Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

bogen, die von der Morgensonne in den buntesten
Farben brannten. Alles im ganzen Hause war still.
Er sah zum Fenster hinaus. Das alte Schloß stand
von dieser Seite an dem Abhange eines hohen
Berges, der, so wie das Thal, unten mit Schwarz¬
wald bedeckt war, aus welchem die Klänge einsa¬
mer Holzhauer heraufschallten. Gleich am Fenster
über der schwindlichten Tiefe war ein Ritter, der
sein Schwerdt in den gefalteten Händen hielt, in
Riesengröße, wie der steinerne Roland, in die
Mauer gehauen. Friedrich glaubte jeden Augen¬
blick, das Burgfräulein, den hohen Spitzenkragen
um daß schöne Gesicht, werde in einem der Gänge
heraufkommen. In der sonderbarsten Laune gieng
er nun die Stiege hinab und über eine Zugbrücke
in den Garten hinaus.

Hier standen auf einem weiten Platze die son¬
derbarsten, fremden Blumenarten in phantastischem
Schmucke. Künstliche Brunnen sprangen, im Mor¬
genscheine funkelnd, kühle hin und wieder. Da¬
zwischen sah man Pfauen in der Grüne weiden und
stolz ihre tausendfarbigen Räder schlagen. Im
Hintergrunde saß ein Storch auf einem Beine und
sah melankolisch in die weite Gegend hinaus. Als
sich Friedrich an dem Anblicke, den der frische
Morgen prächtig machte, so ergözte, erblickte er in
einiger Entfernung vor sich einen Mann, der hin¬
ter einem Spaliere an einem Tischchen saß, das
voll Papiere lag. Er schrieb, blickte manchmal in
die Gegend hinaus, und schrieb dann wieder emsig

bogen, die von der Morgenſonne in den bunteſten
Farben brannten. Alles im ganzen Hauſe war ſtill.
Er ſah zum Fenſter hinaus. Das alte Schloß ſtand
von dieſer Seite an dem Abhange eines hohen
Berges, der, ſo wie das Thal, unten mit Schwarz¬
wald bedeckt war, aus welchem die Klänge einſa¬
mer Holzhauer heraufſchallten. Gleich am Fenſter
über der ſchwindlichten Tiefe war ein Ritter, der
ſein Schwerdt in den gefalteten Händen hielt, in
Rieſengröße, wie der ſteinerne Roland, in die
Mauer gehauen. Friedrich glaubte jeden Augen¬
blick, das Burgfräulein, den hohen Spitzenkragen
um daß ſchöne Geſicht, werde in einem der Gänge
heraufkommen. In der ſonderbarſten Laune gieng
er nun die Stiege hinab und über eine Zugbrücke
in den Garten hinaus.

Hier ſtanden auf einem weiten Platze die ſon¬
derbarſten, fremden Blumenarten in phantaſtiſchem
Schmucke. Künſtliche Brunnen ſprangen, im Mor¬
genſcheine funkelnd, kühle hin und wieder. Da¬
zwiſchen ſah man Pfauen in der Grüne weiden und
ſtolz ihre tauſendfarbigen Räder ſchlagen. Im
Hintergrunde ſaß ein Storch auf einem Beine und
ſah melankoliſch in die weite Gegend hinaus. Als
ſich Friedrich an dem Anblicke, den der friſche
Morgen prächtig machte, ſo ergözte, erblickte er in
einiger Entfernung vor ſich einen Mann, der hin¬
ter einem Spaliere an einem Tiſchchen ſaß, das
voll Papiere lag. Er ſchrieb, blickte manchmal in
die Gegend hinaus, und ſchrieb dann wieder emſig

