Auf einmal heißt's: die Franzosen! Wir waren un¬ serer nur wenige, der Feind in hellen Haufen. Meine Kameraden zerstoben im Nu nach allen Seiten. Ich aber fasse mein Pferd, fahre in der Eil mit dem Bein in den Pelzärmel des Dolmanns, mit einem Arm in die Säbeltasche, mit dem andern in die verfluchte Ta¬ kelage von Schnüren und Troddeln, so daß ich mich nicht rühren, vielweniger die Zügel erlangen konnte; mein Pferd erschrickt vor meiner Positur und rennt grade auf den Feind los und so, mit ausgespreitzten Armen, den Säbel zwischen den Zähnen, während meine Pistolen losgehen, wie eine wahnsinnige Fleder¬ maus, fliege ich mitten unter die Franzosen hinein, daß ein lustiges Hussah! durch ihr ganzes Geschwader erscholl. Ich war nun in ihre Gefangenschaft gera¬ then, sie hatten Mühe, mich aus meiner verwickelten Lage zu bringen und nannten mich den tollsten Kerl, den sie jemals gesehen. Da ich aber französisch sprach und Gold in der Börse hatte, so wurden wir bald gute Kameraden. Sie wollten mich nach Burgos füh¬ ren in ihr Depot, das war aber nicht so leicht ge¬ macht, denn bewaffnete Banden spanischer Bauern ver¬ rannten uns überall den Weg, und so zogen wir ge¬ raume Zeit miteinander im Lande umher.
Auf diesem Zuge lagerten wir einmal in einer schönen Sommernacht an einem großen Schlosse, das schon seit langer Zeit nicht mehr bewohnt schien. Die
Auf einmal heißt's: die Franzoſen! Wir waren un¬ ſerer nur wenige, der Feind in hellen Haufen. Meine Kameraden zerſtoben im Nu nach allen Seiten. Ich aber faſſe mein Pferd, fahre in der Eil mit dem Bein in den Pelzaͤrmel des Dolmanns, mit einem Arm in die Saͤbeltaſche, mit dem andern in die verfluchte Ta¬ kelage von Schnuͤren und Troddeln, ſo daß ich mich nicht ruͤhren, vielweniger die Zuͤgel erlangen konnte; mein Pferd erſchrickt vor meiner Poſitur und rennt grade auf den Feind los und ſo, mit ausgeſpreitzten Armen, den Saͤbel zwiſchen den Zaͤhnen, waͤhrend meine Piſtolen losgehen, wie eine wahnſinnige Fleder¬ maus, fliege ich mitten unter die Franzoſen hinein, daß ein luſtiges Huſſah! durch ihr ganzes Geſchwader erſcholl. Ich war nun in ihre Gefangenſchaft gera¬ then, ſie hatten Muͤhe, mich aus meiner verwickelten Lage zu bringen und nannten mich den tollſten Kerl, den ſie jemals geſehen. Da ich aber franzoͤſiſch ſprach und Gold in der Boͤrſe hatte, ſo wurden wir bald gute Kameraden. Sie wollten mich nach Burgos fuͤh¬ ren in ihr Depot, das war aber nicht ſo leicht ge¬ macht, denn bewaffnete Banden ſpaniſcher Bauern ver¬ rannten uns uͤberall den Weg, und ſo zogen wir ge¬ raume Zeit miteinander im Lande umher.
Auf dieſem Zuge lagerten wir einmal in einer ſchoͤnen Sommernacht an einem großen Schloſſe, das ſchon ſeit langer Zeit nicht mehr bewohnt ſchien. Die
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Auf einmal heißt's: die Franzoſen! Wir waren un¬
ſerer nur wenige, der Feind in hellen Haufen. Meine
Kameraden zerſtoben im Nu nach allen Seiten. Ich
aber faſſe mein Pferd, fahre in der Eil mit dem Bein
in den Pelzaͤrmel des Dolmanns, mit einem Arm in
die Saͤbeltaſche, mit dem andern in die verfluchte Ta¬
kelage von Schnuͤren und Troddeln, ſo daß ich mich
nicht ruͤhren, vielweniger die Zuͤgel erlangen konnte;
mein Pferd erſchrickt vor meiner Poſitur und rennt
grade auf den Feind los und ſo, mit ausgeſpreitzten
Armen, den Saͤbel zwiſchen den Zaͤhnen, waͤhrend
meine Piſtolen losgehen, wie eine wahnſinnige Fleder¬
maus, fliege ich mitten unter die Franzoſen hinein,
daß ein luſtiges Huſſah! durch ihr ganzes Geſchwader
erſcholl. Ich war nun in ihre Gefangenſchaft gera¬
then, ſie hatten Muͤhe, mich aus meiner verwickelten
Lage zu bringen und nannten mich den tollſten Kerl,
den ſie jemals geſehen. Da ich aber franzoͤſiſch ſprach
und Gold in der Boͤrſe hatte, ſo wurden wir bald
gute Kameraden. Sie wollten mich nach Burgos fuͤh¬
ren in ihr Depot, das war aber nicht ſo leicht ge¬
macht, denn bewaffnete Banden ſpaniſcher Bauern ver¬
rannten uns uͤberall den Weg, und ſo zogen wir ge¬
raume Zeit miteinander im Lande umher.
Auf dieſem Zuge lagerten wir einmal in einer
ſchoͤnen Sommernacht an einem großen Schloſſe, das
ſchon ſeit langer Zeit nicht mehr bewohnt ſchien. Die
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/130>, abgerufen am 16.02.2025.
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