Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

zog erst gelassen, dann immer heftiger, aber der Draht
war durch den langen Nichtgebrauch verrostet, es
wollte durchaus nicht klingen, bis er endlich ganz
zornig zur Thür hinausschrie. Mehrere Bedienten, in
alten, verschossenen Livreien stürzten herein, und setzten
sich mit massiven Armleuchtern an die Spitze des Zu¬
ges, den der Baron, die Fürstin an den Fingerspitzen
haltend, feierlich eröffnete, in der Perspective erblickte
man durch die offenen Flügelthüren ein mächtiges
Himmelbett mit schwerseidenen Gardinen und einem
Federbusch darüber. Nun verliefen sich auch die an¬
dern mit ihren Lichtern auf den verwirrten Gängen;
es sah von draußen aus, wie ein verbranntes Blatt
Papier, wo die Funken geschäftig durcheinander irren,
bis endlich der letzte plötzlich verlischt.

Und als nun alles ruhig geworden im ganzen
Hause, stand der Fürst noch immer allein mit dem
Lord am offenen Fenster eines dunklen Saals und
konnte nicht aufhören, ihn über die erzählte Begeben¬
heit immer genauer auszufragen. Das Gewitter drau¬
ßen war vorüber, es blitzte nur noch von fern, ein¬
zelne zerrissene Wolken flogen eilig über den stillen
Hof. Da fuhr plötzlich der Lord auf: Seht da, wahr¬
haftig die wilde Gräfin! -- der Mond war auf ein¬
mal zwischen den Wolken hervorgetreten und beleuch¬
tete flüchtig Juanna, die jenseits noch auf dem Bal¬
kon stand. -- Der Fürst aber schloß schnell das Fen¬

zog erſt gelaſſen, dann immer heftiger, aber der Draht
war durch den langen Nichtgebrauch verroſtet, es
wollte durchaus nicht klingen, bis er endlich ganz
zornig zur Thuͤr hinausſchrie. Mehrere Bedienten, in
alten, verſchoſſenen Livreien ſtuͤrzten herein, und ſetzten
ſich mit maſſiven Armleuchtern an die Spitze des Zu¬
ges, den der Baron, die Fuͤrſtin an den Fingerſpitzen
haltend, feierlich eroͤffnete, in der Perſpective erblickte
man durch die offenen Fluͤgelthuͤren ein maͤchtiges
Himmelbett mit ſchwerſeidenen Gardinen und einem
Federbuſch daruͤber. Nun verliefen ſich auch die an¬
dern mit ihren Lichtern auf den verwirrten Gaͤngen;
es ſah von draußen aus, wie ein verbranntes Blatt
Papier, wo die Funken geſchaͤftig durcheinander irren,
bis endlich der letzte ploͤtzlich verliſcht.

