wie der Vogel in der Luft. Dabey kamen ihr alle Männer gar dummlich vor, weil sie entweder zu unbehülflich waren, ihrem müssigen Witze nachzu¬ kommen, oder auf andre, hohe Dinge stolz thaten, an die sie nicht glaubte. Und so betrachtete sie sich in ihrer Verblendung als eine reizende Fee unter verzauberten Bären und Affen, die nach ihrem Win¬ ke tanzen und aufwarten mußten. Der Ring wur¬ de indeß von Tag zu Tage trüber.
Eines Tages gab sie ein glänzendes Banket. Unter einem prächtigen Zelte, daß im Garten auf¬ geschlagen war, sassen die jungen Ritter und Frauen um die Tafel, in ihrer Mitte das stolze Fräulein, gleich einer Königin, und ihre witzigen Redensarten überstrahlten den Glanz der Perlen und Edelgesteine, womit ihr Hals und Busen geschmückt war. Recht wie ein wurmstichiger Apfel, so schön roth und be¬ trüglich, war sie anzusehen. Der goldene Wein kreißte fröhlich herum, die Ritter schauten kühner, üppig lockende Lieder zogen hin und wieder im Gar¬ ten durch die sommerlaue Luft. Da fielen Ida's Blicke zufällig auf ihren Ring. Der war auf ein¬ mal finster geworden, und sein verlöschender Glanz that nur eben noch einen seltsamen, dunkelglühen¬ den Blick auf sie. Sie stand schnell auf und gieng an den Abhang des Gartens. Du einfältiger Stein, sollst mich nicht länger mehr stören! sagte sie in ihrem Uebermuthe lachend, zog den Ring vom Fin¬ ger und warf ihn in den Strom hinunter. Er be¬ schrieb im Fluge einen hellschimmernden Bogen und tauchte sogleich in den tiefsten Abgrund hinab.
wie der Vogel in der Luft. Dabey kamen ihr alle Männer gar dummlich vor, weil ſie entweder zu unbehülflich waren, ihrem müſſigen Witze nachzu¬ kommen, oder auf andre, hohe Dinge ſtolz thaten, an die ſie nicht glaubte. Und ſo betrachtete ſie ſich in ihrer Verblendung als eine reizende Fee unter verzauberten Bären und Affen, die nach ihrem Win¬ ke tanzen und aufwarten mußten. Der Ring wur¬ de indeß von Tag zu Tage trüber.
Eines Tages gab ſie ein glänzendes Banket. Unter einem prächtigen Zelte, daß im Garten auf¬ geſchlagen war, ſaſſen die jungen Ritter und Frauen um die Tafel, in ihrer Mitte das ſtolze Fräulein, gleich einer Königin, und ihre witzigen Redensarten überſtrahlten den Glanz der Perlen und Edelgeſteine, womit ihr Hals und Buſen geſchmückt war. Recht wie ein wurmſtichiger Apfel, ſo ſchön roth und be¬ trüglich, war ſie anzuſehen. Der goldene Wein kreißte fröhlich herum, die Ritter ſchauten kühner, üppig lockende Lieder zogen hin und wieder im Gar¬ ten durch die ſommerlaue Luft. Da fielen Ida's Blicke zufällig auf ihren Ring. Der war auf ein¬ mal finſter geworden, und ſein verlöſchender Glanz that nur eben noch einen ſeltſamen, dunkelglühen¬ den Blick auf ſie. Sie ſtand ſchnell auf und gieng an den Abhang des Gartens. Du einfältiger Stein, ſollſt mich nicht länger mehr ſtören! ſagte ſie in ihrem Uebermuthe lachend, zog den Ring vom Fin¬ ger und warf ihn in den Strom hinunter. Er be¬ ſchrieb im Fluge einen hellſchimmernden Bogen und tauchte ſogleich in den tiefſten Abgrund hinab.
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wie der Vogel in der Luft. Dabey kamen ihr alle
Männer gar dummlich vor, weil ſie entweder zu
unbehülflich waren, ihrem müſſigen Witze nachzu¬
kommen, oder auf andre, hohe Dinge ſtolz thaten,
an die ſie nicht glaubte. Und ſo betrachtete ſie ſich
in ihrer Verblendung als eine reizende Fee unter
verzauberten Bären und Affen, die nach ihrem Win¬
ke tanzen und aufwarten mußten. Der Ring wur¬
de indeß von Tag zu Tage trüber.
Eines Tages gab ſie ein glänzendes Banket.
Unter einem prächtigen Zelte, daß im Garten auf¬
geſchlagen war, ſaſſen die jungen Ritter und Frauen
um die Tafel, in ihrer Mitte das ſtolze Fräulein,
gleich einer Königin, und ihre witzigen Redensarten
überſtrahlten den Glanz der Perlen und Edelgeſteine,
womit ihr Hals und Buſen geſchmückt war. Recht
wie ein wurmſtichiger Apfel, ſo ſchön roth und be¬
trüglich, war ſie anzuſehen. Der goldene Wein
kreißte fröhlich herum, die Ritter ſchauten kühner,
üppig lockende Lieder zogen hin und wieder im Gar¬
ten durch die ſommerlaue Luft. Da fielen Ida's
Blicke zufällig auf ihren Ring. Der war auf ein¬
mal finſter geworden, und ſein verlöſchender Glanz
that nur eben noch einen ſeltſamen, dunkelglühen¬
den Blick auf ſie. Sie ſtand ſchnell auf und gieng
an den Abhang des Gartens. Du einfältiger Stein,
ſollſt mich nicht länger mehr ſtören! ſagte ſie in
ihrem Uebermuthe lachend, zog den Ring vom Fin¬
ger und warf ihn in den Strom hinunter. Er be¬
ſchrieb im Fluge einen hellſchimmernden Bogen und
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/69>, abgerufen am 28.11.2024.
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