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0037" n="31"/>
bogen, die von der Morgen&#x017F;onne in den bunte&#x017F;ten<lb/>
Farben brannten. Alles im ganzen Hau&#x017F;e war &#x017F;till.<lb/>
Er &#x017F;ah zum Fen&#x017F;ter hinaus. Das alte Schloß &#x017F;tand<lb/>
von die&#x017F;er Seite an dem Abhange eines hohen<lb/>
Berges, der, &#x017F;o wie das Thal, unten mit Schwarz¬<lb/>
wald bedeckt war, aus welchem die Klänge ein&#x017F;<lb/>
mer Holzhauer herauf&#x017F;challten. Gleich am Fen&#x017F;ter<lb/>
über der &#x017F;chwindlichten Tiefe war ein Ritter, der<lb/>
&#x017F;ein Schwerdt in den gefalteten Händen hielt, in<lb/>
Rie&#x017F;engröße, wie der &#x017F;teinerne Roland, in die<lb/>
Mauer gehauen. <hi rendition="#g">Friedrich</hi> glaubte jeden Augen¬<lb/>
blick, das Burgfräulein, den hohen Spitzenkragen<lb/>
um daß &#x017F;chöne Ge&#x017F;icht, werde in einem der Gänge<lb/>
heraufkommen. In der &#x017F;onderbar&#x017F;ten Laune gieng<lb/>
er nun die Stiege hinab und über eine Zugbrücke<lb/>
in den Garten hinaus.</p><lb/>
          <p>Hier &#x017F;tanden auf einem weiten Platze die &#x017F;on¬<lb/>
derbar&#x017F;ten, fremden Blumenarten in phanta&#x017F;ti&#x017F;chem<lb/>
Schmucke. Kün&#x017F;tliche Brunnen &#x017F;prangen, im Mor¬<lb/>
gen&#x017F;cheine funkelnd, kühle hin und wieder. Da¬<lb/>
zwi&#x017F;chen &#x017F;ah man Pfauen in der Grüne weiden und<lb/>
&#x017F;tolz ihre tau&#x017F;endfarbigen Räder &#x017F;chlagen. Im<lb/>
Hintergrunde &#x017F;aß ein Storch auf einem Beine und<lb/>
&#x017F;ah melankoli&#x017F;ch in die weite Gegend hinaus. Als<lb/>
&#x017F;ich <hi rendition="#g">Friedrich</hi> an dem Anblicke, den der fri&#x017F;che<lb/>
Morgen prächtig machte, &#x017F;o ergözte, erblickte er in<lb/>
einiger Entfernung vor &#x017F;ich einen Mann, der hin¬<lb/>
ter einem Spaliere an einem Ti&#x017F;chchen &#x017F;aß, das<lb/>
voll Papiere lag. Er &#x017F;chrieb, blickte manchmal in<lb/>
die Gegend hinaus, und &#x017F;chrieb dann wieder em&#x017F;ig<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0037] bogen, die von der Morgenſonne in den bunteſten Farben brannten. Alles im ganzen Hauſe war ſtill. Er ſah zum Fenſter hinaus. Das alte Schloß ſtand von dieſer Seite an dem Abhange eines hohen Berges, der, ſo wie das Thal, unten mit Schwarz¬ wald bedeckt war, aus welchem die Klänge einſa¬ mer Holzhauer heraufſchallten. Gleich am Fenſter über der ſchwindlichten Tiefe war ein Ritter, der ſein Schwerdt in den gefalteten Händen hielt, in Rieſengröße, wie der ſteinerne Roland, in die Mauer gehauen. Friedrich glaubte jeden Augen¬ blick, das Burgfräulein, den hohen Spitzenkragen um daß ſchöne Geſicht, werde in einem der Gänge heraufkommen. In der ſonderbarſten Laune gieng er nun die Stiege hinab und über eine Zugbrücke in den Garten hinaus. Hier ſtanden auf einem weiten Platze die ſon¬ derbarſten, fremden Blumenarten in phantaſtiſchem Schmucke. Künſtliche Brunnen ſprangen, im Mor¬ genſcheine funkelnd, kühle hin und wieder. Da¬ zwiſchen ſah man Pfauen in der Grüne weiden und ſtolz ihre tauſendfarbigen Räder ſchlagen. Im Hintergrunde ſaß ein Storch auf einem Beine und ſah melankoliſch in die weite Gegend hinaus. Als ſich Friedrich an dem Anblicke, den der friſche Morgen prächtig machte, ſo ergözte, erblickte er in einiger Entfernung vor ſich einen Mann, der hin¬ ter einem Spaliere an einem Tiſchchen ſaß, das voll Papiere lag. Er ſchrieb, blickte manchmal in die Gegend hinaus, und ſchrieb dann wieder emſig

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/37
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/37>, abgerufen am 23.11.2024.