Ach, in Italien war es doch schöner! sagte sie, und lehnte die Stirn an meine Brust. Angelina! rief ich, um sie zu ermuntern. Sie richtete sich schnell auf und lauschte dem Rufe, wie einem alten, wohlbekannten Tone, auf den sie sich nicht recht besinnen konnte. -- Dann sagte sie: Ich bitte Dich, singe etwas, denn mir ist zum sterben bange! Ich nahm die Guitarre und sang folgende Romanze, die mir in diesem Augenblick eben sehr deutlich durch den Sinn gieng:
Nachts durch die stille Runde
Rauschte des Rheines Lauf, Ein Schifflein zog im Grunde, Ein Ritter stand darauf.
Die Blicke irre schweifen
Von seines Schiffes Rand, Ein blutigrother Streifen Sich um das Haupt ihm wand.
Der sprach: "Da oben stehet
Ein Schlößlein über'm Rhein, Die an dem Fenster stehet: Das wird die Liebste mein.
Sie hat mir Treu' versprochen,
Bis ich gekommen sey, Sie hat die Treu' gebrochen, Und alles ist vorbey."
Ich bemerkte hier bey dem Scheine eines Bli¬ tzes, daß Angelina heftig geweint hatte und noch fortweinte. Ich sang weiter:
Ach, in Italien war es doch ſchöner! ſagte ſie, und lehnte die Stirn an meine Bruſt. Angelina! rief ich, um ſie zu ermuntern. Sie richtete ſich ſchnell auf und lauſchte dem Rufe, wie einem alten, wohlbekannten Tone, auf den ſie ſich nicht recht beſinnen konnte. — Dann ſagte ſie: Ich bitte Dich, ſinge etwas, denn mir iſt zum ſterben bange! Ich nahm die Guitarre und ſang folgende Romanze, die mir in dieſem Augenblick eben ſehr deutlich durch den Sinn gieng:
Nachts durch die ſtille Runde
Rauſchte des Rheines Lauf, Ein Schifflein zog im Grunde, Ein Ritter ſtand darauf.
Die Blicke irre ſchweifen
Von ſeines Schiffes Rand, Ein blutigrother Streifen Sich um das Haupt ihm wand.
Der ſprach: „Da oben ſtehet
Ein Schlößlein über'm Rhein, Die an dem Fenſter ſtehet: Das wird die Liebſte mein.
Sie hat mir Treu' verſprochen,
Bis ich gekommen ſey, Sie hat die Treu' gebrochen, Und alles iſt vorbey.“
Ich bemerkte hier bey dem Scheine eines Bli¬ tzes, daß Angelina heftig geweint hatte und noch fortweinte. Ich ſang weiter:
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Ach, in Italien war es doch ſchöner! ſagte ſie, und
lehnte die Stirn an meine Bruſt. Angelina! rief
ich, um ſie zu ermuntern. Sie richtete ſich ſchnell
auf und lauſchte dem Rufe, wie einem alten,
wohlbekannten Tone, auf den ſie ſich nicht recht
beſinnen konnte. — Dann ſagte ſie: Ich bitte Dich,
ſinge etwas, denn mir iſt zum ſterben bange! Ich
nahm die Guitarre und ſang folgende Romanze,
die mir in dieſem Augenblick eben ſehr deutlich durch
den Sinn gieng:
Nachts durch die ſtille Runde
Rauſchte des Rheines Lauf,
Ein Schifflein zog im Grunde,
Ein Ritter ſtand darauf.
Die Blicke irre ſchweifen
Von ſeines Schiffes Rand,
Ein blutigrother Streifen
Sich um das Haupt ihm wand.
Der ſprach: „Da oben ſtehet
Ein Schlößlein über'm Rhein,
Die an dem Fenſter ſtehet:
Das wird die Liebſte mein.
Sie hat mir Treu' verſprochen,
Bis ich gekommen ſey,
Sie hat die Treu' gebrochen,
Und alles iſt vorbey.“
Ich bemerkte hier bey dem Scheine eines Bli¬
tzes, daß Angelina heftig geweint hatte und noch
fortweinte. Ich ſang weiter:
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/446>, abgerufen am 23.11.2024.
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