Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

schaut. Der Mißmuth aber, die träge Niederge¬
schlagenheit und alle diese Entzauberungen, das ist
die wahre Einbildung, die wir durch Gebeth und
Muth zu überwinden trachten sollen, denn diese
verdirbt die ursprüngliche Schönheit der Welt. --
Ist mir auch recht, erwiederte Leontin lustig. --
Graf Friedrich, sagte Faber, hat eine Unschuld
in seinen Betrachtungen, eine Unschuld. -- Ihr
Dichter, fiel ihm Leontin hastig ins Wort, seyd
alle euerer Unschuld über den Kopf gewachsen, und,
wie ihr eure Gedichte ausspendet, sagt ihr immer:
da ist ein prächtiges Kunststück von meiner Kindlich¬
keit, da ist ein besonders wohleingerichtetes Stück
von meinem Patriotismus oder von meiner Ehre!
-- Friedrich erstaunte, da Leontin so keck und
hart aussprach, was er, als eine Lästerung aller
Poesie, sich selber zu denken niemals erlauben
mochte.

Rosa hatte unterdeß über dem Gespräche meh¬
reremal gegähnt. Faber bemerkte es und da er sich
jederzeit als ein galanter Verehrer des schönen Ge¬
schlechtes auszeichnete, so trug er sich an, zu allge¬
meiner Unterhaltung eine Erzählung zum Besten zu
geben. Nur nicht in Versen, rief Rosa, denn da
versteht man doch alles nur halb. Man rückte da¬
her näher zusammen, Fabern in die Mitte neh¬
mend, und er erzählte folgende Geschichte, während
sie zwischen den waldigten Bergen langsam fort¬
zogen:

Es war einmal ein Ritter. -- Das fängt ja
an, wie ein Mährchen, unterbrach ihn Rosa. --

ſchaut. Der Mißmuth aber, die träge Niederge¬
ſchlagenheit und alle dieſe Entzauberungen, das iſt
die wahre Einbildung, die wir durch Gebeth und
Muth zu überwinden trachten ſollen, denn dieſe
verdirbt die urſprüngliche Schönheit der Welt. —
Iſt mir auch recht, erwiederte Leontin luſtig. —
Graf Friedrich, ſagte Faber, hat eine Unſchuld
in ſeinen Betrachtungen, eine Unſchuld. — Ihr
Dichter, fiel ihm Leontin haſtig ins Wort, ſeyd
alle euerer Unſchuld über den Kopf gewachſen, und,
wie ihr eure Gedichte ausſpendet, ſagt ihr immer:
da iſt ein prächtiges Kunſtſtück von meiner Kindlich¬
keit, da iſt ein beſonders wohleingerichtetes Stück
von meinem Patriotismus oder von meiner Ehre!
Friedrich erſtaunte, da Leontin ſo keck und
hart ausſprach, was er, als eine Läſterung aller
Poeſie, ſich ſelber zu denken niemals erlauben
mochte.

Roſa hatte unterdeß über dem Geſpräche meh¬
reremal gegähnt. Faber bemerkte es und da er ſich
jederzeit als ein galanter Verehrer des ſchönen Ge¬
ſchlechtes auszeichnete, ſo trug er ſich an, zu allge¬
meiner Unterhaltung eine Erzählung zum Beſten zu
geben. Nur nicht in Verſen, rief Roſa, denn da
verſteht man doch alles nur halb. Man rückte da¬
her näher zuſammen, Fabern in die Mitte neh¬
mend, und er erzählte folgende Geſchichte, während
ſie zwiſchen den waldigten Bergen langſam fort¬
zogen:

