Reisegefährte, sagte Albert zu Fortunat, und wenn mich schlaffe Ruh oder weichliche Lust überschleichen wollen, blick ich die Eisenbraut an, und gedenke der ernsten, großen Zeit. -- Ach, das ist schon eine alte Geschichte! entgegnete Fortunat lachend. -- Sind Sie damals mit zu Felde gewesen? fragte der Maleret was spitzig. -- Freilich, erwiederte jener, das versteht sich ja aber ganz von selbst.
Inzwischen befand sich der Schulrath schon mit¬ ten unter Alberts Arbeiten, die in dem Gemach um¬ herstanden und von dem erstaunenswerthen Fleiße des Malers zeugten. Da waren die ungeheuersten Anstal¬ ten zur Kunst: Gliederpuppen, sorgfältig gefaltete Mäntel, Modelle und Büsten, dazwischen mehrere vollendete Bilder, Historienstücke aus der antiken He¬ roenzeit, von sehr zusammengesetzter, studirter und nicht leicht faßlicher Composition. Göttlich! rief der Schulrath einmal über das andere aus, während er mit Kennermiene beschäftigt war, jedes Bild genau in das rechte Licht zu stellen. Sehen Sie den ätheri¬ schen Hauch des Incarnats, die Perspektive, diesen klassischen Ausdruck! -- In der That, ein philosophi¬ scher Pinsel, erwiderte Fortunat. Denn diese anma߬ lichen, affektirten Heldengestalten voll Männerstolz und Männerwürde wollten ihm nicht im mindesten behagen, und die Jungfrauen mit ihrer langgestreckten anmuth¬
Reiſegefaͤhrte, ſagte Albert zu Fortunat, und wenn mich ſchlaffe Ruh oder weichliche Luſt uͤberſchleichen wollen, blick ich die Eiſenbraut an, und gedenke der ernſten, großen Zeit. — Ach, das iſt ſchon eine alte Geſchichte! entgegnete Fortunat lachend. — Sind Sie damals mit zu Felde geweſen? fragte der Maleret was ſpitzig. — Freilich, erwiederte jener, das verſteht ſich ja aber ganz von ſelbſt.
Inzwiſchen befand ſich der Schulrath ſchon mit¬ ten unter Alberts Arbeiten, die in dem Gemach um¬ herſtanden und von dem erſtaunenswerthen Fleiße des Malers zeugten. Da waren die ungeheuerſten Anſtal¬ ten zur Kunſt: Gliederpuppen, ſorgfaͤltig gefaltete Maͤntel, Modelle und Buͤſten, dazwiſchen mehrere vollendete Bilder, Hiſtorienſtuͤcke aus der antiken He¬ roenzeit, von ſehr zuſammengeſetzter, ſtudirter und nicht leicht faßlicher Compoſition. Goͤttlich! rief der Schulrath einmal uͤber das andere aus, waͤhrend er mit Kennermiene beſchaͤftigt war, jedes Bild genau in das rechte Licht zu ſtellen. Sehen Sie den aͤtheri¬ ſchen Hauch des Incarnats, die Perſpektive, dieſen klaſſiſchen Ausdruck! — In der That, ein philoſophi¬ ſcher Pinſel, erwiderte Fortunat. Denn dieſe anma߬ lichen, affektirten Heldengeſtalten voll Maͤnnerſtolz und Maͤnnerwuͤrde wollten ihm nicht im mindeſten behagen, und die Jungfrauen mit ihrer langgeſtreckten anmuth¬
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Reiſegefaͤhrte, ſagte Albert zu Fortunat, und wenn
mich ſchlaffe Ruh oder weichliche Luſt uͤberſchleichen
wollen, blick ich die Eiſenbraut an, und gedenke der
ernſten, großen Zeit. — Ach, das iſt ſchon eine alte
Geſchichte! entgegnete Fortunat lachend. — Sind Sie
damals mit zu Felde geweſen? fragte der Maleret was
ſpitzig. — Freilich, erwiederte jener, das verſteht ſich
ja aber ganz von ſelbſt.
Inzwiſchen befand ſich der Schulrath ſchon mit¬
ten unter Alberts Arbeiten, die in dem Gemach um¬
herſtanden und von dem erſtaunenswerthen Fleiße des
Malers zeugten. Da waren die ungeheuerſten Anſtal¬
ten zur Kunſt: Gliederpuppen, ſorgfaͤltig gefaltete
Maͤntel, Modelle und Buͤſten, dazwiſchen mehrere
vollendete Bilder, Hiſtorienſtuͤcke aus der antiken He¬
roenzeit, von ſehr zuſammengeſetzter, ſtudirter und
nicht leicht faßlicher Compoſition. Goͤttlich! rief der
Schulrath einmal uͤber das andere aus, waͤhrend er
mit Kennermiene beſchaͤftigt war, jedes Bild genau in
das rechte Licht zu ſtellen. Sehen Sie den aͤtheri¬
ſchen Hauch des Incarnats, die Perſpektive, dieſen
klaſſiſchen Ausdruck! — In der That, ein philoſophi¬
ſcher Pinſel, erwiderte Fortunat. Denn dieſe anma߬
lichen, affektirten Heldengeſtalten voll Maͤnnerſtolz und
Maͤnnerwuͤrde wollten ihm nicht im mindeſten behagen,
und die Jungfrauen mit ihrer langgeſtreckten anmuth¬
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/102>, abgerufen am 21.11.2024.
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