geblich war mehreremal nach Dryanders Wohnung ge¬ schickt worden, man hatte sich endlich zu Tisch gesetzt, die Unterhaltung wurde immer lauter, in dem Lärm flogen schon Bonbons und bedeutende Blöcke zwischen den jungen Leuten hin und her, vom Knall der Cham¬ pagnerflaschen salutirt, als sich auf einmal durch die Diener vom Schloß her das Gerücht verbreitete, der Hofrath sey entsprungen und fern im Walde in vollem Staat gesehen worden. Niemand wußte sich's zu er¬ klären, denn die Schauspieler, die einen solchen Aus¬ gang nicht erwartet hatten, hüteten sich wohl zu ver¬ rathen, was sie Dryandern eingeredet. -- Trudchen aber stand plötzlich auf und ging hochroth hinaus. Da wurde die Sache erst recht auffallend, alle Blicke wa¬ ren auf die Fortgehende gerichtet, die Mädchen zischel¬ ten einander heimlich in die Ohren, der Baron eilte ihr nach, denn es sollte noch getanzt werden. Aber das Fräulein war wie ausgewechselt, schmollend und trotzig, und wollte durchaus nicht mehr zur Gesellschaft zurück. Sie wisse es am besten, sagte sie, die All¬ täglichkeit dieser prosaischen Menschen habe den Hof¬ rath vertrieben, sie frage gar nicht mehr nach den un¬ wissenden Leuten, sie kenne nun eine ganz andere Welt! -- Der Baron aber schalt sie eine verdrehte Närrin. Dann ließ er voller Zorn mitten in der all¬ gemeinen Verwirrung anspannen, schob sie in den
geblich war mehreremal nach Dryanders Wohnung ge¬ ſchickt worden, man hatte ſich endlich zu Tiſch geſetzt, die Unterhaltung wurde immer lauter, in dem Laͤrm flogen ſchon Bonbons und bedeutende Bloͤcke zwiſchen den jungen Leuten hin und her, vom Knall der Cham¬ pagnerflaſchen ſalutirt, als ſich auf einmal durch die Diener vom Schloß her das Geruͤcht verbreitete, der Hofrath ſey entſprungen und fern im Walde in vollem Staat geſehen worden. Niemand wußte ſich's zu er¬ klaͤren, denn die Schauſpieler, die einen ſolchen Aus¬ gang nicht erwartet hatten, huͤteten ſich wohl zu ver¬ rathen, was ſie Dryandern eingeredet. — Trudchen aber ſtand ploͤtzlich auf und ging hochroth hinaus. Da wurde die Sache erſt recht auffallend, alle Blicke wa¬ ren auf die Fortgehende gerichtet, die Maͤdchen ziſchel¬ ten einander heimlich in die Ohren, der Baron eilte ihr nach, denn es ſollte noch getanzt werden. Aber das Fraͤulein war wie ausgewechſelt, ſchmollend und trotzig, und wollte durchaus nicht mehr zur Geſellſchaft zuruͤck. Sie wiſſe es am beſten, ſagte ſie, die All¬ taͤglichkeit dieſer proſaiſchen Menſchen habe den Hof¬ rath vertrieben, ſie frage gar nicht mehr nach den un¬ wiſſenden Leuten, ſie kenne nun eine ganz andere Welt! — Der Baron aber ſchalt ſie eine verdrehte Naͤrrin. Dann ließ er voller Zorn mitten in der all¬ gemeinen Verwirrung anſpannen, ſchob ſie in den
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geblich war mehreremal nach Dryanders Wohnung ge¬
ſchickt worden, man hatte ſich endlich zu Tiſch geſetzt,
die Unterhaltung wurde immer lauter, in dem Laͤrm
flogen ſchon Bonbons und bedeutende Bloͤcke zwiſchen
den jungen Leuten hin und her, vom Knall der Cham¬
pagnerflaſchen ſalutirt, als ſich auf einmal durch die
Diener vom Schloß her das Geruͤcht verbreitete, der
Hofrath ſey entſprungen und fern im Walde in vollem
Staat geſehen worden. Niemand wußte ſich's zu er¬
klaͤren, denn die Schauſpieler, die einen ſolchen Aus¬
gang nicht erwartet hatten, huͤteten ſich wohl zu ver¬
rathen, was ſie Dryandern eingeredet. — Trudchen
aber ſtand ploͤtzlich auf und ging hochroth hinaus. Da
wurde die Sache erſt recht auffallend, alle Blicke wa¬
ren auf die Fortgehende gerichtet, die Maͤdchen ziſchel¬
ten einander heimlich in die Ohren, der Baron eilte
ihr nach, denn es ſollte noch getanzt werden. Aber
das Fraͤulein war wie ausgewechſelt, ſchmollend und
trotzig, und wollte durchaus nicht mehr zur Geſellſchaft
zuruͤck. Sie wiſſe es am beſten, ſagte ſie, die All¬
taͤglichkeit dieſer proſaiſchen Menſchen habe den Hof¬
rath vertrieben, ſie frage gar nicht mehr nach den un¬
wiſſenden Leuten, ſie kenne nun eine ganz andere
Welt! — Der Baron aber ſchalt ſie eine verdrehte
Naͤrrin. Dann ließ er voller Zorn mitten in der all¬
gemeinen Verwirrung anſpannen, ſchob ſie in den
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/172>, abgerufen am 16.02.2025.
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