interessirte, hatte längst alles wieder vergessen, bis auf die schöne, mildthätige Jungfrau vor der Hütte. Diese aber war niemand anders, als Fräulein Trudchen von dem wüsten Schlosse des Barons. Die leichte, heitere Art der vornehmen Gäste bei dem fürstlichen Besuche hatte sie ganz verblendet; wie nach Sonnenuntergang flimmerte es noch lange in ihrer Einsamkeit nach, und sie hörte nicht auf zu bitten und zu schmollen, bis der Vater sie endlich auf mehrere Wochen zu dem fürstli¬ chen Forstmeister, ihrem Verwandten, hinüberschickte, um sich zu bilden. -- Dryander besuchte nun regelmä¬ ßig jeden Abend den Forstmeister, disputirte mit den dort häufig versammelten Gutsbesitzern, trank viel, und verfolgte das Fräulein mit wahrhaft poetischer Wuth. Er schleppte ihr unermüdlich Bücher zu: Goe¬ the, Shakespeare, Calderon, Cervantes, sie mußte ge¬ schwind lesen, ihre Unwissenheit reizte ihn nur immer¬ mehr. Es war ihr alles so neu, im Hause hatten alle großen Respekt vor seiner Gelehrsamkeit, er um¬ strickte sie ganz mit seinem leidenschaftlichen Wesen. -- Die Schauspieler hatten insgeheim ihre große Freude daran, und eines Abends kamen die Schalksnarren, Ruprecht, Kordelchen, Fabitz, eins nach dem andern, feierlich zu ihm, der eine brachte ein Gedicht, der an¬ dere einen dicken Blumenstrauß, und gratulirten zu sei¬ ner morgigen Vermählung mit dem Fräulein. Er
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intereſſirte, hatte laͤngſt alles wieder vergeſſen, bis auf die ſchoͤne, mildthaͤtige Jungfrau vor der Huͤtte. Dieſe aber war niemand anders, als Fraͤulein Trudchen von dem wuͤſten Schloſſe des Barons. Die leichte, heitere Art der vornehmen Gaͤſte bei dem fuͤrſtlichen Beſuche hatte ſie ganz verblendet; wie nach Sonnenuntergang flimmerte es noch lange in ihrer Einſamkeit nach, und ſie hoͤrte nicht auf zu bitten und zu ſchmollen, bis der Vater ſie endlich auf mehrere Wochen zu dem fuͤrſtli¬ chen Forſtmeiſter, ihrem Verwandten, hinuͤberſchickte, um ſich zu bilden. — Dryander beſuchte nun regelmaͤ¬ ßig jeden Abend den Forſtmeiſter, disputirte mit den dort haͤufig verſammelten Gutsbeſitzern, trank viel, und verfolgte das Fraͤulein mit wahrhaft poetiſcher Wuth. Er ſchleppte ihr unermuͤdlich Buͤcher zu: Goe¬ the, Shakeſpeare, Calderon, Cervantes, ſie mußte ge¬ ſchwind leſen, ihre Unwiſſenheit reizte ihn nur immer¬ mehr. Es war ihr alles ſo neu, im Hauſe hatten alle großen Reſpekt vor ſeiner Gelehrſamkeit, er um¬ ſtrickte ſie ganz mit ſeinem leidenſchaftlichen Weſen. — Die Schauspieler hatten insgeheim ihre große Freude daran, und eines Abends kamen die Schalksnarren, Ruprecht, Kordelchen, Fabitz, eins nach dem andern, feierlich zu ihm, der eine brachte ein Gedicht, der an¬ dere einen dicken Blumenstrauß, und gratulirten zu ſei¬ ner morgigen Vermaͤhlung mit dem Fraͤulein. Er
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intereſſirte, hatte laͤngſt alles wieder vergeſſen, bis auf
die ſchoͤne, mildthaͤtige Jungfrau vor der Huͤtte. Dieſe
aber war niemand anders, als Fraͤulein Trudchen von
dem wuͤſten Schloſſe des Barons. Die leichte, heitere
Art der vornehmen Gaͤſte bei dem fuͤrſtlichen Beſuche
hatte ſie ganz verblendet; wie nach Sonnenuntergang
flimmerte es noch lange in ihrer Einſamkeit nach, und
ſie hoͤrte nicht auf zu bitten und zu ſchmollen, bis der
Vater ſie endlich auf mehrere Wochen zu dem fuͤrſtli¬
chen Forſtmeiſter, ihrem Verwandten, hinuͤberſchickte,
um ſich zu bilden. — Dryander beſuchte nun regelmaͤ¬
ßig jeden Abend den Forſtmeiſter, disputirte mit den
dort haͤufig verſammelten Gutsbeſitzern, trank viel,
und verfolgte das Fraͤulein mit wahrhaft poetiſcher
Wuth. Er ſchleppte ihr unermuͤdlich Buͤcher zu: Goe¬
the, Shakeſpeare, Calderon, Cervantes, ſie mußte ge¬
ſchwind leſen, ihre Unwiſſenheit reizte ihn nur immer¬
mehr. Es war ihr alles ſo neu, im Hauſe hatten
alle großen Reſpekt vor ſeiner Gelehrſamkeit, er um¬
ſtrickte ſie ganz mit ſeinem leidenſchaftlichen Weſen. —
Die Schauspieler hatten insgeheim ihre große Freude
daran, und eines Abends kamen die Schalksnarren,
Ruprecht, Kordelchen, Fabitz, eins nach dem andern,
feierlich zu ihm, der eine brachte ein Gedicht, der an¬
dere einen dicken Blumenstrauß, und gratulirten zu ſei¬
ner morgigen Vermaͤhlung mit dem Fraͤulein. Er
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/168>, abgerufen am 21.11.2024.
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