Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

ist euer Herz Liebefest, und eure Augen werden schön
funkeln wie der Stein im Ringe, der arme Junge
aber muß sterben. -- Hier waren sie an altes zerfal¬
lenes Gemäuer gekommen, die Amme holte ein weißes
Stäbchen aus einem hohlen Baumstamme, da schwirr¬
ten plötzlich Fledermäuse hervor und schlugen mit den
Flügeln in den Zweigen, eine Schlange fuhr rasch zwi¬
schen das Gestein, unter dem sie eine dicke Kröte mit
großen röthlichen Augen ansah. Hoho, bist du auch
da, Großmutter, lachte die Alte und schien lustig auf
zigeunerisch mit den Thieren zu sprechen. Darauf
tauchte sie Hände und Stab in einen Topf, daß sie
hell leuchteten, und beschrieb unverständlich murmelnd
einen feurigen Kreis, bei dessen grüngoldenem Glanz
die Eidechsen neugierig im Grase hervorschlüpften. Die
Gräfin stand mitten drin, es war ihr wie im Traume,
als fingen die Blumen, Büsche und Wälder in der
stillen Runde leise zu singen an, Johanniswürmchen
zogen leuchtend um ihr Haupt, so sah sie mit tiefer,
tiefer Lust vom Berg über die mondbeschienene Gegend
und in den weiten, gestirnten Himmel hinein. -- Die
Amme aber schien in großer Unruhe, die Schwei߬
tropfen standen auf ihrer Stirn. Siehst du noch im¬
mer nichts? fragte sie manchmal leise dazwischen.
Aber nur ein Hund bellte aus dem fernen Dorf, dann
war alles wieder still, die Gräfin hielt den Athem an
vor Erwartung. Auf einmal fuhren beide zusammen --

iſt euer Herz Liebefeſt, und eure Augen werden ſchoͤn
funkeln wie der Stein im Ringe, der arme Junge
aber muß ſterben. — Hier waren ſie an altes zerfal¬
lenes Gemaͤuer gekommen, die Amme holte ein weißes
Staͤbchen aus einem hohlen Baumſtamme, da ſchwirr¬
ten ploͤtzlich Fledermaͤuſe hervor und ſchlugen mit den
Fluͤgeln in den Zweigen, eine Schlange fuhr raſch zwi¬
ſchen das Geſtein, unter dem ſie eine dicke Kroͤte mit
großen roͤthlichen Augen anſah. Hoho, biſt du auch
da, Großmutter, lachte die Alte und ſchien luſtig auf
zigeuneriſch mit den Thieren zu ſprechen. Darauf
tauchte ſie Haͤnde und Stab in einen Topf, daß ſie
hell leuchteten, und beſchrieb unverſtaͤndlich murmelnd
einen feurigen Kreis, bei deſſen gruͤngoldenem Glanz
die Eidechſen neugierig im Graſe hervorſchluͤpften. Die
Graͤfin ſtand mitten drin, es war ihr wie im Traume,
als fingen die Blumen, Buͤſche und Waͤlder in der
ſtillen Runde leiſe zu ſingen an, Johanniswuͤrmchen
zogen leuchtend um ihr Haupt, ſo ſah ſie mit tiefer,
tiefer Luſt vom Berg uͤber die mondbeſchienene Gegend
und in den weiten, geſtirnten Himmel hinein. — Die
Amme aber ſchien in großer Unruhe, die Schwei߬
tropfen ſtanden auf ihrer Stirn. Siehſt du noch im¬
mer nichts? fragte ſie manchmal leiſe dazwiſchen.
