ist euer Herz Liebefest, und eure Augen werden schön funkeln wie der Stein im Ringe, der arme Junge aber muß sterben. -- Hier waren sie an altes zerfal¬ lenes Gemäuer gekommen, die Amme holte ein weißes Stäbchen aus einem hohlen Baumstamme, da schwirr¬ ten plötzlich Fledermäuse hervor und schlugen mit den Flügeln in den Zweigen, eine Schlange fuhr rasch zwi¬ schen das Gestein, unter dem sie eine dicke Kröte mit großen röthlichen Augen ansah. Hoho, bist du auch da, Großmutter, lachte die Alte und schien lustig auf zigeunerisch mit den Thieren zu sprechen. Darauf tauchte sie Hände und Stab in einen Topf, daß sie hell leuchteten, und beschrieb unverständlich murmelnd einen feurigen Kreis, bei dessen grüngoldenem Glanz die Eidechsen neugierig im Grase hervorschlüpften. Die Gräfin stand mitten drin, es war ihr wie im Traume, als fingen die Blumen, Büsche und Wälder in der stillen Runde leise zu singen an, Johanniswürmchen zogen leuchtend um ihr Haupt, so sah sie mit tiefer, tiefer Lust vom Berg über die mondbeschienene Gegend und in den weiten, gestirnten Himmel hinein. -- Die Amme aber schien in großer Unruhe, die Schwei߬ tropfen standen auf ihrer Stirn. Siehst du noch im¬ mer nichts? fragte sie manchmal leise dazwischen. Aber nur ein Hund bellte aus dem fernen Dorf, dann war alles wieder still, die Gräfin hielt den Athem an vor Erwartung. Auf einmal fuhren beide zusammen --
iſt euer Herz Liebefeſt, und eure Augen werden ſchoͤn funkeln wie der Stein im Ringe, der arme Junge aber muß ſterben. — Hier waren ſie an altes zerfal¬ lenes Gemaͤuer gekommen, die Amme holte ein weißes Staͤbchen aus einem hohlen Baumſtamme, da ſchwirr¬ ten ploͤtzlich Fledermaͤuſe hervor und ſchlugen mit den Fluͤgeln in den Zweigen, eine Schlange fuhr raſch zwi¬ ſchen das Geſtein, unter dem ſie eine dicke Kroͤte mit großen roͤthlichen Augen anſah. Hoho, biſt du auch da, Großmutter, lachte die Alte und ſchien luſtig auf zigeuneriſch mit den Thieren zu ſprechen. Darauf tauchte ſie Haͤnde und Stab in einen Topf, daß ſie hell leuchteten, und beſchrieb unverſtaͤndlich murmelnd einen feurigen Kreis, bei deſſen gruͤngoldenem Glanz die Eidechſen neugierig im Graſe hervorſchluͤpften. Die Graͤfin ſtand mitten drin, es war ihr wie im Traume, als fingen die Blumen, Buͤſche und Waͤlder in der ſtillen Runde leiſe zu ſingen an, Johanniswuͤrmchen zogen leuchtend um ihr Haupt, ſo ſah ſie mit tiefer, tiefer Luſt vom Berg uͤber die mondbeſchienene Gegend und in den weiten, geſtirnten Himmel hinein. — Die Amme aber ſchien in großer Unruhe, die Schwei߬ tropfen ſtanden auf ihrer Stirn. Siehſt du noch im¬ mer nichts? fragte ſie manchmal leiſe dazwiſchen. Aber nur ein Hund bellte aus dem fernen Dorf, dann war alles wieder ſtill, die Graͤfin hielt den Athem an vor Erwartung. Auf einmal fuhren beide zuſammen —
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0135"n="128"/>
iſt euer Herz Liebefeſt, und eure Augen werden ſchoͤn<lb/>
funkeln wie der Stein im Ringe, der arme Junge<lb/>
