem Herrn beugend, Freundschaft schliessen und in weiser Ordnung und Frommheit die Welt tragen und erhalten. Und so soll auch der Mensch die wil¬ den Elemente, die in seiner eignen dunklen Brust nach der alten Willkühr lauren und an ihren Ketten reißen und beißen, mit göttlichem Sinne besprechen und zu einem schönen, lichten Leben die Ehre, Tu¬ gend und Gottseligkeit in Eintracht verbinden und formieren. Denn es giebt etwas Festeres und Größeres, als der kleine Mensch in seinem Hoch¬ muth, das der Scharfsinn nicht begreift und die Begeisterung nicht erfindet und macht, die, einmal abtrünnig, in frecher, muthwilliger, verwilderter Willkühr wie das Feuer alles ringsum zerstört und verzehrt, bis sie über dem Schutte in sich selber ausbrennt -- Sie glauben nicht an Gott! --
Friedrich sprach noch viel. Romana saß still und schien ganz ruhig geworden zu seyn, nur manchmal, wenn die Wälder heraufrauschten,
wüſtung noch ſchön aus, ihr Buſen war unanſtän¬ dig faſt ganz entblößt; ſie hielt ſeine Hand, er bemerkte, daß die ihrige bisweilen zuckte.
Heftiges, unbändiges Weib, ſagte Friedrich, der ſich nicht länger mehr hielt, ſehr ernſthaft, geh'n Sie beten! Beſchauen Sie recht den Wun¬ derbau der hundertjährigen Stämme da unten, die alten Felſenrieſen drüber und den ewigen Himmel, wie da die Elemente, ſonſt wechſelſeitig vernichtende Feinde gegeneinander, ſelber ihre rauhen, verwit¬ terten Rieſennacken und angebohrene Wildheit vor ihrem Herrn beugend, Freundſchaft ſchlieſſen und in weiſer Ordnung und Frommheit die Welt tragen und erhalten. Und ſo ſoll auch der Menſch die wil¬ den Elemente, die in ſeiner eignen dunklen Bruſt nach der alten Willkühr lauren und an ihren Ketten reißen und beißen, mit göttlichem Sinne beſprechen und zu einem ſchönen, lichten Leben die Ehre, Tu¬ gend und Gottſeligkeit in Eintracht verbinden und formieren. Denn es giebt etwas Feſteres und Größeres, als der kleine Menſch in ſeinem Hoch¬ muth, das der Scharfſinn nicht begreift und die Begeiſterung nicht erfindet und macht, die, einmal abtrünnig, in frecher, muthwilliger, verwilderter Willkühr wie das Feuer alles ringsum zerſtört und verzehrt, bis ſie über dem Schutte in ſich ſelber ausbrennt — Sie glauben nicht an Gott! —
Friedrich ſprach noch viel. Romana ſaß ſtill und ſchien ganz ruhig geworden zu ſeyn, nur manchmal, wenn die Wälder heraufrauſchten,
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wüſtung noch ſchön aus, ihr Buſen war unanſtän¬
dig faſt ganz entblößt; ſie hielt ſeine Hand, er
bemerkte, daß die ihrige bisweilen zuckte.
Heftiges, unbändiges Weib, ſagte Friedrich,
der ſich nicht länger mehr hielt, ſehr ernſthaft,
geh'n Sie beten! Beſchauen Sie recht den Wun¬
derbau der hundertjährigen Stämme da unten, die
alten Felſenrieſen drüber und den ewigen Himmel,
wie da die Elemente, ſonſt wechſelſeitig vernichtende
Feinde gegeneinander, ſelber ihre rauhen, verwit¬
terten Rieſennacken und angebohrene Wildheit vor
ihrem Herrn beugend, Freundſchaft ſchlieſſen und in
weiſer Ordnung und Frommheit die Welt tragen
und erhalten. Und ſo ſoll auch der Menſch die wil¬
den Elemente, die in ſeiner eignen dunklen Bruſt
nach der alten Willkühr lauren und an ihren Ketten
reißen und beißen, mit göttlichem Sinne beſprechen
und zu einem ſchönen, lichten Leben die Ehre, Tu¬
gend und Gottſeligkeit in Eintracht verbinden und
formieren. Denn es giebt etwas Feſteres und
Größeres, als der kleine Menſch in ſeinem Hoch¬
muth, das der Scharfſinn nicht begreift und die
Begeiſterung nicht erfindet und macht, die, einmal
abtrünnig, in frecher, muthwilliger, verwilderter
Willkühr wie das Feuer alles ringsum zerſtört und
verzehrt, bis ſie über dem Schutte in ſich ſelber
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Friedrich ſprach noch viel. Romana ſaß ſtill
und ſchien ganz ruhig geworden zu ſeyn, nur
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/356>, abgerufen am 23.11.2024.
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