Endlich, da es draußen schon ganz finster ge¬ worden, hörte sie auf einmal ein großes Getös von Roßeshufen und fremden Stimmen. Der Schloßhof füllte sich mit Windlichtern, bey deren Scheine sie ein wildes Gewimmel von Wagen, Pferden, Rit¬ tern und Frauen erblickte. Die Hochzeitsgäste ver¬ breiteten sich bald in der ganzen Burg, und sie er¬ kannte alle ihre alten Bekannten, die auch lezthin auf dem Banket bey ihr gewesen waren. Der schö¬ ne Bräutigam, wieder ganz in wasserblaue Seide gekleidet, trat zu ihr und erheiterte gar bald ihr Herz durch seine anmuthigen und süssen Reden. Musikanten spielten lustig, Edelknaben schenkten Wein herum und alles tanzte und schmaußte in freudenreichem Schalle.
Während dem Feste trat Ida mit ihrem Bräu¬ tigam ans offene Fenster. Die Gegend war unten weit und breit still, wie ein Grab, nur der Fluß rauschte aus dem finsteren Grunde herauf. Was sind das für schwarze Vögel, fragte Ida, die da in langen Schaaren so langsam über den Himmel zieh'n? -- Sie ziehen die ganze Nacht fort, sagte der Bräutigam, sie bedeuten deine Hochzeit. -- Was sind das für fremde Leute, fragte Ida wie¬ der, die dort drunten am Flusse auf den Steinen sitzen und sich nicht rühren? -- Das sind meine Diener, sagte der Bräutigam, die auf uns war¬ ten. -- Unterdeß fiengen schon lichte Streifen an, sich am Himmel aufzurichten und aus den Thälern hörte man von ferne Hähne krähen. Es wird so kühl, sagte Ida und schloß das Fenster. In mei¬
Endlich, da es draußen ſchon ganz finſter ge¬ worden, hörte ſie auf einmal ein großes Getös von Roßeshufen und fremden Stimmen. Der Schloßhof füllte ſich mit Windlichtern, bey deren Scheine ſie ein wildes Gewimmel von Wagen, Pferden, Rit¬ tern und Frauen erblickte. Die Hochzeitsgäſte ver¬ breiteten ſich bald in der ganzen Burg, und ſie er¬ kannte alle ihre alten Bekannten, die auch lezthin auf dem Banket bey ihr geweſen waren. Der ſchö¬ ne Bräutigam, wieder ganz in waſſerblaue Seide gekleidet, trat zu ihr und erheiterte gar bald ihr Herz durch ſeine anmuthigen und ſüſſen Reden. Muſikanten ſpielten luſtig, Edelknaben ſchenkten Wein herum und alles tanzte und ſchmaußte in freudenreichem Schalle.
Während dem Feſte trat Ida mit ihrem Bräu¬ tigam ans offene Fenſter. Die Gegend war unten weit und breit ſtill, wie ein Grab, nur der Fluß rauſchte aus dem finſteren Grunde herauf. Was ſind das für ſchwarze Vögel, fragte Ida, die da in langen Schaaren ſo langſam über den Himmel zieh'n? — Sie ziehen die ganze Nacht fort, ſagte der Bräutigam, ſie bedeuten deine Hochzeit. — Was ſind das für fremde Leute, fragte Ida wie¬ der, die dort drunten am Fluſſe auf den Steinen ſitzen und ſich nicht rühren? — Das ſind meine Diener, ſagte der Bräutigam, die auf uns war¬ ten. — Unterdeß fiengen ſchon lichte Streifen an, ſich am Himmel aufzurichten und aus den Thälern hörte man von ferne Hähne krähen. Es wird ſo kühl, ſagte Ida und ſchloß das Fenſter. In mei¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0072"n="66"/><p>Endlich, da es draußen ſchon ganz finſter ge¬<lb/>
worden, hörte ſie auf einmal ein großes Getös von<lb/>