aber muß ſterben. — Hier waren ſie an altes zerfal¬<lb/>
lenes Gemaͤuer gekommen, die Amme holte ein weißes<lb/>
Staͤbchen aus einem hohlen Baumſtamme, da ſchwirr¬<lb/>
ten ploͤtzlich Fledermaͤuſe hervor und ſchlugen mit den<lb/>
Fluͤgeln in den Zweigen, eine Schlange fuhr raſch zwi¬<lb/>ſchen das Geſtein, unter dem ſie eine dicke Kroͤte mit<lb/>
großen roͤthlichen Augen anſah. Hoho, biſt du auch<lb/>
da, Großmutter, lachte die Alte und ſchien luſtig auf<lb/>
zigeuneriſch mit den Thieren zu ſprechen. Darauf<lb/>
tauchte ſie Haͤnde und Stab in einen Topf, daß ſie<lb/>
hell leuchteten, und beſchrieb unverſtaͤndlich murmelnd<lb/>
einen feurigen Kreis, bei deſſen gruͤngoldenem Glanz<lb/>
die Eidechſen neugierig im Graſe hervorſchluͤpften. Die<lb/>
Graͤfin ſtand mitten drin, es war ihr wie im Traume,<lb/>
als fingen die Blumen, Buͤſche und Waͤlder in der<lb/>ſtillen Runde leiſe zu ſingen an, Johanniswuͤrmchen<lb/>
zogen leuchtend um ihr Haupt, ſo ſah ſie mit tiefer,<lb/>
tiefer Luſt vom Berg uͤber die mondbeſchienene Gegend<lb/>
und in den weiten, geſtirnten Himmel hinein. — Die<lb/>
Amme aber ſchien in großer Unruhe, die Schwei߬<lb/>
tropfen ſtanden auf ihrer Stirn. Siehſt du noch im¬<lb/>
mer nichts? fragte ſie manchmal leiſe dazwiſchen.<lb/>
Aber nur ein Hund bellte aus dem fernen Dorf, dann<lb/>
war alles wieder ſtill, die Graͤfin hielt den Athem an<lb/>
vor Erwartung. Auf einmal fuhren beide zuſammen —<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[128/0135]
iſt euer Herz Liebefeſt, und eure Augen werden ſchoͤn
funkeln wie der Stein im Ringe, der arme Junge
aber muß ſterben. — Hier waren ſie an altes zerfal¬
lenes Gemaͤuer gekommen, die Amme holte ein weißes
Staͤbchen aus einem hohlen Baumſtamme, da ſchwirr¬
ten ploͤtzlich Fledermaͤuſe hervor und ſchlugen mit den
Fluͤgeln in den Zweigen, eine Schlange fuhr raſch zwi¬
ſchen das Geſtein, unter dem ſie eine dicke Kroͤte mit
großen roͤthlichen Augen anſah. Hoho, biſt du auch
da, Großmutter, lachte die Alte und ſchien luſtig auf
zigeuneriſch mit den Thieren zu ſprechen. Darauf
tauchte ſie Haͤnde und Stab in einen Topf, daß ſie
hell leuchteten, und beſchrieb unverſtaͤndlich murmelnd
einen feurigen Kreis, bei deſſen gruͤngoldenem Glanz
die Eidechſen neugierig im Graſe hervorſchluͤpften. Die
Graͤfin ſtand mitten drin, es war ihr wie im Traume,
als fingen die Blumen, Buͤſche und Waͤlder in der
ſtillen Runde leiſe zu ſingen an, Johanniswuͤrmchen
zogen leuchtend um ihr Haupt, ſo ſah ſie mit tiefer,
tiefer Luſt vom Berg uͤber die mondbeſchienene Gegend
und in den weiten, geſtirnten Himmel hinein. — Die
Amme aber ſchien in großer Unruhe, die Schwei߬
tropfen ſtanden auf ihrer Stirn. Siehſt du noch im¬
mer nichts? fragte ſie manchmal leiſe dazwiſchen.
Aber nur ein Hund bellte aus dem fernen Dorf, dann
war alles wieder ſtill, die Graͤfin hielt den Athem an
vor Erwartung. Auf einmal fuhren beide zuſammen —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/135>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.