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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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gen zu dem Schlosse des Herrn v. A. sich geflüch¬
tet, wahrscheinlich aus Eifersucht, denn die beyden
Jäger, die wir damals in der alten Burg trafen,
und die dann mit uns auf dem Rheine fuhren,
waren, wie ich nachher erfuhr, niemand anders als
Romana und meine Schwester Rosa, welche Erwin
bey dem schnellen Lichte des Blitzes, gleichwie mit
schärferen Sinnen, plötzlich erkannt hatte. -- Frie¬
drich verwunderte sich hier über die gewagte Klei¬
dung der beyden Weiber und beklagte das unglück¬
liche Ohngefähr, indem ihm dabey alles, was in
jener Nacht vorgegangen, wieder erinnerlich ward.
-- Leontin fuhr fort: Erwin verrieth durch seine
jetzige verwirrte Unachtsamkeit gar bald sein Ge¬
schlecht und seine tiefe und unüberwindliche Neigung
zu Dir. Das unglückliche Mädchen sang sehr viel
und ihre Lieder zeigten oft eine zeitig aufgereitzte
und heimlich genährte heftige Sinnlichkeit. Von
ihrem frühesten Leben war auch jetzt nicht das min¬
deste herauszukriegen. Julie bot alles auf, sie zu
retten. Sie nannte sie Erwin, gab ihr Frauenzim¬
merkleider, suchte überhaupt alles erinnernde Phan¬
tastische aus ihrer Lebensweise zu entfernen und
taufte sie so, nach dem gewöhnlichen Verfahren in
solchen Fällen, in gemeingültige Prosa. Das Mäd¬
chen wurde dadurch auch stiller, aber es war eine
wahre Grabesstille, von der sie sich nur manchmal
im Gesange wieder zu erholen schien.

So traf ich sie, als ich verwundet auf dem
Schlosse ankam. Mein erster Anblick verdarb auf

gen zu dem Schloſſe des Herrn v. A. ſich geflüch¬
tet, wahrſcheinlich aus Eiferſucht, denn die beyden
Jäger, die wir damals in der alten Burg trafen,
und die dann mit uns auf dem Rheine fuhren,
waren, wie ich nachher erfuhr, niemand anders als
Romana und meine Schweſter Roſa, welche Erwin
bey dem ſchnellen Lichte des Blitzes, gleichwie mit
ſchärferen Sinnen, plötzlich erkannt hatte. — Frie¬
drich verwunderte ſich hier über die gewagte Klei¬
dung der beyden Weiber und beklagte das unglück¬
liche Ohngefähr, indem ihm dabey alles, was in
jener Nacht vorgegangen, wieder erinnerlich ward.
— Leontin fuhr fort: Erwin verrieth durch ſeine
jetzige verwirrte Unachtſamkeit gar bald ſein Ge¬
ſchlecht und ſeine tiefe und unüberwindliche Neigung
zu Dir. Das unglückliche Mädchen ſang ſehr viel
und ihre Lieder zeigten oft eine zeitig aufgereitzte
und heimlich genährte heftige Sinnlichkeit. Von
ihrem früheſten Leben war auch jetzt nicht das min¬
deſte herauszukriegen. Julie bot alles auf, ſie zu
retten. Sie nannte ſie Erwin, gab ihr Frauenzim¬
merkleider, ſuchte überhaupt alles erinnernde Phan¬
taſtiſche aus ihrer Lebensweiſe zu entfernen und
taufte ſie ſo, nach dem gewöhnlichen Verfahren in
ſolchen Fällen, in gemeingültige Proſa. Das Mäd¬
chen wurde dadurch auch ſtiller, aber es war eine
wahre Grabesſtille, von der ſie ſich nur manchmal
im Geſange wieder zu erholen ſchien.

So traf ich ſie, als ich verwundet auf dem
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[383/0389] gen zu dem Schloſſe des Herrn v. A. ſich geflüch¬ tet, wahrſcheinlich aus Eiferſucht, denn die beyden Jäger, die wir damals in der alten Burg trafen, und die dann mit uns auf dem Rheine fuhren, waren, wie ich nachher erfuhr, niemand anders als Romana und meine Schweſter Roſa, welche Erwin bey dem ſchnellen Lichte des Blitzes, gleichwie mit ſchärferen Sinnen, plötzlich erkannt hatte. — Frie¬ drich verwunderte ſich hier über die gewagte Klei¬ dung der beyden Weiber und beklagte das unglück¬ liche Ohngefähr, indem ihm dabey alles, was in jener Nacht vorgegangen, wieder erinnerlich ward. — Leontin fuhr fort: Erwin verrieth durch ſeine jetzige verwirrte Unachtſamkeit gar bald ſein Ge¬ ſchlecht und ſeine tiefe und unüberwindliche Neigung zu Dir. Das unglückliche Mädchen ſang ſehr viel und ihre Lieder zeigten oft eine zeitig aufgereitzte und heimlich genährte heftige Sinnlichkeit. Von ihrem früheſten Leben war auch jetzt nicht das min¬ deſte herauszukriegen. Julie bot alles auf, ſie zu retten. Sie nannte ſie Erwin, gab ihr Frauenzim¬ merkleider, ſuchte überhaupt alles erinnernde Phan¬ taſtiſche aus ihrer Lebensweiſe zu entfernen und taufte ſie ſo, nach dem gewöhnlichen Verfahren in ſolchen Fällen, in gemeingültige Proſa. Das Mäd¬ chen wurde dadurch auch ſtiller, aber es war eine wahre Grabesſtille, von der ſie ſich nur manchmal im Geſange wieder zu erholen ſchien. So traf ich ſie, als ich verwundet auf dem Schloſſe ankam. Mein erſter Anblick verdarb auf

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/389>, abgerufen am 23.11.2024.