Hause dazugetreten, das Fräulein erhob sich, wie er¬ löst, von dem Rasen, und entfernte sich rasch, noch öfters furchtsam zurückblickend. -- In dem Gebüsch daneben aber hörte er ein feines Lachen, er glaubte ein Frauenkleid durch die Zweige schimmern zu sehen.
Es war Kordelchen, die ihm heimlich gefolgt. Aber es bekam ihr schlimm. Denn sie hatte sich kaum in ihrem Versteck zurechtgesetzt, da stürzte Dryander, wie ein Rasender, schreiend und tobend daher und fuhr mit dem Kopf gerade in ihre Röcke. Sie sprang erschrocken auf -- eine Fledermaus, da er seinen Hut im Wald gelassen, war ihm unversehens in die Haare geflogen und blickte, dort festgenestelt, mit stieren Augen vom Kopfe des Dichters. Dieser schrie, Kordelchen schimpfte, keines mochte anfassen, darüber fuhren Köpfe, Mägde und Kinder aus allen Fenstern und Thüren, die Hunde im Dorfe schlugen an, Dryander nahm ganz verblüfft Reißaus, der Nachtwächter, der eben blasen wollte, mit langen Schritten ihm nach -- so kam er athemlos nach Hause, wo er, endlich von dem gespenstischen Unthier befreit, sogleich zu Bett ging und sich fest einbildete, todtkrank zu seyn.
Feine Lebensart ist wie ein guter Firniß, den die gemeine Luft nicht angreift; so war auch die Fürstin seit jenem Abend ganz unverändert; sie erwähnte des Vorfalls mit keinem Wort, sie mochte wohl ihre Gründe dazu haben. Dryander, da es ihn nicht mehr
Hauſe dazugetreten, das Fraͤulein erhob ſich, wie er¬ loͤſt, von dem Raſen, und entfernte ſich raſch, noch oͤfters furchtſam zuruͤckblickend. — In dem Gebuͤſch daneben aber hoͤrte er ein feines Lachen, er glaubte ein Frauenkleid durch die Zweige ſchimmern zu ſehen.
Es war Kordelchen, die ihm heimlich gefolgt. Aber es bekam ihr ſchlimm. Denn ſie hatte ſich kaum in ihrem Verſteck zurechtgeſetzt, da ſtuͤrzte Dryander, wie ein Raſender, ſchreiend und tobend daher und fuhr mit dem Kopf gerade in ihre Roͤcke. Sie ſprang erſchrocken auf — eine Fledermaus, da er ſeinen Hut im Wald gelaſſen, war ihm unverſehens in die Haare geflogen und blickte, dort feſtgeneſtelt, mit ſtieren Augen vom Kopfe des Dichters. Dieſer ſchrie, Kordelchen ſchimpfte, keines mochte anfaſſen, daruͤber fuhren Koͤpfe, Maͤgde und Kinder aus allen Fenſtern und Thuͤren, die Hunde im Dorfe ſchlugen an, Dryander nahm ganz verbluͤfft Reißaus, der Nachtwaͤchter, der eben blaſen wollte, mit langen Schritten ihm nach — ſo kam er athemlos nach Hauſe, wo er, endlich von dem geſpenſtiſchen Unthier befreit, ſogleich zu Bett ging und ſich feſt einbildete, todtkrank zu ſeyn.