Roßeshufen und fremden Stimmen. Der Schloßhof<lb/>
füllte ſich mit Windlichtern, bey deren Scheine ſie<lb/>
ein wildes Gewimmel von Wagen, Pferden, Rit¬<lb/>
tern und Frauen erblickte. Die Hochzeitsgäſte ver¬<lb/>
breiteten ſich bald in der ganzen Burg, und ſie er¬<lb/>
kannte alle ihre alten Bekannten, die auch lezthin<lb/>
auf dem Banket bey ihr geweſen waren. Der ſchö¬<lb/>
ne Bräutigam, wieder ganz in waſſerblaue Seide<lb/>
gekleidet, trat zu ihr und erheiterte gar bald ihr<lb/>
Herz durch ſeine anmuthigen und ſüſſen Reden.<lb/>
Muſikanten ſpielten luſtig, Edelknaben ſchenkten<lb/>
Wein herum und alles tanzte und ſchmaußte in<lb/>
freudenreichem Schalle.</p><lb/><p>Während dem Feſte trat Ida mit ihrem Bräu¬<lb/>
tigam ans offene Fenſter. Die Gegend war unten<lb/>
weit und breit ſtill, wie ein Grab, nur der Fluß<lb/>
rauſchte aus dem finſteren Grunde herauf. Was<lb/>ſind das für ſchwarze Vögel, fragte Ida, die da<lb/>
in langen Schaaren ſo langſam über den Himmel<lb/>
zieh'n? — Sie ziehen die ganze Nacht fort, ſagte<lb/>
der Bräutigam, ſie bedeuten deine Hochzeit. —<lb/>
Was ſind das für fremde Leute, fragte Ida wie¬<lb/>
der, die dort drunten am Fluſſe auf den Steinen<lb/>ſitzen und ſich nicht rühren? — Das ſind meine<lb/>
Diener, ſagte der Bräutigam, die auf uns war¬<lb/>
ten. — Unterdeß fiengen ſchon lichte Streifen an,<lb/>ſich am Himmel aufzurichten und aus den Thälern<lb/>
hörte man von ferne Hähne krähen. Es wird ſo<lb/>
kühl, ſagte Ida und ſchloß das Fenſter. In mei¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[66/0072]
Endlich, da es draußen ſchon ganz finſter ge¬
worden, hörte ſie auf einmal ein großes Getös von
Roßeshufen und fremden Stimmen. Der Schloßhof
füllte ſich mit Windlichtern, bey deren Scheine ſie
ein wildes Gewimmel von Wagen, Pferden, Rit¬
tern und Frauen erblickte. Die Hochzeitsgäſte ver¬
breiteten ſich bald in der ganzen Burg, und ſie er¬
kannte alle ihre alten Bekannten, die auch lezthin
auf dem Banket bey ihr geweſen waren. Der ſchö¬
ne Bräutigam, wieder ganz in waſſerblaue Seide
gekleidet, trat zu ihr und erheiterte gar bald ihr
Herz durch ſeine anmuthigen und ſüſſen Reden.
Muſikanten ſpielten luſtig, Edelknaben ſchenkten
Wein herum und alles tanzte und ſchmaußte in
freudenreichem Schalle.
Während dem Feſte trat Ida mit ihrem Bräu¬
tigam ans offene Fenſter. Die Gegend war unten
weit und breit ſtill, wie ein Grab, nur der Fluß
rauſchte aus dem finſteren Grunde herauf. Was
ſind das für ſchwarze Vögel, fragte Ida, die da
in langen Schaaren ſo langſam über den Himmel
zieh'n? — Sie ziehen die ganze Nacht fort, ſagte
der Bräutigam, ſie bedeuten deine Hochzeit. —
Was ſind das für fremde Leute, fragte Ida wie¬
der, die dort drunten am Fluſſe auf den Steinen
ſitzen und ſich nicht rühren? — Das ſind meine
Diener, ſagte der Bräutigam, die auf uns war¬
ten. — Unterdeß fiengen ſchon lichte Streifen an,
ſich am Himmel aufzurichten und aus den Thälern
hörte man von ferne Hähne krähen. Es wird ſo
kühl, ſagte Ida und ſchloß das Fenſter. In mei¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/72>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.