Haus getragen, vom Jubel der Dorfjugend begleitet, die eben zur Schule ging. -- Er hatte sich das alles noch niemals so recht voraus überlegt, jetzt aber befiel ihn, allmählich wachsend, eine unwiderstehliche Angst vor dem Heirathen, und als er eben in eine Allee hin¬ einbiegen wollte, erblickte er am anderen Ende gar zwei alte Damen, die in taftenen Kleidern feierlich auf ihn dahergerauscht kamen. Da wandte er sich schnell, und entfloh in langen Sätzen unaufhaltsam durch den Garten, am Dorfe vorüber in die Berge hinein, es war ihm, als verfolgte ihn Gott Hymen und klopfte seine Fackel an seinem Kopfe aus, daß ihm die Fun¬ ken knisternd um die Augen sprühten.
In dem Hause ging es unterdeß schon hoch her, es war des Forstmeisters Geburtstag, kein Mensch dachte an Hochzeit. Trudchen trat oft an's Fenster und ging immer wieder ganz böse fort, daß Dryander noch nicht kam. Auch der Baron, der sich wie ge¬ wöhnlich zu dem Feste mit eingefunden, war begierig, ihn zu sehen, denn der Forstmeister hatte ihm schon von seiner Liebschaft, seiner einträglichen Stelle und seinen bedeutenden Verbindungen am Hofe erzählt, und der Baron in seinen verzweifelten Vermögensumstän¬ den dachte sogleich daran, seine Tochter unter die Haube und sich unter Dach zu bringen, ehe sein eig¬ nes ihm über dem Kopf zusammenstürzte. Aber ver¬
Haus getragen, vom Jubel der Dorfjugend begleitet, die eben zur Schule ging. — Er hatte ſich das alles noch niemals ſo recht voraus uͤberlegt, jetzt aber befiel ihn, allmaͤhlich wachſend, eine unwiderſtehliche Angſt vor dem Heirathen, und als er eben in eine Allee hin¬ einbiegen wollte, erblickte er am anderen Ende gar zwei alte Damen, die in taftenen Kleidern feierlich auf ihn dahergerauſcht kamen. Da wandte er ſich ſchnell, und entfloh in langen Saͤtzen unaufhaltſam durch den Garten, am Dorfe voruͤber in die Berge hinein, es war ihm, als verfolgte ihn Gott Hymen und klopfte ſeine Fackel an ſeinem Kopfe aus, daß ihm die Fun¬ ken kniſternd um die Augen ſpruͤhten.
In dem Hauſe ging es unterdeß ſchon hoch her, es war des Forſtmeiſters Geburtstag, kein Menſch dachte an Hochzeit. Trudchen trat oft an's Fenſter und ging immer wieder ganz boͤſe fort, daß Dryander noch nicht kam. Auch der Baron, der ſich wie ge¬ woͤhnlich zu dem Feſte mit eingefunden, war begierig, ihn zu ſehen, denn der Forſtmeiſter hatte ihm ſchon von ſeiner Liebſchaft, ſeiner eintraͤglichen Stelle und ſeinen bedeutenden Verbindungen am Hofe erzaͤhlt, und der Baron in ſeinen verzweifelten Vermoͤgensumſtaͤn¬ den dachte ſogleich daran, ſeine Tochter unter die Haube und ſich unter Dach zu bringen, ehe ſein eig¬ nes ihm uͤber dem Kopf zuſammenſtuͤrzte. Aber ver¬
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Haus getragen, vom Jubel der Dorfjugend begleitet,
die eben zur Schule ging. — Er hatte ſich das alles
noch niemals ſo recht voraus uͤberlegt, jetzt aber befiel
ihn, allmaͤhlich wachſend, eine unwiderſtehliche Angſt
vor dem Heirathen, und als er eben in eine Allee hin¬
einbiegen wollte, erblickte er am anderen Ende gar
zwei alte Damen, die in taftenen Kleidern feierlich auf
ihn dahergerauſcht kamen. Da wandte er ſich ſchnell,
und entfloh in langen Saͤtzen unaufhaltſam durch den
Garten, am Dorfe voruͤber in die Berge hinein, es
war ihm, als verfolgte ihn Gott Hymen und klopfte
ſeine Fackel an ſeinem Kopfe aus, daß ihm die Fun¬
ken kniſternd um die Augen ſpruͤhten.
In dem Hauſe ging es unterdeß ſchon hoch her,
es war des Forſtmeiſters Geburtstag, kein Menſch
dachte an Hochzeit. Trudchen trat oft an's Fenſter
und ging immer wieder ganz boͤſe fort, daß Dryander
noch nicht kam. Auch der Baron, der ſich wie ge¬
woͤhnlich zu dem Feſte mit eingefunden, war begierig,
ihn zu ſehen, denn der Forſtmeiſter hatte ihm ſchon
von ſeiner Liebſchaft, ſeiner eintraͤglichen Stelle und
ſeinen bedeutenden Verbindungen am Hofe erzaͤhlt, und
der Baron in ſeinen verzweifelten Vermoͤgensumſtaͤn¬
den dachte ſogleich daran, ſeine Tochter unter die
Haube und ſich unter Dach zu bringen, ehe ſein eig¬
nes ihm uͤber dem Kopf zuſammenſtuͤrzte. Aber ver¬
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/171>, abgerufen am 21.11.2024.
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