Feine Lebensart iſt wie ein guter Firniß, den die gemeine Luft nicht angreift; ſo war auch die Fuͤrſtin ſeit jenem Abend ganz unveraͤndert; ſie erwaͤhnte des Vorfalls mit keinem Wort, ſie mochte wohl ihre Gruͤnde dazu haben. Dryander, da es ihn nicht mehr
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0167"n="160"/>
Hauſe dazugetreten, das Fraͤulein erhob ſich, wie er¬<lb/>
loͤſt, von dem Raſen, und entfernte ſich raſch, noch<lb/>
oͤfters furchtſam zuruͤckblickend. — In dem Gebuͤſch<lb/>
daneben aber hoͤrte er ein feines Lachen, er glaubte<lb/>
ein Frauenkleid durch die Zweige ſchimmern zu ſehen.</p><lb/><p>Es war Kordelchen, die ihm heimlich gefolgt.<lb/>
Aber es bekam ihr ſchlimm. Denn ſie hatte ſich kaum<lb/>
in ihrem Verſteck zurechtgeſetzt, da ſtuͤrzte Dryander,<lb/>
wie ein Raſender, ſchreiend und tobend daher und<lb/>
fuhr mit dem Kopf gerade in ihre Roͤcke. Sie ſprang<lb/>
erſchrocken auf — eine Fledermaus, da er ſeinen Hut<lb/>
im Wald gelaſſen, war ihm unverſehens in die Haare<lb/>
geflogen und blickte, dort feſtgeneſtelt, mit ſtieren Augen<lb/>
vom Kopfe des Dichters. Dieſer ſchrie, Kordelchen<lb/>ſchimpfte, keines mochte anfaſſen, daruͤber fuhren<lb/>
Koͤpfe, Maͤgde und Kinder aus allen Fenſtern und<lb/>
Thuͤren, die Hunde im Dorfe ſchlugen an, Dryander<lb/>
nahm ganz verbluͤfft Reißaus, der Nachtwaͤchter, der<lb/>
eben blaſen wollte, mit langen Schritten ihm nach —<lb/>ſo kam er athemlos nach Hauſe, wo er, endlich von<lb/>
dem geſpenſtiſchen Unthier befreit, ſogleich zu Bett<lb/>
ging und ſich feſt einbildete, todtkrank zu ſeyn.</p><lb/><p>Feine Lebensart iſt wie ein guter Firniß, den die<lb/>
gemeine Luft nicht angreift; ſo war auch die Fuͤrſtin<lb/>ſeit jenem Abend ganz unveraͤndert; ſie erwaͤhnte des<lb/>
Vorfalls mit keinem Wort, ſie mochte wohl ihre<lb/>
Gruͤnde dazu haben. Dryander, da es ihn nicht mehr<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[160/0167]
Hauſe dazugetreten, das Fraͤulein erhob ſich, wie er¬
loͤſt, von dem Raſen, und entfernte ſich raſch, noch
oͤfters furchtſam zuruͤckblickend. — In dem Gebuͤſch
daneben aber hoͤrte er ein feines Lachen, er glaubte
ein Frauenkleid durch die Zweige ſchimmern zu ſehen.
Es war Kordelchen, die ihm heimlich gefolgt.
Aber es bekam ihr ſchlimm. Denn ſie hatte ſich kaum
in ihrem Verſteck zurechtgeſetzt, da ſtuͤrzte Dryander,
wie ein Raſender, ſchreiend und tobend daher und
fuhr mit dem Kopf gerade in ihre Roͤcke. Sie ſprang
erſchrocken auf — eine Fledermaus, da er ſeinen Hut
im Wald gelaſſen, war ihm unverſehens in die Haare
geflogen und blickte, dort feſtgeneſtelt, mit ſtieren Augen
vom Kopfe des Dichters. Dieſer ſchrie, Kordelchen
ſchimpfte, keines mochte anfaſſen, daruͤber fuhren
Koͤpfe, Maͤgde und Kinder aus allen Fenſtern und
Thuͤren, die Hunde im Dorfe ſchlugen an, Dryander
nahm ganz verbluͤfft Reißaus, der Nachtwaͤchter, der
eben blaſen wollte, mit langen Schritten ihm nach —
ſo kam er athemlos nach Hauſe, wo er, endlich von
dem geſpenſtiſchen Unthier befreit, ſogleich zu Bett
ging und ſich feſt einbildete, todtkrank zu ſeyn.
Feine Lebensart iſt wie ein guter Firniß, den die
gemeine Luft nicht angreift; ſo war auch die Fuͤrſtin
ſeit jenem Abend ganz unveraͤndert; ſie erwaͤhnte des
Vorfalls mit keinem Wort, ſie mochte wohl ihre
Gruͤnde dazu haben. Dryander, da es ihn nicht mehr
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/167>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.