Friedrich, langsam und gedehnt, denn er hatte heimlich andere Erwartungen und Hoffnungen ge¬ hegt. Er schwieg darauf still; Leontin lachte und pfiff ein lustiges Liedchen. Endlich sah man ein schönes, neues Schloß sich aus einem großen Park luftig erheben. Es war das Schloß von Leontins Schwester.
Sie stiegen unten am Eingange des Parkes ab und giengen zu Fuß hinauf. Der Garten war ganz im neuesten Geschmacke angelegt. Kleine, sich schlängelnde Gänge, dichte Gebüsche von ausländi¬ schen Sträuchern, dazwischen leichte Brücken von weissem Birkenholze luftig geschwungen, waren recht artig anzuschauen. Zwischen mehreren schlan¬ ken Säulen traten sie in das Schloß. Es war ein großes, gemahltes Zimmer mit hellglänzendem Fu߬ boden; ein krystallener Luster hieng an der Decke und Ottomannen von reichen Stoffen standen an den Wänden umher. Durch die hohe Glasthüre übersah man den Garten. Niemand, da es noch früh, war in der ganzen Reihe von prachtvollen Gemächern, die sich an dieses anschlossen, zu sehen. Die Mor¬ gensonne, die durch die Glasthüre schien, erfüllte das schöne Zimmer mit einem geheimnißvollen Hell¬ dunkel und beleuchtete eben eine Guitarre, die in der Mitte auf einem Tischchen lag. Leontin nahm dieselbe und begab sich damit wieder hinaus. Friedrich blieb in der Thür stehen, während Leontin sich draußen unter die Fenster stellte, in die Saiten griff und sang:
Friedrich, langſam und gedehnt, denn er hatte heimlich andere Erwartungen und Hoffnungen ge¬ hegt. Er ſchwieg darauf ſtill; Leontin lachte und pfiff ein luſtiges Liedchen. Endlich ſah man ein ſchönes, neues Schloß ſich aus einem großen Park luftig erheben. Es war das Schloß von Leontins Schweſter.
Sie ſtiegen unten am Eingange des Parkes ab und giengen zu Fuß hinauf. Der Garten war ganz im neueſten Geſchmacke angelegt. Kleine, ſich ſchlängelnde Gänge, dichte Gebüſche von ausländi¬ ſchen Sträuchern, dazwiſchen leichte Brücken von weiſſem Birkenholze luftig geſchwungen, waren recht artig anzuſchauen. Zwiſchen mehreren ſchlan¬ ken Säulen traten ſie in das Schloß. Es war ein großes, gemahltes Zimmer mit hellglänzendem Fu߬ boden; ein kryſtallener Luſter hieng an der Decke und Ottomannen von reichen Stoffen ſtanden an den Wänden umher. Durch die hohe Glasthüre überſah man den Garten. Niemand, da es noch früh, war in der ganzen Reihe von prachtvollen Gemächern, die ſich an dieſes anſchloſſen, zu ſehen. Die Mor¬ genſonne, die durch die Glasthüre ſchien, erfüllte das ſchöne Zimmer mit einem geheimnißvollen Hell¬ dunkel und beleuchtete eben eine Guitarre, die in der Mitte auf einem Tiſchchen lag. Leontin nahm dieſelbe und begab ſich damit wieder hinaus. Friedrich blieb in der Thür ſtehen, während Leontin ſich draußen unter die Fenſter ſtellte, in die Saiten griff und ſang:
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Friedrich, langſam und gedehnt, denn er hatte
heimlich andere Erwartungen und Hoffnungen ge¬
hegt. Er ſchwieg darauf ſtill; Leontin lachte und
pfiff ein luſtiges Liedchen. Endlich ſah man ein
ſchönes, neues Schloß ſich aus einem großen Park
luftig erheben. Es war das Schloß von Leontins
Schweſter.
Sie ſtiegen unten am Eingange des Parkes ab
und giengen zu Fuß hinauf. Der Garten war ganz
im neueſten Geſchmacke angelegt. Kleine, ſich
ſchlängelnde Gänge, dichte Gebüſche von ausländi¬
ſchen Sträuchern, dazwiſchen leichte Brücken von
weiſſem Birkenholze luftig geſchwungen, waren
recht artig anzuſchauen. Zwiſchen mehreren ſchlan¬
ken Säulen traten ſie in das Schloß. Es war ein
großes, gemahltes Zimmer mit hellglänzendem Fu߬
boden; ein kryſtallener Luſter hieng an der Decke
und Ottomannen von reichen Stoffen ſtanden an den
Wänden umher. Durch die hohe Glasthüre überſah
man den Garten. Niemand, da es noch früh, war
in der ganzen Reihe von prachtvollen Gemächern,
die ſich an dieſes anſchloſſen, zu ſehen. Die Mor¬
genſonne, die durch die Glasthüre ſchien, erfüllte
das ſchöne Zimmer mit einem geheimnißvollen Hell¬
dunkel und beleuchtete eben eine Guitarre, die in
der Mitte auf einem Tiſchchen lag. Leontin nahm
dieſelbe und begab ſich damit wieder hinaus.
Friedrich blieb in der Thür ſtehen, während
Leontin ſich draußen unter die Fenſter ſtellte, in
die Saiten griff und ſang:
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/43>, abgerufen am 23.11.2024.
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