lächelnd die Hand und alle drey schieden von einan¬ der, um sich zur Ruhe zu begeben. Faber sagte im Weggehen: seine Seele sey heut so wach, daß er noch tief in die Nacht hinein an einem angefan¬ genen, großen Gedichte fortarbeiten wolle.
Als Friedrich in sein Schlafzimmer kam, stellte er sich noch eine Weile ans offene Fenster. Von der andern Seite des Schlosses schimmerte aus Fabers Zimmer ein einsames Licht in die stille Gegend hinaus. Fabers Fleiß rührte den Grafen, und er kam ihm in diesem Augenblicke als ein höheres Wesen vor. Es ist wohl groß, sagte er, so mit göttlichen Gedanken über dem weiten, stillen Kreis der Erde zu schweben. Wache, sinne und bilde nur fleissig fort, fröhliche Seele, wenn alle die anderen Menschen schlafen! Gott ist mit dir in deiner Einsamkeit und Er weiß es allein, was ein Dichter treulich will, wenn auch kein Mensch sich um dich bekümmert. Der Mond stand eben über dem alterthümlichen Thurme des Schlos¬ ses, unten lag der schwarze Waldgrund in stum¬ mer Ruhe. Die Fenster giengen nach der Gegend hinaus, wo die Gräfin Rosa hinter dem Walde wohnte. Friedrich hatte Leontins Guitarre mit hinaufgenommen. Er nahm sie in den Arm und sang:
Die Welt ruht still im Hafen,
Mein Liebchen, gute Nacht! Wann Wald und Berge schlafen, Treu' Liebe einsam wacht.
lächelnd die Hand und alle drey ſchieden von einan¬ der, um ſich zur Ruhe zu begeben. Faber ſagte im Weggehen: ſeine Seele ſey heut ſo wach, daß er noch tief in die Nacht hinein an einem angefan¬ genen, großen Gedichte fortarbeiten wolle.
Als Friedrich in ſein Schlafzimmer kam, ſtellte er ſich noch eine Weile ans offene Fenſter. Von der andern Seite des Schloſſes ſchimmerte aus Fabers Zimmer ein einſames Licht in die ſtille Gegend hinaus. Fabers Fleiß rührte den Grafen, und er kam ihm in dieſem Augenblicke als ein höheres Weſen vor. Es iſt wohl groß, ſagte er, ſo mit göttlichen Gedanken über dem weiten, ſtillen Kreis der Erde zu ſchweben. Wache, ſinne und bilde nur fleiſſig fort, fröhliche Seele, wenn alle die anderen Menſchen ſchlafen! Gott iſt mit dir in deiner Einſamkeit und Er weiß es allein, was ein Dichter treulich will, wenn auch kein Menſch ſich um dich bekümmert. Der Mond ſtand eben über dem alterthümlichen Thurme des Schloſ¬ ſes, unten lag der ſchwarze Waldgrund in ſtum¬ mer Ruhe. Die Fenſter giengen nach der Gegend hinaus, wo die Gräfin Roſa hinter dem Walde wohnte. Friedrich hatte Leontins Guitarre mit hinaufgenommen. Er nahm ſie in den Arm und ſang:
Die Welt ruht ſtill im Hafen,
Mein Liebchen, gute Nacht! Wann Wald und Berge ſchlafen, Treu' Liebe einſam wacht.
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lächelnd die Hand und alle drey ſchieden von einan¬
der, um ſich zur Ruhe zu begeben. Faber ſagte
im Weggehen: ſeine Seele ſey heut ſo wach, daß
er noch tief in die Nacht hinein an einem angefan¬
genen, großen Gedichte fortarbeiten wolle.
Als Friedrich in ſein Schlafzimmer kam,
ſtellte er ſich noch eine Weile ans offene Fenſter.
Von der andern Seite des Schloſſes ſchimmerte
aus Fabers Zimmer ein einſames Licht in die
ſtille Gegend hinaus. Fabers Fleiß rührte den
Grafen, und er kam ihm in dieſem Augenblicke als
ein höheres Weſen vor. Es iſt wohl groß, ſagte
er, ſo mit göttlichen Gedanken über dem weiten,
ſtillen Kreis der Erde zu ſchweben. Wache, ſinne
und bilde nur fleiſſig fort, fröhliche Seele, wenn
alle die anderen Menſchen ſchlafen! Gott iſt mit
dir in deiner Einſamkeit und Er weiß es allein,
was ein Dichter treulich will, wenn auch kein
Menſch ſich um dich bekümmert. Der Mond ſtand
eben über dem alterthümlichen Thurme des Schloſ¬
ſes, unten lag der ſchwarze Waldgrund in ſtum¬
mer Ruhe. Die Fenſter giengen nach der Gegend
hinaus, wo die Gräfin Roſa hinter dem Walde
wohnte. Friedrich hatte Leontins Guitarre
mit hinaufgenommen. Er nahm ſie in den Arm
und ſang:
Die Welt ruht ſtill im Hafen,
Mein Liebchen, gute Nacht!
Wann Wald und Berge ſchlafen,
Treu' Liebe einſam wacht.
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/53>, abgerufen am 27.11.2024.
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