Aber nur ein Hund bellte aus dem fernen Dorf, dann
war alles wieder ſtill, die Graͤfin hielt den Athem an
vor Erwartung. Auf einmal fuhren beide zuſammen —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0135" n="128"/>
i&#x017F;t euer Herz Liebefe&#x017F;t, und eure Augen werden &#x017F;cho&#x0364;n<lb/>
funkeln wie der Stein im Ringe, der arme Junge<lb/>
aber muß &#x017F;terben. &#x2014; Hier waren &#x017F;ie an altes zerfal¬<lb/>
lenes Gema&#x0364;uer gekommen, die Amme holte ein weißes<lb/>
Sta&#x0364;bchen aus einem hohlen Baum&#x017F;tamme, da &#x017F;chwirr¬<lb/>
ten plo&#x0364;tzlich Flederma&#x0364;u&#x017F;e hervor und &#x017F;chlugen mit den<lb/>
Flu&#x0364;geln in den Zweigen, eine Schlange fuhr ra&#x017F;ch zwi¬<lb/>
&#x017F;chen das Ge&#x017F;tein, unter dem &#x017F;ie eine dicke Kro&#x0364;te mit<lb/>
großen ro&#x0364;thlichen Augen an&#x017F;ah. Hoho, bi&#x017F;t du auch<lb/>
da, Großmutter, lachte die Alte und &#x017F;chien lu&#x017F;tig auf<lb/>
zigeuneri&#x017F;ch mit den Thieren zu &#x017F;prechen. Darauf<lb/>
tauchte &#x017F;ie Ha&#x0364;nde und Stab in einen Topf, daß &#x017F;ie<lb/>
hell leuchteten, und be&#x017F;chrieb unver&#x017F;ta&#x0364;ndlich murmelnd<lb/>
einen feurigen Kreis, bei de&#x017F;&#x017F;en gru&#x0364;ngoldenem Glanz<lb/>
die Eidech&#x017F;en neugierig im Gra&#x017F;e hervor&#x017F;chlu&#x0364;pften. Die<lb/>
Gra&#x0364;fin &#x017F;tand mitten drin, es war ihr wie im Traume,<lb/>
als fingen die Blumen, Bu&#x0364;&#x017F;che und Wa&#x0364;lder in der<lb/>
&#x017F;tillen Runde lei&#x017F;e zu &#x017F;ingen an, Johanniswu&#x0364;rmchen<lb/>
zogen leuchtend um ihr Haupt, &#x017F;o &#x017F;ah &#x017F;ie mit tiefer,<lb/>
tiefer Lu&#x017F;t vom Berg u&#x0364;ber die mondbe&#x017F;chienene Gegend<lb/>
und in den weiten, ge&#x017F;tirnten Himmel hinein. &#x2014; Die<lb/>
Amme aber &#x017F;chien in großer Unruhe, die Schwei߬<lb/>
tropfen &#x017F;tanden auf ihrer Stirn. Sieh&#x017F;t du noch im¬<lb/>
mer nichts? fragte &#x017F;ie manchmal lei&#x017F;e dazwi&#x017F;chen.<lb/>
Aber nur ein Hund bellte aus dem fernen Dorf, dann<lb/>
war alles wieder &#x017F;till, die Gra&#x0364;fin hielt den Athem an<lb/>
vor Erwartung. Auf einmal fuhren beide zu&#x017F;ammen &#x2014;<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0135] iſt euer Herz Liebefeſt, und eure Augen werden ſchoͤn funkeln wie der Stein im Ringe, der arme Junge aber muß ſterben. — Hier waren ſie an altes zerfal¬ lenes Gemaͤuer gekommen, die Amme holte ein weißes Staͤbchen aus einem hohlen Baumſtamme, da ſchwirr¬ ten ploͤtzlich Fledermaͤuſe hervor und ſchlugen mit den Fluͤgeln in den Zweigen, eine Schlange fuhr raſch zwi¬ ſchen das Geſtein, unter dem ſie eine dicke Kroͤte mit großen roͤthlichen Augen anſah. Hoho, biſt du auch da, Großmutter, lachte die Alte und ſchien luſtig auf zigeuneriſch mit den Thieren zu ſprechen. Darauf tauchte ſie Haͤnde und Stab in einen Topf, daß ſie hell leuchteten, und beſchrieb unverſtaͤndlich murmelnd einen feurigen Kreis, bei deſſen gruͤngoldenem Glanz die Eidechſen neugierig im Graſe hervorſchluͤpften. Die Graͤfin ſtand mitten drin, es war ihr wie im Traume, als fingen die Blumen, Buͤſche und Waͤlder in der ſtillen Runde leiſe zu ſingen an, Johanniswuͤrmchen zogen leuchtend um ihr Haupt, ſo ſah ſie mit tiefer, tiefer Luſt vom Berg uͤber die mondbeſchienene Gegend und in den weiten, geſtirnten Himmel hinein. — Die Amme aber ſchien in großer Unruhe, die Schwei߬ tropfen ſtanden auf ihrer Stirn. Siehſt du noch im¬ mer nichts? fragte ſie manchmal leiſe dazwiſchen. Aber nur ein Hund bellte aus dem fernen Dorf, dann war alles wieder ſtill, die Graͤfin hielt den Athem an vor Erwartung. Auf einmal fuhren beide zuſammen —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/135
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/135>, abgerufen am 11.05.2024.