Am wunderlichsten aber war es Dryandern ergangen. Sein Dichterruf öffnete ihm alle Flügelthü¬ ren des Schlosses, da hatte ihn aber der Hofwind so wacker gefaßt, daß er bald den Hut sammt dem Kopfe darüber verloren hätte. Die unverschämte Art, mit der er sich selbst vergötterte, sein Witz und poetisches Wetterleuchten dazwischen, blendete, verwirrte und be¬ lebte alles, und eh' man sich dessen versah, hatte der Fürst ihn bei Hofe angestellt; die Schauspieler mein¬ ten: als lustigen Rath. Er selbst aber nahm die Sache sehr ernst, hielt einen Bedienten, mit dem er sich täglich zankte, kleidete sich sorgfältig nach der neue¬ sten Mode, sprach nur französisch zu den Komödian¬ ten, die es nicht verstanden, und wies Lothario's Ge¬ lächter mit gründlicher Verachtung zurück.
Währenddeß hatte auch der junge, schöne Maler Guido sich immermehr in Kordelchens feingeschlitzte Augen vertieft, und entdeckte in dem muthwilligen Mädchen täglich neue, unerhörte, nur von der Gemein¬ heit ihrer Umgebung verschüttete Talente, von denen sie selber nichts wisse. Strotzend von guten Vor¬ sätzen, voll Selbstvertrauens und jugendlichen Glau¬ bens an Tugend und Liebe, ging er muthig darauf los, sie aus ihrer Verwilderung mit sich emporzuflügeln. -- Eines Nachmittags saßen beide zusammen in dem alt¬ modischen Ziergarten, der die Wohnung der Schau¬ spieler umgab. Sie strickte einen Strumpf, er las ihr
Am wunderlichſten aber war es Dryandern ergangen. Sein Dichterruf oͤffnete ihm alle Fluͤgelthuͤ¬ ren des Schloſſes, da hatte ihn aber der Hofwind ſo wacker gefaßt, daß er bald den Hut ſammt dem Kopfe daruͤber verloren haͤtte. Die unverſchaͤmte Art, mit der er ſich ſelbſt vergoͤtterte, ſein Witz und poetiſches Wetterleuchten dazwiſchen, blendete, verwirrte und be¬ lebte alles, und eh' man ſich deſſen verſah, hatte der Fuͤrſt ihn bei Hofe angeſtellt; die Schauſpieler mein¬ ten: als luſtigen Rath. Er ſelbſt aber nahm die Sache ſehr ernſt, hielt einen Bedienten, mit dem er ſich taͤglich zankte, kleidete ſich ſorgfaͤltig nach der neue¬ ſten Mode, ſprach nur franzoͤſiſch zu den Komoͤdian¬ ten, die es nicht verſtanden, und wies Lothario's Ge¬ laͤchter mit gruͤndlicher Verachtung zuruͤck.
Waͤhrenddeß hatte auch der junge, ſchoͤne Maler Guido ſich immermehr in Kordelchens feingeſchlitzte Augen vertieft, und entdeckte in dem muthwilligen Maͤdchen taͤglich neue, unerhoͤrte, nur von der Gemein¬ heit ihrer Umgebung verſchuͤttete Talente, von denen ſie ſelber nichts wiſſe. Strotzend von guten Vor¬ ſaͤtzen, voll Selbſtvertrauens und jugendlichen Glau¬ bens an Tugend und Liebe, ging er muthig darauf los, ſie aus ihrer Verwilderung mit ſich emporzufluͤgeln. — Eines Nachmittags ſaßen beide zuſammen in dem alt¬ modiſchen Ziergarten, der die Wohnung der Schau¬ ſpieler umgab. Sie ſtrickte einen Strumpf, er las ihr
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Am wunderlichſten aber war es Dryandern
ergangen. Sein Dichterruf oͤffnete ihm alle Fluͤgelthuͤ¬
ren des Schloſſes, da hatte ihn aber der Hofwind ſo
wacker gefaßt, daß er bald den Hut ſammt dem Kopfe
daruͤber verloren haͤtte. Die unverſchaͤmte Art, mit
der er ſich ſelbſt vergoͤtterte, ſein Witz und poetiſches
Wetterleuchten dazwiſchen, blendete, verwirrte und be¬
lebte alles, und eh' man ſich deſſen verſah, hatte der
Fuͤrſt ihn bei Hofe angeſtellt; die Schauſpieler mein¬
ten: als luſtigen Rath. Er ſelbſt aber nahm die
Sache ſehr ernſt, hielt einen Bedienten, mit dem er
ſich taͤglich zankte, kleidete ſich ſorgfaͤltig nach der neue¬
ſten Mode, ſprach nur franzoͤſiſch zu den Komoͤdian¬
ten, die es nicht verſtanden, und wies Lothario's Ge¬
laͤchter mit gruͤndlicher Verachtung zuruͤck.
Waͤhrenddeß hatte auch der junge, ſchoͤne Maler
Guido ſich immermehr in Kordelchens feingeſchlitzte
Augen vertieft, und entdeckte in dem muthwilligen
Maͤdchen taͤglich neue, unerhoͤrte, nur von der Gemein¬
heit ihrer Umgebung verſchuͤttete Talente, von denen
ſie ſelber nichts wiſſe. Strotzend von guten Vor¬
ſaͤtzen, voll Selbſtvertrauens und jugendlichen Glau¬
bens an Tugend und Liebe, ging er muthig darauf los,
ſie aus ihrer Verwilderung mit ſich emporzufluͤgeln. —
Eines Nachmittags ſaßen beide zuſammen in dem alt¬
modiſchen Ziergarten, der die Wohnung der Schau¬
ſpieler umgab. Sie ſtrickte einen Strumpf, er las ihr
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/150>, abgerufen am 24.11.2024.
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