eine seltsame Unruhe gezeigt und öfters ängstlich nach der Thüre gesehn hatte. Nein, das ist gar zu traurig vor dem Schlafengehen, rief sie mit einem bedeuten¬ den Blick auf den Fürsten, und schien aufbrechen zn wollen. Dieser aber, ganz vertieft in die Geschichte, merkte nicht darauf; so blutigroth also war ihr Auf¬ gang -- sagte er in Gedanken, und wollte durchaus noch das Ende wissen. Der Lord stutzte, da aber der Fürst von neuem in ihn drang und die andern mit Blicken und Kopfnicken beistimmten, erzählte er ruhig wieder weiter:
"Seit dieser Stunde -- so fuhr mein Rittmeister fort -- steht das Schloß wüst und verlassen, aber die wilde Gräfin geht wie ein wunderbarer Spuk durchs Ge¬ birge. Oft nach nächtlichen Bivuaks, wenn die Sonne über der prächtigen Gegend aufgeht, erscheint sie am Saume des Waldes zu Pferd im vollen Glanze der Schönheit; da schwingt sich manch fröhlicher Reiter auf, sie zu fangen, aber keiner von allen kehrte noch jemals wieder zurück. -- Seltsam! es ist ja doch nur ein Weib. Seht, ich habe mein Liebchen in Frank¬ reich, mir soll sie nur kommen, ich spüre eine rechte Lust, ihr einmal zu begegnen!" --
"Dem armen St. Val aber ging es am schlimm¬ sten. Das Bild der Gräfin stand seit jener Nacht unaufhörlich vor seiner Seele, der lustige Bursch wurde ganz schwermüthig, und eines Abends war er plötzlich
eine ſeltſame Unruhe gezeigt und oͤfters aͤngſtlich nach der Thuͤre geſehn hatte. Nein, das iſt gar zu traurig vor dem Schlafengehen, rief ſie mit einem bedeuten¬ den Blick auf den Fuͤrſten, und ſchien aufbrechen zn wollen. Dieſer aber, ganz vertieft in die Geſchichte, merkte nicht darauf; ſo blutigroth alſo war ihr Auf¬ gang — ſagte er in Gedanken, und wollte durchaus noch das Ende wiſſen. Der Lord ſtutzte, da aber der Fuͤrſt von neuem in ihn drang und die andern mit Blicken und Kopfnicken beiſtimmten, erzaͤhlte er ruhig wieder weiter:
„Seit dieſer Stunde — ſo fuhr mein Rittmeiſter fort — ſteht das Schloß wuͤſt und verlaſſen, aber die wilde Graͤfin geht wie ein wunderbarer Spuk durchs Ge¬ birge. Oft nach naͤchtlichen Bivuaks, wenn die Sonne uͤber der praͤchtigen Gegend aufgeht, erſcheint ſie am Saume des Waldes zu Pferd im vollen Glanze der Schoͤnheit; da ſchwingt ſich manch froͤhlicher Reiter auf, ſie zu fangen, aber keiner von allen kehrte noch jemals wieder zuruͤck. — Seltſam! es iſt ja doch nur ein Weib. Seht, ich habe mein Liebchen in Frank¬ reich, mir ſoll ſie nur kommen, ich ſpuͤre eine rechte Luſt, ihr einmal zu begegnen!“ —
„Dem armen St. Val aber ging es am ſchlimm¬ ſten. Das Bild der Graͤfin ſtand ſeit jener Nacht unaufhoͤrlich vor ſeiner Seele, der luſtige Burſch wurde ganz ſchwermuͤthig, und eines Abends war er ploͤtzlich
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eine ſeltſame Unruhe gezeigt und oͤfters aͤngſtlich nach
der Thuͤre geſehn hatte. Nein, das iſt gar zu traurig
vor dem Schlafengehen, rief ſie mit einem bedeuten¬
den Blick auf den Fuͤrſten, und ſchien aufbrechen zn
wollen. Dieſer aber, ganz vertieft in die Geſchichte,
merkte nicht darauf; ſo blutigroth alſo war ihr Auf¬
gang — ſagte er in Gedanken, und wollte durchaus
noch das Ende wiſſen. Der Lord ſtutzte, da aber der
Fuͤrſt von neuem in ihn drang und die andern mit
Blicken und Kopfnicken beiſtimmten, erzaͤhlte er ruhig
wieder weiter:
„Seit dieſer Stunde — ſo fuhr mein Rittmeiſter fort
— ſteht das Schloß wuͤſt und verlaſſen, aber die wilde
Graͤfin geht wie ein wunderbarer Spuk durchs Ge¬
birge. Oft nach naͤchtlichen Bivuaks, wenn die Sonne
uͤber der praͤchtigen Gegend aufgeht, erſcheint ſie am
Saume des Waldes zu Pferd im vollen Glanze der
Schoͤnheit; da ſchwingt ſich manch froͤhlicher Reiter
auf, ſie zu fangen, aber keiner von allen kehrte noch
jemals wieder zuruͤck. — Seltſam! es iſt ja doch nur
ein Weib. Seht, ich habe mein Liebchen in Frank¬
reich, mir ſoll ſie nur kommen, ich ſpuͤre eine rechte
Luſt, ihr einmal zu begegnen!“ —
„Dem armen St. Val aber ging es am ſchlimm¬
ſten. Das Bild der Graͤfin ſtand ſeit jener Nacht
unaufhoͤrlich vor ſeiner Seele, der luſtige Burſch wurde
ganz ſchwermuͤthig, und eines Abends war er ploͤtzlich
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/139>, abgerufen am 21.11.2024.
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