Es war einmal ein Ritter. — Das fängt ja
an, wie ein Mährchen, unterbrach ihn Roſa. —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0065" n="59"/>
&#x017F;chaut. Der Mißmuth aber, die träge Niederge¬<lb/>
&#x017F;chlagenheit und alle die&#x017F;e Entzauberungen, das i&#x017F;t<lb/>
die wahre Einbildung, die wir durch Gebeth und<lb/>
Muth zu überwinden trachten &#x017F;ollen, denn die&#x017F;e<lb/>
verdirbt die ur&#x017F;prüngliche Schönheit der Welt. &#x2014;<lb/>
I&#x017F;t mir auch recht, erwiederte Leontin lu&#x017F;tig. &#x2014;<lb/>
Graf <hi rendition="#g">Friedrich</hi>, &#x017F;agte Faber, hat eine Un&#x017F;chuld<lb/>
in &#x017F;einen Betrachtungen, eine Un&#x017F;chuld. &#x2014; Ihr<lb/>
Dichter, fiel ihm Leontin ha&#x017F;tig ins Wort, &#x017F;eyd<lb/>
alle euerer Un&#x017F;chuld über den Kopf gewach&#x017F;en, und,<lb/>
wie ihr eure Gedichte aus&#x017F;pendet, &#x017F;agt ihr immer:<lb/>
da i&#x017F;t ein prächtiges Kun&#x017F;t&#x017F;tück von meiner Kindlich¬<lb/>
keit, da i&#x017F;t ein be&#x017F;onders wohleingerichtetes Stück<lb/>
von meinem Patriotismus oder von meiner Ehre!<lb/>
&#x2014; <hi rendition="#g">Friedrich</hi> er&#x017F;taunte, da Leontin &#x017F;o keck und<lb/>
hart aus&#x017F;prach, was er, als eine Lä&#x017F;terung aller<lb/>
Poe&#x017F;ie, &#x017F;ich &#x017F;elber zu denken niemals erlauben<lb/>
mochte.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Ro&#x017F;a</hi> hatte unterdeß über dem Ge&#x017F;präche meh¬<lb/>
reremal gegähnt. Faber bemerkte es und da er &#x017F;ich<lb/>
jederzeit als ein galanter Verehrer des &#x017F;chönen Ge¬<lb/>
&#x017F;chlechtes auszeichnete, &#x017F;o trug er &#x017F;ich an, zu allge¬<lb/>
meiner Unterhaltung eine Erzählung zum Be&#x017F;ten zu<lb/>
geben. Nur nicht in Ver&#x017F;en, rief <hi rendition="#g">Ro&#x017F;a</hi>, denn da<lb/>
ver&#x017F;teht man doch alles nur halb. Man rückte da¬<lb/>
her näher zu&#x017F;ammen, Fabern in die Mitte neh¬<lb/>
mend, und er erzählte folgende Ge&#x017F;chichte, während<lb/>
&#x017F;ie zwi&#x017F;chen den waldigten Bergen lang&#x017F;am fort¬<lb/>
zogen:</p><lb/>
          <p>Es war einmal ein Ritter. &#x2014; Das fängt ja<lb/>
an, wie ein Mährchen, unterbrach ihn <hi rendition="#g">Ro&#x017F;a</hi>. &#x2014;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0065] ſchaut. Der Mißmuth aber, die träge Niederge¬ ſchlagenheit und alle dieſe Entzauberungen, das iſt die wahre Einbildung, die wir durch Gebeth und Muth zu überwinden trachten ſollen, denn dieſe verdirbt die urſprüngliche Schönheit der Welt. — Iſt mir auch recht, erwiederte Leontin luſtig. — Graf Friedrich, ſagte Faber, hat eine Unſchuld in ſeinen Betrachtungen, eine Unſchuld. — Ihr Dichter, fiel ihm Leontin haſtig ins Wort, ſeyd alle euerer Unſchuld über den Kopf gewachſen, und, wie ihr eure Gedichte ausſpendet, ſagt ihr immer: da iſt ein prächtiges Kunſtſtück von meiner Kindlich¬ keit, da iſt ein beſonders wohleingerichtetes Stück von meinem Patriotismus oder von meiner Ehre! — Friedrich erſtaunte, da Leontin ſo keck und hart ausſprach, was er, als eine Läſterung aller Poeſie, ſich ſelber zu denken niemals erlauben mochte. Roſa hatte unterdeß über dem Geſpräche meh¬ reremal gegähnt. Faber bemerkte es und da er ſich jederzeit als ein galanter Verehrer des ſchönen Ge¬ ſchlechtes auszeichnete, ſo trug er ſich an, zu allge¬ meiner Unterhaltung eine Erzählung zum Beſten zu geben. Nur nicht in Verſen, rief Roſa, denn da verſteht man doch alles nur halb. Man rückte da¬ her näher zuſammen, Fabern in die Mitte neh¬ mend, und er erzählte folgende Geſchichte, während ſie zwiſchen den waldigten Bergen langſam fort¬ zogen: Es war einmal ein Ritter. — Das fängt ja an, wie ein Mährchen, unterbrach ihn Roſa. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/65
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/65>, abgerufen am 28.11.2024.