Musik entgegenschwoll. Herren und Frauen spazier¬ ten da in zierlicher Fröhlichkeit zwischen den magi¬ schen Lichtern, Klängen und schimmernden Wasser¬ künsten prächtig durcheinander. Auch mehrere Mas¬ ken sah ich, wie Geister, durch den lebendigen Ju¬ bel auf und ab wandeln.
Mich faßte bey dem Anblick auf meiner Mauer oben ein blindes, wildes, unglückseliges Gelüst, mich mit hineinzumischen. Aber meine von Regen und Wind zerzauste Kleidung war wenig zu einem solchen Abentheuer eingerichtet. Da erblickte ich seit¬ wärts durch ein offnes Fenster eine Menge verschie¬ dener Masken in der Vorhalle des Schlosses um¬ herliegen. Ohne mich zu besinnen, sprang ich von der Mauer herab und in das Vorhaus hinein. Eine Menge Bedienter, halb berauscht, rannten dort mit Gläsern und Tellern durcheinander, ohne mich zu bemerken oder doch weiter zu beachten. Ich zettelte daher den bunten Plunder von Masken ungestört auseinander und zog zufällig eine schwarze Ritter¬ tracht nebst Schwerdt und allem Zubehör hervor. Ich legte sie schnell an, nahm eine danebenliegende Larve vor und begab mich so mitten unter das Ge¬ wirre in den Glanz hinaus.
Ich kam mir in der Fröhlichkeit vor wie der Böse, denn mir war nicht anders zu Muthe, als dem Zigeunerhauptmann auf dem Jahrmarkt zu Plundersweilen. Am Ende eines erleuchteten Bo¬ genganges hörte ich auf einmal einige Damen aus¬ rufen: Sieh da, die Frau vom Hause! Welche
Muſik entgegenſchwoll. Herren und Frauen ſpazier¬ ten da in zierlicher Fröhlichkeit zwiſchen den magi¬ ſchen Lichtern, Klängen und ſchimmernden Waſſer¬ künſten prächtig durcheinander. Auch mehrere Maſ¬ ken ſah ich, wie Geiſter, durch den lebendigen Ju¬ bel auf und ab wandeln.
Mich faßte bey dem Anblick auf meiner Mauer oben ein blindes, wildes, unglückſeliges Gelüſt, mich mit hineinzumiſchen. Aber meine von Regen und Wind zerzauste Kleidung war wenig zu einem ſolchen Abentheuer eingerichtet. Da erblickte ich ſeit¬ wärts durch ein offnes Fenſter eine Menge verſchie¬ dener Maſken in der Vorhalle des Schloſſes um¬ herliegen. Ohne mich zu beſinnen, ſprang ich von der Mauer herab und in das Vorhaus hinein. Eine Menge Bedienter, halb berauſcht, rannten dort mit Gläſern und Tellern durcheinander, ohne mich zu bemerken oder doch weiter zu beachten. Ich zettelte daher den bunten Plunder von Maſken ungeſtört auseinander und zog zufällig eine ſchwarze Ritter¬ tracht nebſt Schwerdt und allem Zubehör hervor. Ich legte ſie ſchnell an, nahm eine danebenliegende Larve vor und begab mich ſo mitten unter das Ge¬ wirre in den Glanz hinaus.
Ich kam mir in der Fröhlichkeit vor wie der Böſe, denn mir war nicht anders zu Muthe, als dem Zigeunerhauptmann auf dem Jahrmarkt zu Plundersweilen. Am Ende eines erleuchteten Bo¬ genganges hörte ich auf einmal einige Damen aus¬ rufen: Sieh da, die Frau vom Hauſe! Welche
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Muſik entgegenſchwoll. Herren und Frauen ſpazier¬
ten da in zierlicher Fröhlichkeit zwiſchen den magi¬
ſchen Lichtern, Klängen und ſchimmernden Waſſer¬
künſten prächtig durcheinander. Auch mehrere Maſ¬
ken ſah ich, wie Geiſter, durch den lebendigen Ju¬
bel auf und ab wandeln.
Mich faßte bey dem Anblick auf meiner Mauer
oben ein blindes, wildes, unglückſeliges Gelüſt,
mich mit hineinzumiſchen. Aber meine von Regen
und Wind zerzauste Kleidung war wenig zu einem
ſolchen Abentheuer eingerichtet. Da erblickte ich ſeit¬
wärts durch ein offnes Fenſter eine Menge verſchie¬
dener Maſken in der Vorhalle des Schloſſes um¬
herliegen. Ohne mich zu beſinnen, ſprang ich von
der Mauer herab und in das Vorhaus hinein. Eine
Menge Bedienter, halb berauſcht, rannten dort
mit Gläſern und Tellern durcheinander, ohne mich
zu bemerken oder doch weiter zu beachten. Ich zettelte
daher den bunten Plunder von Maſken ungeſtört
auseinander und zog zufällig eine ſchwarze Ritter¬
tracht nebſt Schwerdt und allem Zubehör hervor.
Ich legte ſie ſchnell an, nahm eine danebenliegende
Larve vor und begab mich ſo mitten unter das Ge¬
wirre in den Glanz hinaus.
Ich kam mir in der Fröhlichkeit vor wie der
Böſe, denn mir war nicht anders zu Muthe, als
dem Zigeunerhauptmann auf dem Jahrmarkt zu
Plundersweilen. Am Ende eines erleuchteten Bo¬
genganges hörte ich auf einmal einige Damen aus¬
rufen: Sieh da, die Frau vom Hauſe! Welche
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/444>, abgerufen am 23.11.2024.
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