Papier aus der Luft herab. Das ist doch dumm, sagte der Nachsetzende, der unterdeß athemlos an¬ gelangt war, da er die Blätter, auf welche Verse geschrieben waren, von den Schroten ganz durch¬ löchert erblickte. Das schöne Mädchen, das vorher auf der Wiese gesungen hatte, stand hinter ihm und kikkerte. Er drehte sich geschwind herum und woll¬ te sie küssen, aber sie entsprang in das Jägerhaus und guckte lachend hinter der halbgeöffneten Thüre hervor. Das ist der Dichter Faber, sagte Leontin, dem Grafen den Nachsetzenden vorstellend. Friedrich erschrack recht über den Nahmen. Er hatte viel von Faber gelesen; manches hatte ihm gar nicht gefallen, vieles andere aber wieder so ergriffen, daß er oft nicht begreifen konnte, wie derselbe Mensch so etwas Schönes erfinden könne. Und nun, da der wunderbare Mensch leibhaftig vor ihm stand, betrachtete er ihn mit allen Sinnen, als wollte er alle die Gedichte von ihm, die ihm am besten gefallen, in seinem Gesichte ablesen. Aber da war keine Spur davon zu finden.
Friedrich hatte sich ihn ganz anders vorge¬ stellt, und hätte viel darum gegeben, wenn es Leontin gewesen wäre, bey dessen lebendigem, erquicklichen Wesen ihm das Herz aufgieng. Herr Faber erzählte nun lachend, wie ihn Friedrich in seiner Werkstatt überrascht habe. Da sind Sie schön angekommen, sagte Leontin zu Frie¬ drich'n, denn da sizt Herr Faber wie die Löwinn
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Papier aus der Luft herab. Das iſt doch dumm, ſagte der Nachſetzende, der unterdeß athemlos an¬ gelangt war, da er die Blätter, auf welche Verſe geſchrieben waren, von den Schroten ganz durch¬ löchert erblickte. Das ſchöne Mädchen, das vorher auf der Wieſe geſungen hatte, ſtand hinter ihm und kikkerte. Er drehte ſich geſchwind herum und woll¬ te ſie küſſen, aber ſie entſprang in das Jägerhaus und guckte lachend hinter der halbgeöffneten Thüre hervor. Das iſt der Dichter Faber, ſagte Leontin, dem Grafen den Nachſetzenden vorſtellend. Friedrich erſchrack recht über den Nahmen. Er hatte viel von Faber geleſen; manches hatte ihm gar nicht gefallen, vieles andere aber wieder ſo ergriffen, daß er oft nicht begreifen konnte, wie derſelbe Menſch ſo etwas Schönes erfinden könne. Und nun, da der wunderbare Menſch leibhaftig vor ihm ſtand, betrachtete er ihn mit allen Sinnen, als wollte er alle die Gedichte von ihm, die ihm am beſten gefallen, in ſeinem Geſichte ableſen. Aber da war keine Spur davon zu finden.
Friedrich hatte ſich ihn ganz anders vorge¬ ſtellt, und hätte viel darum gegeben, wenn es Leontin geweſen wäre, bey deſſen lebendigem, erquicklichen Weſen ihm das Herz aufgieng. Herr Faber erzählte nun lachend, wie ihn Friedrich in ſeiner Werkſtatt überraſcht habe. Da ſind Sie ſchön angekommen, ſagte Leontin zu Frie¬ drich'n, denn da ſizt Herr Faber wie die Löwinn
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Papier aus der Luft herab. Das iſt doch dumm,
ſagte der Nachſetzende, der unterdeß athemlos an¬
gelangt war, da er die Blätter, auf welche Verſe
geſchrieben waren, von den Schroten ganz durch¬
löchert erblickte. Das ſchöne Mädchen, das vorher
auf der Wieſe geſungen hatte, ſtand hinter ihm und
kikkerte. Er drehte ſich geſchwind herum und woll¬
te ſie küſſen, aber ſie entſprang in das Jägerhaus
und guckte lachend hinter der halbgeöffneten Thüre
hervor. Das iſt der Dichter Faber, ſagte Leontin,
dem Grafen den Nachſetzenden vorſtellend. Friedrich
erſchrack recht über den Nahmen. Er hatte viel
von Faber geleſen; manches hatte ihm gar nicht
gefallen, vieles andere aber wieder ſo ergriffen,
daß er oft nicht begreifen konnte, wie derſelbe
Menſch ſo etwas Schönes erfinden könne. Und
nun, da der wunderbare Menſch leibhaftig vor ihm
ſtand, betrachtete er ihn mit allen Sinnen, als
wollte er alle die Gedichte von ihm, die ihm am
beſten gefallen, in ſeinem Geſichte ableſen. Aber
da war keine Spur davon zu finden.
Friedrich hatte ſich ihn ganz anders vorge¬
ſtellt, und hätte viel darum gegeben, wenn es
Leontin geweſen wäre, bey deſſen lebendigem,
erquicklichen Weſen ihm das Herz aufgieng. Herr
Faber erzählte nun lachend, wie ihn Friedrich
in ſeiner Werkſtatt überraſcht habe. Da ſind Sie
ſchön angekommen, ſagte Leontin zu Frie¬
drich'n, denn da ſizt Herr Faber wie die Löwinn
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/41>, abgerufen am 17.02.2025.
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