empor, alle von einem weiten Schleier umgeben, durch den die Sterne flimmerten, als wären sie drein ge¬ wirkt. Da war's ihm, als hätte der Himmel sich barmherzig auf diesen Hügel herabgeneigt, todtmüde, außer sich, warf er sich zu ihren Füßen auf den Ra¬ sen hin, vor den unschuldigen Augen. O heilige Jung¬ frau, bitte für mich! redete er sie aus tiefstem Grund der Seele an, beschütze mich vor der wilden Jagd -- ich selber Hund und Wild -- erlöse mich von der inneren Lüge! -- Sie sah ihn ernsthaft an, sie konnte vor den Kindern nicht aufstehen. -- Er aber achtete nicht darauf; wie ein Kranker, der einen seli¬ gen Traum hat, sprach er immerfort zu ihr und bot ihr endlich gerührt seine Hand an. Er wolle sie mit den Kindern auf einen Esel setzen, so wollten sie zie¬ hen durchs einsame Gebirg die Klippen hinab in der schattigen Kühle, alles hinter sich lassen und ver¬ gessen, fort nach der blauen Ferne, bis in das stille Himmelreich. -- Was sind das für Bälger? unter¬ brach er sich hier plötzlich selbst, das Kind hastig ab¬ wehrend, das mit den schmutzigen Händen zu ihm wollte. -- Ich brachte ihnen Speise und Medicin, erwiderte das Fräulein, ihre Mutter liegt drin krank -- -- Krank?! rief Dryander schnell aufspringend und bedenklich nach der Hütte blickend, denn er hatte eine abergläubische Furcht vor Ansteckung. -- Ein Bedien¬ ter mit einem Handkörbchen war unterdeß aus dem
empor, alle von einem weiten Schleier umgeben, durch den die Sterne flimmerten, als waͤren ſie drein ge¬ wirkt. Da war's ihm, als haͤtte der Himmel ſich barmherzig auf dieſen Huͤgel herabgeneigt, todtmuͤde, außer ſich, warf er ſich zu ihren Fuͤßen auf den Ra¬ ſen hin, vor den unſchuldigen Augen. O heilige Jung¬ frau, bitte fuͤr mich! redete er ſie aus tiefſtem Grund der Seele an, beſchuͤtze mich vor der wilden Jagd — ich ſelber Hund und Wild — erloͤſe mich von der inneren Luͤge! — Sie ſah ihn ernſthaft an, ſie konnte vor den Kindern nicht aufſtehen. — Er aber achtete nicht darauf; wie ein Kranker, der einen ſeli¬ gen Traum hat, ſprach er immerfort zu ihr und bot ihr endlich geruͤhrt ſeine Hand an. Er wolle ſie mit den Kindern auf einen Eſel ſetzen, ſo wollten ſie zie¬ hen durchs einſame Gebirg die Klippen hinab in der ſchattigen Kuͤhle, alles hinter ſich laſſen und ver¬ geſſen, fort nach der blauen Ferne, bis in das ſtille Himmelreich. — Was ſind das fuͤr Baͤlger? unter¬ brach er ſich hier ploͤtzlich ſelbſt, das Kind haſtig ab¬ wehrend, das mit den ſchmutzigen Haͤnden zu ihm wollte. — Ich brachte ihnen Speiſe und Medicin, erwiderte das Fraͤulein, ihre Mutter liegt drin krank — — Krank?! rief Dryander ſchnell aufſpringend und bedenklich nach der Huͤtte blickend, denn er hatte eine aberglaͤubiſche Furcht vor Anſteckung. — Ein Bedien¬ ter mit einem Handkoͤrbchen war unterdeß aus dem
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empor, alle von einem weiten Schleier umgeben, durch
den die Sterne flimmerten, als waͤren ſie drein ge¬
wirkt. Da war's ihm, als haͤtte der Himmel ſich
barmherzig auf dieſen Huͤgel herabgeneigt, todtmuͤde,
außer ſich, warf er ſich zu ihren Fuͤßen auf den Ra¬
ſen hin, vor den unſchuldigen Augen. O heilige Jung¬
frau, bitte fuͤr mich! redete er ſie aus tiefſtem
Grund der Seele an, beſchuͤtze mich vor der wilden
Jagd — ich ſelber Hund und Wild — erloͤſe mich
von der inneren Luͤge! — Sie ſah ihn ernſthaft an,
ſie konnte vor den Kindern nicht aufſtehen. — Er aber
achtete nicht darauf; wie ein Kranker, der einen ſeli¬
gen Traum hat, ſprach er immerfort zu ihr und bot
ihr endlich geruͤhrt ſeine Hand an. Er wolle ſie mit
den Kindern auf einen Eſel ſetzen, ſo wollten ſie zie¬
hen durchs einſame Gebirg die Klippen hinab in der
ſchattigen Kuͤhle, alles hinter ſich laſſen und ver¬
geſſen, fort nach der blauen Ferne, bis in das ſtille
Himmelreich. — Was ſind das fuͤr Baͤlger? unter¬
brach er ſich hier ploͤtzlich ſelbſt, das Kind haſtig ab¬
wehrend, das mit den ſchmutzigen Haͤnden zu ihm
wollte. — Ich brachte ihnen Speiſe und Medicin,
erwiderte das Fraͤulein, ihre Mutter liegt drin krank
— — Krank?! rief Dryander ſchnell aufſpringend und
bedenklich nach der Huͤtte blickend, denn er hatte eine
aberglaͤubiſche Furcht vor Anſteckung. — Ein Bedien¬
ter mit einem Handkoͤrbchen war unterdeß aus dem
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/166>, abgerufen am 24.11.2024.
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