tem Gespräch, Arm in Arm über den Platz schlender¬ ten und neugierig an dem Fremden vorüberstrichen.
Waltern ging bei den Erinnerungen an die fröh¬ liche Studentenzeit und bei dem langentbehrten weite¬ ren und reichen Gespräch recht das Herz auf, er hatte gar bald alle Scheu und blöde Rücksicht abgeschüt¬ telt. -- Wie glücklich bist Du zu preisen, rief er sei¬ nem Freunde zu, daß Dir vergönnt ist, so mit den Vögeln durch den Frühling zu ziehn, und die Reise nach Italien nun wirklich anzutreten, die wir in den heitersten Stunden in Heidelberg so oft mit einander besprachen. Das waren schöne Jugendträume! --
Das verhüte Gott! versetzte Fortunat lebhaft, wa¬ rum denn Träume? Die Ahnung war es, der erste Schauer des schönen überreichen Lebens, das gewißlich mit aller seiner geahnten und ungeahnten herrlichen Gewalt über uns kommen wird, wenn wir nur fröhlich Stand halten. Wo wären wir denn aufgewacht von den so¬ genannten Träumen? Was hätte sich denn seitdem verändert? Aurora scheint noch so jung über die Berge wie damals, die Erde blüht alljährlich wieder bis in's fernste tiefste Thal -- warum sollte denn unsere un¬ sterbliche Seele, die alle den Plunder überdauert, allein alt werden? Was hindert denn zum Exempel Dich, alle den Ballast von Vor-, Neben- und Rücksichten frisch wegzuwerfen, und frei mit mir in das offene Meer zu stechen? -- Reise mit, alter Kumpan!
tem Geſpraͤch, Arm in Arm uͤber den Platz ſchlender¬ ten und neugierig an dem Fremden voruͤberſtrichen.
Waltern ging bei den Erinnerungen an die froͤh¬ liche Studentenzeit und bei dem langentbehrten weite¬ ren und reichen Geſpraͤch recht das Herz auf, er hatte gar bald alle Scheu und bloͤde Ruͤckſicht abgeſchuͤt¬ telt. — Wie gluͤcklich biſt Du zu preiſen, rief er ſei¬ nem Freunde zu, daß Dir vergoͤnnt iſt, ſo mit den Voͤgeln durch den Fruͤhling zu ziehn, und die Reiſe nach Italien nun wirklich anzutreten, die wir in den heiterſten Stunden in Heidelberg ſo oft mit einander beſprachen. Das waren ſchoͤne Jugendtraͤume! —
Das verhuͤte Gott! verſetzte Fortunat lebhaft, wa¬ rum denn Traͤume? Die Ahnung war es, der erſte Schauer des ſchoͤnen uͤberreichen Lebens, das gewißlich mit aller ſeiner geahnten und ungeahnten herrlichen Gewalt uͤber uns kommen wird, wenn wir nur froͤhlich Stand halten. Wo waͤren wir denn aufgewacht von den ſo¬ genannten Traͤumen? Was haͤtte ſich denn ſeitdem veraͤndert? Aurora ſcheint noch ſo jung uͤber die Berge wie damals, die Erde bluͤht alljaͤhrlich wieder bis in's fernſte tiefſte Thal — warum ſollte denn unſere un¬ ſterbliche Seele, die alle den Plunder uͤberdauert, allein alt werden? Was hindert denn zum Exempel Dich, alle den Ballaſt von Vor-, Neben- und Ruͤckſichten friſch wegzuwerfen, und frei mit mir in das offene Meer zu ſtechen? — Reiſe mit, alter Kumpan!
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tem Geſpraͤch, Arm in Arm uͤber den Platz ſchlender¬
ten und neugierig an dem Fremden voruͤberſtrichen.
Waltern ging bei den Erinnerungen an die froͤh¬
liche Studentenzeit und bei dem langentbehrten weite¬
ren und reichen Geſpraͤch recht das Herz auf, er hatte
gar bald alle Scheu und bloͤde Ruͤckſicht abgeſchuͤt¬
telt. — Wie gluͤcklich biſt Du zu preiſen, rief er ſei¬
nem Freunde zu, daß Dir vergoͤnnt iſt, ſo mit den
Voͤgeln durch den Fruͤhling zu ziehn, und die Reiſe
nach Italien nun wirklich anzutreten, die wir in den
heiterſten Stunden in Heidelberg ſo oft mit einander
beſprachen. Das waren ſchoͤne Jugendtraͤume! —
Das verhuͤte Gott! verſetzte Fortunat lebhaft, wa¬
rum denn Traͤume? Die Ahnung war es, der erſte
Schauer des ſchoͤnen uͤberreichen Lebens, das gewißlich mit
aller ſeiner geahnten und ungeahnten herrlichen Gewalt
uͤber uns kommen wird, wenn wir nur froͤhlich Stand
halten. Wo waͤren wir denn aufgewacht von den ſo¬
genannten Traͤumen? Was haͤtte ſich denn ſeitdem
veraͤndert? Aurora ſcheint noch ſo jung uͤber die Berge
wie damals, die Erde bluͤht alljaͤhrlich wieder bis in's
fernſte tiefſte Thal — warum ſollte denn unſere un¬
ſterbliche Seele, die alle den Plunder uͤberdauert, allein
alt werden? Was hindert denn zum Exempel Dich, alle
den Ballaſt von Vor-, Neben- und Ruͤckſichten friſch
wegzuwerfen, und frei mit mir in das offene Meer
zu ſtechen? — Reiſe mit, alter Kumpan!
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/14>, abgerufen am 21.11.2024.
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