Und als nun alles ruhig geworden im ganzen
Hauſe, ſtand der Fuͤrſt noch immer allein mit dem
Lord am offenen Fenſter eines dunklen Saals und
konnte nicht aufhoͤren, ihn uͤber die erzaͤhlte Begeben¬
heit immer genauer auszufragen. Das Gewitter drau¬
ßen war voruͤber, es blitzte nur noch von fern, ein¬
zelne zerriſſene Wolken flogen eilig uͤber den ſtillen
Hof. Da fuhr ploͤtzlich der Lord auf: Seht da, wahr¬
haftig die wilde Graͤfin! — der Mond war auf ein¬
mal zwiſchen den Wolken hervorgetreten und beleuch¬
tete fluͤchtig Juanna, die jenſeits noch auf dem Bal¬
kon ſtand. — Der Fuͤrſt aber ſchloß ſchnell das Fen¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0148" n="141"/>
zog er&#x017F;t gela&#x017F;&#x017F;en, dann immer heftiger, aber der Draht<lb/>
war durch den langen Nichtgebrauch verro&#x017F;tet, es<lb/>
wollte durchaus nicht klingen, bis er endlich ganz<lb/>
zornig zur Thu&#x0364;r hinaus&#x017F;chrie. Mehrere Bedienten, in<lb/>
alten, ver&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;enen Livreien &#x017F;tu&#x0364;rzten herein, und &#x017F;etzten<lb/>
&#x017F;ich mit ma&#x017F;&#x017F;iven Armleuchtern an die Spitze des Zu¬<lb/>
ges, den der Baron, die Fu&#x0364;r&#x017F;tin an den Finger&#x017F;pitzen<lb/>
haltend, feierlich ero&#x0364;ffnete, in der Per&#x017F;pective erblickte<lb/>
man durch die offenen Flu&#x0364;gelthu&#x0364;ren ein ma&#x0364;chtiges<lb/>
Himmelbett mit &#x017F;chwer&#x017F;eidenen Gardinen und einem<lb/>
Federbu&#x017F;ch daru&#x0364;ber. Nun verliefen &#x017F;ich auch die an¬<lb/>
dern mit ihren Lichtern auf den verwirrten Ga&#x0364;ngen;<lb/>
es &#x017F;ah von draußen aus, wie ein verbranntes Blatt<lb/>
Papier, wo die Funken ge&#x017F;cha&#x0364;ftig durcheinander irren,<lb/>
bis endlich der letzte plo&#x0364;tzlich verli&#x017F;cht.</p><lb/>
            <p>Und als nun alles ruhig geworden im ganzen<lb/>
Hau&#x017F;e, &#x017F;tand der Fu&#x0364;r&#x017F;t noch immer allein mit dem<lb/>
Lord am offenen Fen&#x017F;ter eines dunklen Saals und<lb/>
konnte nicht aufho&#x0364;ren, ihn u&#x0364;ber die erza&#x0364;hlte Begeben¬<lb/>
heit immer genauer auszufragen. Das Gewitter drau¬<lb/>
ßen war voru&#x0364;ber, es blitzte nur noch von fern, ein¬<lb/>
zelne zerri&#x017F;&#x017F;ene Wolken flogen eilig u&#x0364;ber den &#x017F;tillen<lb/>
Hof. Da fuhr plo&#x0364;tzlich der Lord auf: Seht da, wahr¬<lb/>
haftig die wilde Gra&#x0364;fin! &#x2014; der Mond war auf ein¬<lb/>
mal zwi&#x017F;chen den Wolken hervorgetreten und beleuch¬<lb/>
tete flu&#x0364;chtig Juanna, die jen&#x017F;eits noch auf dem Bal¬<lb/>
kon &#x017F;tand. &#x2014; Der Fu&#x0364;r&#x017F;t aber &#x017F;chloß &#x017F;chnell das Fen¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0148] zog erſt gelaſſen, dann immer heftiger, aber der Draht war durch den langen Nichtgebrauch verroſtet, es wollte durchaus nicht klingen, bis er endlich ganz zornig zur Thuͤr hinausſchrie. Mehrere Bedienten, in alten, verſchoſſenen Livreien ſtuͤrzten herein, und ſetzten ſich mit maſſiven Armleuchtern an die Spitze des Zu¬ ges, den der Baron, die Fuͤrſtin an den Fingerſpitzen haltend, feierlich eroͤffnete, in der Perſpective erblickte man durch die offenen Fluͤgelthuͤren ein maͤchtiges Himmelbett mit ſchwerſeidenen Gardinen und einem Federbuſch daruͤber. Nun verliefen ſich auch die an¬ dern mit ihren Lichtern auf den verwirrten Gaͤngen; es ſah von draußen aus, wie ein verbranntes Blatt Papier, wo die Funken geſchaͤftig durcheinander irren, bis endlich der letzte ploͤtzlich verliſcht. Und als nun alles ruhig geworden im ganzen Hauſe, ſtand der Fuͤrſt noch immer allein mit dem Lord am offenen Fenſter eines dunklen Saals und konnte nicht aufhoͤren, ihn uͤber die erzaͤhlte Begeben¬ heit immer genauer auszufragen. Das Gewitter drau¬ ßen war voruͤber, es blitzte nur noch von fern, ein¬ zelne zerriſſene Wolken flogen eilig uͤber den ſtillen Hof. Da fuhr ploͤtzlich der Lord auf: Seht da, wahr¬ haftig die wilde Graͤfin! — der Mond war auf ein¬ mal zwiſchen den Wolken hervorgetreten und beleuch¬ tete fluͤchtig Juanna, die jenſeits noch auf dem Bal¬ kon ſtand. — Der Fuͤrſt aber ſchloß ſchnell das Fen¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/148
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/148>, abgerufen am 21.11.2024.