schloß. Der Wein erweiterte ihre Herzen und sie waren alle drey wie alte Bekannte mit einander. Das ist wohl ein rechtes Dichterleben, Herr Fa¬ ber, sagte Friedrich vergnügt. -- Immer doch, hub Faber ziemlich pathetisch an, höre ich das Leben und Dichten verwechseln. -- Aber, aber, be¬ ster Herr Faber, fiel ihm Leontin schnell ins Wort, dem jeder ernsthafte Diskurs über Poesie die Brust zusammenschnürte, weil er selber nie ein Urtheil hatte. Er pflegte daher immer mit Witzen, Radottements, dazwischen zu fahren, und fuhr auch jezt, geschwind unterbrechend, fort: ihr verwechselt mit euren Wortwechseleyen alles so, daß man am Ende seiner selbst nicht sicher bleibt. Glaubte ich doch einmal in allem Ernste, ich sey die Weltseele, und wußte vor lauter Welt nicht, ob ich eine See¬ le hatte oder umgekehrt. Das Leben aber, mein bester Herr Faber, mit seinen bunten Bildern, verhält sich zum Dichter, wie ein unübersehbar weitläufiges Hyerogliphenbuch von einer unbekannten, lange untergegangenen Ursprache zum Leser. Da sitzen von Ewigkeit zu Ewigkeit die redlichsten, gut¬ müthigsten Weltnarren, die Dichter, und lesen und lesen. Aber die alten, wunderbaren Worte der Zeichen sind unbekannt und der Wind weht die Blät¬ ter des großen Buches so schnell und verworren durcheinander, daß einem die Augen übergeh'n. -- Friedrich sah Leontin groß an, es war etwas in seinen Worten, das ihn ernsthaft machte. Fa¬ ber aber, dem Leontin zu schnell gesprochen zu haben schien, spann gelassen seinen vorigen Diskurs
ſchloß. Der Wein erweiterte ihre Herzen und ſie waren alle drey wie alte Bekannte mit einander. Das iſt wohl ein rechtes Dichterleben, Herr Fa¬ ber, ſagte Friedrich vergnügt. — Immer doch, hub Faber ziemlich pathetiſch an, höre ich das Leben und Dichten verwechſeln. — Aber, aber, be¬ ſter Herr Faber, fiel ihm Leontin ſchnell ins Wort, dem jeder ernſthafte Diſkurs über Poeſie die Bruſt zuſammenſchnürte, weil er ſelber nie ein Urtheil hatte. Er pflegte daher immer mit Witzen, Radottements, dazwiſchen zu fahren, und fuhr auch jezt, geſchwind unterbrechend, fort: ihr verwechſelt mit euren Wortwechſeleyen alles ſo, daß man am Ende ſeiner ſelbſt nicht ſicher bleibt. Glaubte ich doch einmal in allem Ernſte, ich ſey die Weltſeele, und wußte vor lauter Welt nicht, ob ich eine See¬ le hatte oder umgekehrt. Das Leben aber, mein beſter Herr Faber, mit ſeinen bunten Bildern, verhält ſich zum Dichter, wie ein unüberſehbar weitläufiges Hyerogliphenbuch von einer unbekannten, lange untergegangenen Urſprache zum Leſer. Da ſitzen von Ewigkeit zu Ewigkeit die redlichſten, gut¬ müthigſten Weltnarren, die Dichter, und leſen und leſen. Aber die alten, wunderbaren Worte der Zeichen ſind unbekannt und der Wind weht die Blät¬ ter des großen Buches ſo ſchnell und verworren durcheinander, daß einem die Augen übergeh'n. — Friedrich ſah Leontin groß an, es war etwas in ſeinen Worten, das ihn ernſthaft machte. Fa¬ ber aber, dem Leontin zu ſchnell geſprochen zu haben ſchien, ſpann gelaſſen ſeinen vorigen Diſkurs
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ſchloß. Der Wein erweiterte ihre Herzen und ſie
waren alle drey wie alte Bekannte mit einander.
Das iſt wohl ein rechtes Dichterleben, Herr Fa¬
ber, ſagte Friedrich vergnügt. — Immer doch,
hub Faber ziemlich pathetiſch an, höre ich das
Leben und Dichten verwechſeln. — Aber, aber, be¬
ſter Herr Faber, fiel ihm Leontin ſchnell ins
Wort, dem jeder ernſthafte Diſkurs über Poeſie
die Bruſt zuſammenſchnürte, weil er ſelber nie ein
Urtheil hatte. Er pflegte daher immer mit Witzen,
Radottements, dazwiſchen zu fahren, und fuhr auch
jezt, geſchwind unterbrechend, fort: ihr verwechſelt
mit euren Wortwechſeleyen alles ſo, daß man am
Ende ſeiner ſelbſt nicht ſicher bleibt. Glaubte ich
doch einmal in allem Ernſte, ich ſey die Weltſeele,
und wußte vor lauter Welt nicht, ob ich eine See¬
le hatte oder umgekehrt. Das Leben aber, mein
beſter Herr Faber, mit ſeinen bunten Bildern,
verhält ſich zum Dichter, wie ein unüberſehbar
weitläufiges Hyerogliphenbuch von einer unbekannten,
lange untergegangenen Urſprache zum Leſer. Da
ſitzen von Ewigkeit zu Ewigkeit die redlichſten, gut¬
müthigſten Weltnarren, die Dichter, und leſen und
leſen. Aber die alten, wunderbaren Worte der
Zeichen ſind unbekannt und der Wind weht die Blät¬
ter des großen Buches ſo ſchnell und verworren
durcheinander, daß einem die Augen übergeh'n. —
Friedrich ſah Leontin groß an, es war etwas
in ſeinen Worten, das ihn ernſthaft machte. Fa¬
ber aber, dem Leontin zu ſchnell geſprochen zu
haben ſchien, ſpann gelaſſen ſeinen vorigen Diſkurs
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/48>, abgerufen am 23.11.2024.
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