blick stutzte schnaubend und stürzte sich seitwärts in den Abgrund, Hunde und Reiterin konnten ihm dorthin nicht folgen. Da hielt Juanna plötzlich über Fortu¬ naten in der wilden Einsamkeit, die Hunde streckten sich lechzend zu ihren Füßen. Seht, der ist frei -- sagte sie, die schwarzen Locken aus dem erhitzten Ge¬ sicht schüttelnd -- und eher fangt Ihr mit verliebten Blicken einen Hirsch im Walde, als mich! Was wollt Ihr von mir? Laßt das Werben um mich, mir ist wohl in meiner Freiheit. Was auch die Fürstin für Anschläge hat, ich werde nie die Eurige und keines Mannes Weib -- hütet Euch, es wäre unser beider Tod! -- Hierauf wandte sie ihr Roß, die alten Bäume schüttelten sich und streuten ihre gelben Blätter wie einen Goldregen über die schöne Gestalt. Fortunat stand ganz verwirrt, ihm war, als sprächen ringsum die Quellen irre den Wald entlang, Unerhörteres konnte ihm nicht begegnen als daß er nun am Ende selbst der Bräutigam seyn sollte! -- Unterdeß hatte sich Juanna wieder höher in das Gebirge gewendet, ein plötzlicher Anschlag schien ihre ganze Seele zu be¬ wegen. Sie kannte den Waldweg nach einem Non¬ nenkloster, das jenseits des Gebirges lag und dessen Aebtissin ihr verwandt war. Dort wollte sie noch heute hin und abwarten, bis der Winter Gebirge, Freier und Verliebte verschüttet. Aber mitten in die¬
blick ſtutzte ſchnaubend und ſtuͤrzte ſich ſeitwaͤrts in den Abgrund, Hunde und Reiterin konnten ihm dorthin nicht folgen. Da hielt Juanna ploͤtzlich uͤber Fortu¬ naten in der wilden Einſamkeit, die Hunde ſtreckten ſich lechzend zu ihren Fuͤßen. Seht, der iſt frei — ſagte ſie, die ſchwarzen Locken aus dem erhitzten Ge¬ ſicht ſchuͤttelnd — und eher fangt Ihr mit verliebten Blicken einen Hirſch im Walde, als mich! Was wollt Ihr von mir? Laßt das Werben um mich, mir iſt wohl in meiner Freiheit. Was auch die Fuͤrſtin fuͤr Anſchlaͤge hat, ich werde nie die Eurige und keines Mannes Weib — huͤtet Euch, es waͤre unſer beider Tod! — Hierauf wandte ſie ihr Roß, die alten Baͤume ſchuͤttelten ſich und ſtreuten ihre gelben Blaͤtter wie einen Goldregen uͤber die ſchoͤne Geſtalt. Fortunat ſtand ganz verwirrt, ihm war, als ſpraͤchen ringsum die Quellen irre den Wald entlang, Unerhoͤrteres konnte ihm nicht begegnen als daß er nun am Ende ſelbſt der Braͤutigam ſeyn ſollte! — Unterdeß hatte ſich Juanna wieder hoͤher in das Gebirge gewendet, ein ploͤtzlicher Anſchlag ſchien ihre ganze Seele zu be¬ wegen. Sie kannte den Waldweg nach einem Non¬ nenkloſter, das jenſeits des Gebirges lag und deſſen Aebtiſſin ihr verwandt war. Dort wollte ſie noch heute hin und abwarten, bis der Winter Gebirge, Freier und Verliebte verſchuͤttet. Aber mitten in die¬
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blick ſtutzte ſchnaubend und ſtuͤrzte ſich ſeitwaͤrts in den
Abgrund, Hunde und Reiterin konnten ihm dorthin
nicht folgen. Da hielt Juanna ploͤtzlich uͤber Fortu¬
naten in der wilden Einſamkeit, die Hunde ſtreckten
ſich lechzend zu ihren Fuͤßen. Seht, der iſt frei —
ſagte ſie, die ſchwarzen Locken aus dem erhitzten Ge¬
ſicht ſchuͤttelnd — und eher fangt Ihr mit verliebten
Blicken einen Hirſch im Walde, als mich! Was wollt
Ihr von mir? Laßt das Werben um mich, mir iſt
wohl in meiner Freiheit. Was auch die Fuͤrſtin fuͤr
Anſchlaͤge hat, ich werde nie die Eurige und keines
Mannes Weib — huͤtet Euch, es waͤre unſer beider
Tod! — Hierauf wandte ſie ihr Roß, die alten Baͤume
ſchuͤttelten ſich und ſtreuten ihre gelben Blaͤtter wie
einen Goldregen uͤber die ſchoͤne Geſtalt. Fortunat
ſtand ganz verwirrt, ihm war, als ſpraͤchen ringsum
die Quellen irre den Wald entlang, Unerhoͤrteres
konnte ihm nicht begegnen als daß er nun am Ende
ſelbſt der Braͤutigam ſeyn ſollte! — Unterdeß hatte
ſich Juanna wieder hoͤher in das Gebirge gewendet,
ein ploͤtzlicher Anſchlag ſchien ihre ganze Seele zu be¬
wegen. Sie kannte den Waldweg nach einem Non¬
nenkloſter, das jenſeits des Gebirges lag und deſſen
Aebtiſſin ihr verwandt war. Dort wollte ſie noch
heute hin und abwarten, bis der Winter Gebirge,
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/179>, abgerufen am 21.11.2024.
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