Gegen Abend lagerten wir uns auf einem schö¬ nen, waldigen Berge, dem gräflichen Schlosse ge¬ genüber, das jenseits eines Stromes ebenfalls auf einer Anhöhe mit seinen Säulenportälen und italie¬ nischem Dache sich recht luftig ausnahm. Wir wollten hier die Dunkelheit abwarten. Der letzte Widerschein der untergehenden Sonne flog eben wie ein Schattenspiel über die Gegend. Unten auf dem Flusse zogen mehrere aufgeschmückte Schiffe voll Herren und Damen mit bunten Tüchern und Federn lustig auf das Schloß zu, während von beyden Seiten Waldhörner weit in die Berge hinein ver¬ hallten.
Als es endlich ringsumher still und finster wur¬ de, sahen wir, wie im Schlosse drüben ein Fenster nach dem anderen erleuchtet wurde und Kronleuchter mit ihren Kreisen von Lichtern sich langsam zu dre¬ hen anfiengen. Auch im Garten entstand ein Licht nach dem andern, bis auf einmal der ganze Berg, mit Sternen, Bogengängen und Guirlanden von buntfarbigen Glaskugeln erleuchtet, sich wie eine Feeninsel aus der Nacht hervorhob. Ich überließ meine Begleiter ihren Berathschlagungen und Kunst¬ griffen und begab mich allein hinüber zu dem Feste, ohne eigentlich selber zu wissen, was ich dort wollte.
Von der Seite, wo ich auf dem Berge hinan¬ gekommen, war kein Eingang. Ich schwang mich daher auf die Mauer und sah, so da droben sitzend, in den Zaubergarten hinein, aus dem mir überall
Gegen Abend lagerten wir uns auf einem ſchö¬ nen, waldigen Berge, dem gräflichen Schloſſe ge¬ genüber, das jenſeits eines Stromes ebenfalls auf einer Anhöhe mit ſeinen Säulenportälen und italie¬ niſchem Dache ſich recht luftig ausnahm. Wir wollten hier die Dunkelheit abwarten. Der letzte Widerſchein der untergehenden Sonne flog eben wie ein Schattenſpiel über die Gegend. Unten auf dem Fluſſe zogen mehrere aufgeſchmückte Schiffe voll Herren und Damen mit bunten Tüchern und Federn luſtig auf das Schloß zu, während von beyden Seiten Waldhörner weit in die Berge hinein ver¬ hallten.
Als es endlich ringsumher ſtill und finſter wur¬ de, ſahen wir, wie im Schloſſe drüben ein Fenſter nach dem anderen erleuchtet wurde und Kronleuchter mit ihren Kreiſen von Lichtern ſich langſam zu dre¬ hen anfiengen. Auch im Garten entſtand ein Licht nach dem andern, bis auf einmal der ganze Berg, mit Sternen, Bogengängen und Guirlanden von buntfarbigen Glaskugeln erleuchtet, ſich wie eine Feeninſel aus der Nacht hervorhob. Ich überließ meine Begleiter ihren Berathſchlagungen und Kunſt¬ griffen und begab mich allein hinüber zu dem Feſte, ohne eigentlich ſelber zu wiſſen, was ich dort wollte.
Von der Seite, wo ich auf dem Berge hinan¬ gekommen, war kein Eingang. Ich ſchwang mich daher auf die Mauer und ſah, ſo da droben ſitzend, in den Zaubergarten hinein, aus dem mir überall
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Gegen Abend lagerten wir uns auf einem ſchö¬
nen, waldigen Berge, dem gräflichen Schloſſe ge¬
genüber, das jenſeits eines Stromes ebenfalls auf
einer Anhöhe mit ſeinen Säulenportälen und italie¬
niſchem Dache ſich recht luftig ausnahm. Wir
wollten hier die Dunkelheit abwarten. Der letzte
Widerſchein der untergehenden Sonne flog eben wie
ein Schattenſpiel über die Gegend. Unten auf dem
Fluſſe zogen mehrere aufgeſchmückte Schiffe voll
Herren und Damen mit bunten Tüchern und Federn
luſtig auf das Schloß zu, während von beyden
Seiten Waldhörner weit in die Berge hinein ver¬
hallten.
Als es endlich ringsumher ſtill und finſter wur¬
de, ſahen wir, wie im Schloſſe drüben ein Fenſter
nach dem anderen erleuchtet wurde und Kronleuchter
mit ihren Kreiſen von Lichtern ſich langſam zu dre¬
hen anfiengen. Auch im Garten entſtand ein Licht
nach dem andern, bis auf einmal der ganze Berg,
mit Sternen, Bogengängen und Guirlanden von
buntfarbigen Glaskugeln erleuchtet, ſich wie eine
Feeninſel aus der Nacht hervorhob. Ich überließ
meine Begleiter ihren Berathſchlagungen und Kunſt¬
griffen und begab mich allein hinüber zu dem Feſte,
ohne eigentlich ſelber zu wiſſen, was ich dort
wollte.
Von der Seite, wo ich auf dem Berge hinan¬
gekommen, war kein Eingang. Ich ſchwang mich
daher auf die Mauer und ſah, ſo da droben ſitzend,
in den Zaubergarten hinein, aus dem mir überall
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/443>, abgerufen am 23.11.2024.
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