hatten, plötzlich aus allen Thüren, Hecken und Mauer¬ ritzen hervor. Die Unsrigen, als sie sich so umge¬ ben sahen, folgten blindlings der Gräfin, die sie in dem Offiziermantel für ihren Kapitain hielten. Sie wollte ihrem Vater, den sie noch im Schlosse glaubte, Zeit lassen sich zu retten, und führte, immerfort win¬ kend, die verstörten Soldaten bis in den äußeren Hof, wo sie dem wilden Haufen grade in die Hände rann¬ ten. Da rangen sie, still und grimmig in der Dun¬ kelheit Mann gegen Mann, die einen ums Leben, die andern um den Leichnam ihres Herrn; die Gräfin hatte unterdeß eine Meute grausamer Hunde losge¬ lassen, welche in der Verwirrung die Fliehenden zer¬ rissen, es war eine schreckliche Nacht. -- Der Officier aber, den die Gräfin durch den Pistolenschuß so still gemacht, war derselbe junge St. Val, der damals sie zu fangen geschworen, und sich nun vermessen zu dem gefährlichen Kommando gedrängt hatte. Er war aber nur verwundet und betäubt, und als er auf dem stil¬ len Platze einmal die Augen aufschlug, sah er wie im Traum zum erstenmal das Gesicht der Gräfin zwischen den schwarzen, herabwallenden Locken beim Wieder¬ schein einer Fackel über sich geneigt -- er mußte die Augen wieder schließen, so furchtbar schön war der Anblick." --
Hier wurde der Lord plötzlich von der Fürstin unterbrochen, die schon während der ganzen Erzählung
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hatten, ploͤtzlich aus allen Thuͤren, Hecken und Mauer¬ ritzen hervor. Die Unſrigen, als ſie ſich ſo umge¬ ben ſahen, folgten blindlings der Graͤfin, die ſie in dem Offiziermantel fuͤr ihren Kapitain hielten. Sie wollte ihrem Vater, den ſie noch im Schloſſe glaubte, Zeit laſſen ſich zu retten, und fuͤhrte, immerfort win¬ kend, die verſtoͤrten Soldaten bis in den aͤußeren Hof, wo ſie dem wilden Haufen grade in die Haͤnde rann¬ ten. Da rangen ſie, ſtill und grimmig in der Dun¬ kelheit Mann gegen Mann, die einen ums Leben, die andern um den Leichnam ihres Herrn; die Graͤfin hatte unterdeß eine Meute grauſamer Hunde losge¬ laſſen, welche in der Verwirrung die Fliehenden zer¬ riſſen, es war eine ſchreckliche Nacht. — Der Officier aber, den die Graͤfin durch den Piſtolenſchuß ſo ſtill gemacht, war derſelbe junge St. Val, der damals ſie zu fangen geſchworen, und ſich nun vermeſſen zu dem gefaͤhrlichen Kommando gedraͤngt hatte. Er war aber nur verwundet und betaͤubt, und als er auf dem ſtil¬ len Platze einmal die Augen aufſchlug, ſah er wie im Traum zum erſtenmal das Geſicht der Graͤfin zwiſchen den ſchwarzen, herabwallenden Locken beim Wieder¬ ſchein einer Fackel uͤber ſich geneigt — er mußte die Augen wieder ſchließen, ſo furchtbar ſchoͤn war der Anblick.“ —
Hier wurde der Lord ploͤtzlich von der Fuͤrſtin unterbrochen, die ſchon waͤhrend der ganzen Erzaͤhlung
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hatten, ploͤtzlich aus allen Thuͤren, Hecken und Mauer¬
ritzen hervor. Die Unſrigen, als ſie ſich ſo umge¬
ben ſahen, folgten blindlings der Graͤfin, die ſie in
dem Offiziermantel fuͤr ihren Kapitain hielten. Sie
wollte ihrem Vater, den ſie noch im Schloſſe glaubte,
Zeit laſſen ſich zu retten, und fuͤhrte, immerfort win¬
kend, die verſtoͤrten Soldaten bis in den aͤußeren Hof,
wo ſie dem wilden Haufen grade in die Haͤnde rann¬
ten. Da rangen ſie, ſtill und grimmig in der Dun¬
kelheit Mann gegen Mann, die einen ums Leben, die
andern um den Leichnam ihres Herrn; die Graͤfin
hatte unterdeß eine Meute grauſamer Hunde losge¬
laſſen, welche in der Verwirrung die Fliehenden zer¬
riſſen, es war eine ſchreckliche Nacht. — Der Officier
aber, den die Graͤfin durch den Piſtolenſchuß ſo ſtill
gemacht, war derſelbe junge St. Val, der damals ſie
zu fangen geſchworen, und ſich nun vermeſſen zu dem
gefaͤhrlichen Kommando gedraͤngt hatte. Er war aber
nur verwundet und betaͤubt, und als er auf dem ſtil¬
len Platze einmal die Augen aufſchlug, ſah er wie im
Traum zum erſtenmal das Geſicht der Graͤfin zwiſchen
den ſchwarzen, herabwallenden Locken beim Wieder¬
ſchein einer Fackel uͤber ſich geneigt — er mußte die
Augen wieder ſchließen, ſo furchtbar ſchoͤn war der
Anblick.“ —
Hier wurde der Lord ploͤtzlich von der Fuͤrſtin
unterbrochen, die ſchon waͤhrend der ganzen Erzaͤhlung
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/138>, abgerufen am 21.11.2024.
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