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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

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springend aus, und gab ihm einen herzhaften Kuß.
Pfui! wenn er nur nicht so häßlich wäre! sagte sie
dann, sich den Mund schnell abwischend.

Währenddeß hatte sich, ohne von dem Streit No¬
tiz zu nehmen, ein kurzer, runder Mann zu Fortuna¬
ten gesellt, der sich ihm als den fürstlichen Schulrath
vorstellte, und in welchem er sogleich den dicken Schüz¬
zen wieder erkannte, dem sie gestern vom Felsen ge¬
holfen. Fortunat wußte gar nicht, wie ihm geschah,
da der Kleine auf einmal sehr gelehrt von Poesie,
Kunst und Religion zu sprechen anfing, und sich end¬
lich angelegentlichst erbot, ihn in den wenigen Augen¬
blicken der Muße, die ihm blieben, mit den mancher¬
lei Merkwürdigkeiten des Orts bekannt zu machen.
Kaum hatte der kämpfende Maler Albert den Schul¬
rath erblickt, als er vornehm den Streit abbrach und
sich zu ihnen wandte. -- Vortrefflich, sagte der Schul¬
rath, sich an Fortunats Arm hängend, so geleite ich
Sie gleich zu einem Götter-Frühstück, womit ich mich
jeden Morgen für meine Berufsgeschäfte zu stärken
pflege. -- So schritten sie eilig durch einen langen
Korridor zu einer schweren eichenen Thür, die Albert
mit einer gewissen Feierlichkeit öffnete. Es war sein
Attelier, ein hohes, ritterliches Gemach, an dessen
schmuckloser Hauptwand ein großes, mit der Jahres¬
zahl 1813 bezeichnetes Schwerdt hing, um das sich
ein verwelkter Eichenkranz wand. Das ist mein treuer

ſpringend aus, und gab ihm einen herzhaften Kuß.
Pfui! wenn er nur nicht ſo haͤßlich waͤre! ſagte ſie
dann, ſich den Mund ſchnell abwiſchend.

Waͤhrenddeß hatte ſich, ohne von dem Streit No¬
tiz zu nehmen, ein kurzer, runder Mann zu Fortuna¬
ten geſellt, der ſich ihm als den fuͤrſtlichen Schulrath
vorſtellte, und in welchem er ſogleich den dicken Schuͤz¬
zen wieder erkannte, dem ſie geſtern vom Felſen ge¬
holfen. Fortunat wußte gar nicht, wie ihm geſchah,
da der Kleine auf einmal ſehr gelehrt von Poeſie,
Kunſt und Religion zu ſprechen anfing, und ſich end¬
lich angelegentlichſt erbot, ihn in den wenigen Augen¬
blicken der Muße, die ihm blieben, mit den mancher¬
lei Merkwuͤrdigkeiten des Orts bekannt zu machen.
Kaum hatte der kaͤmpfende Maler Albert den Schul¬
rath erblickt, als er vornehm den Streit abbrach und
ſich zu ihnen wandte. — Vortrefflich, ſagte der Schul¬
rath, ſich an Fortunats Arm haͤngend, ſo geleite ich
Sie gleich zu einem Goͤtter-Fruͤhſtuͤck, womit ich mich
jeden Morgen fuͤr meine Berufsgeſchaͤfte zu ſtaͤrken
pflege. — So ſchritten ſie eilig durch einen langen
Korridor zu einer ſchweren eichenen Thuͤr, die Albert
mit einer gewiſſen Feierlichkeit oͤffnete. Es war ſein
Attelier, ein hohes, ritterliches Gemach, an deſſen
ſchmuckloſer Hauptwand ein großes, mit der Jahres¬
zahl 1813 bezeichnetes Schwerdt hing, um das ſich
ein verwelkter Eichenkranz wand. Das iſt mein treuer

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[94/0101] ſpringend aus, und gab ihm einen herzhaften Kuß. Pfui! wenn er nur nicht ſo haͤßlich waͤre! ſagte ſie dann, ſich den Mund ſchnell abwiſchend. Waͤhrenddeß hatte ſich, ohne von dem Streit No¬ tiz zu nehmen, ein kurzer, runder Mann zu Fortuna¬ ten geſellt, der ſich ihm als den fuͤrſtlichen Schulrath vorſtellte, und in welchem er ſogleich den dicken Schuͤz¬ zen wieder erkannte, dem ſie geſtern vom Felſen ge¬ holfen. Fortunat wußte gar nicht, wie ihm geſchah, da der Kleine auf einmal ſehr gelehrt von Poeſie, Kunſt und Religion zu ſprechen anfing, und ſich end¬ lich angelegentlichſt erbot, ihn in den wenigen Augen¬ blicken der Muße, die ihm blieben, mit den mancher¬ lei Merkwuͤrdigkeiten des Orts bekannt zu machen. Kaum hatte der kaͤmpfende Maler Albert den Schul¬ rath erblickt, als er vornehm den Streit abbrach und ſich zu ihnen wandte. — Vortrefflich, ſagte der Schul¬ rath, ſich an Fortunats Arm haͤngend, ſo geleite ich Sie gleich zu einem Goͤtter-Fruͤhſtuͤck, womit ich mich jeden Morgen fuͤr meine Berufsgeſchaͤfte zu ſtaͤrken pflege. — So ſchritten ſie eilig durch einen langen Korridor zu einer ſchweren eichenen Thuͤr, die Albert mit einer gewiſſen Feierlichkeit oͤffnete. Es war ſein Attelier, ein hohes, ritterliches Gemach, an deſſen ſchmuckloſer Hauptwand ein großes, mit der Jahres¬ zahl 1813 bezeichnetes Schwerdt hing, um das ſich ein verwelkter Eichenkranz wand. Das iſt mein treuer

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/101>, abgerufen am 21.11.2024.