Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Grundling in das Haus hinein. -- Laßt mich jetzt
ungeschoren, das rath' ich euch, erwiederte Guido zor¬
nig von Innen, wem sein Himmel über dem Haupte
zusammenbrach, dem kommts auf ein Paar Scherben
mehr oder weniger nicht an. -- Hier aber verwickelte
er sich unter dem alten Gerümpel des Hausflurs mit
den Füßen in umherliegende Schläuche, er zuckte unge¬
duldig, darüber gerieth ein übereinandergeschichteter
Thurm von leeren Weintonnen in's Wanken und Fal¬
len, bis auf einmal Schaffe, Tonnen und Maler,
unaufhaltsam übereinanderkollernd, zum Hause heraus¬
gestürzt kamen. Grundling, der sich vorwitzig der
Thüre genähert hatte, konnte nicht so schnell entsprin¬
gen, eine Tonne hüpfte ihm zwischen die Beine, er
wollte sich an Otto'n festhalten, erwischte aber nur
seine Laute, mit der er krachend niederfiel. Otto
schalt auf Grundling, Grundling auf Guido, Guido
auf mehrere alte Weiber, die über dem Lärm keifend
aus allen Dachfenstern herausfuhren. Mitten aus
dieser Verwirrung brach endlich das tiefe, weitschal¬
lende Lachen Grundlings mit solcher vehementen Herz¬
lichkeit, daß es bald Handelnde und Zuschauer unauf¬
haltsam mit fortriß.

Diese unerwartete Explosion zerstreute die letzten
Wölkchen an dem leichtbeweglichen Horizont. Auch
Guido hatte darüber seine hochmüthige Zerknirschung
gänzlich wieder vergessen. Man holte Wein herbei,

Grundling in das Haus hinein. — Laßt mich jetzt
ungeſchoren, das rath' ich euch, erwiederte Guido zor¬
nig von Innen, wem ſein Himmel uͤber dem Haupte
zuſammenbrach, dem kommts auf ein Paar Scherben
mehr oder weniger nicht an. — Hier aber verwickelte
er ſich unter dem alten Geruͤmpel des Hausflurs mit
den Fuͤßen in umherliegende Schlaͤuche, er zuckte unge¬
duldig, daruͤber gerieth ein uͤbereinandergeſchichteter
Thurm von leeren Weintonnen in's Wanken und Fal¬
len, bis auf einmal Schaffe, Tonnen und Maler,
unaufhaltſam uͤbereinanderkollernd, zum Hauſe heraus¬
geſtuͤrzt kamen. Grundling, der ſich vorwitzig der
Thuͤre genaͤhert hatte, konnte nicht ſo ſchnell entſprin¬
gen, eine Tonne huͤpfte ihm zwiſchen die Beine, er
wollte ſich an Otto'n feſthalten, erwiſchte aber nur
ſeine Laute, mit der er krachend niederfiel. Otto
ſchalt auf Grundling, Grundling auf Guido, Guido
auf mehrere alte Weiber, die uͤber dem Laͤrm keifend
aus allen Dachfenſtern herausfuhren. Mitten aus
dieſer Verwirrung brach endlich das tiefe, weitſchal¬
lende Lachen Grundlings mit ſolcher vehementen Herz¬
lichkeit, daß es bald Handelnde und Zuſchauer unauf¬
haltſam mit fortriß.

Dieſe unerwartete Exploſion zerſtreute die letzten
Woͤlkchen an dem leichtbeweglichen Horizont. Auch
Guido hatte daruͤber ſeine hochmuͤthige Zerknirſchung
gaͤnzlich wieder vergeſſen. Man holte Wein herbei,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0208" n="201"/>
Grundling in das Haus hinein. &#x2014; Laßt mich jetzt<lb/>
unge&#x017F;choren, das rath' ich euch, erwiederte Guido zor¬<lb/>
nig von Innen, wem &#x017F;ein Himmel u&#x0364;ber dem Haupte<lb/>
zu&#x017F;ammenbrach, dem kommts auf ein Paar Scherben<lb/>
mehr oder weniger nicht an. &#x2014; Hier aber verwickelte<lb/>
er &#x017F;ich unter dem alten Geru&#x0364;mpel des Hausflurs mit<lb/>
den Fu&#x0364;ßen in umherliegende Schla&#x0364;uche, er zuckte unge¬<lb/>
duldig, daru&#x0364;ber gerieth ein u&#x0364;bereinanderge&#x017F;chichteter<lb/>
Thurm von leeren Weintonnen in's Wanken und Fal¬<lb/>
len, bis auf einmal Schaffe, Tonnen und Maler,<lb/>
unaufhalt&#x017F;am u&#x0364;bereinanderkollernd, zum Hau&#x017F;e heraus¬<lb/>
ge&#x017F;tu&#x0364;rzt kamen. Grundling, der &#x017F;ich vorwitzig der<lb/>
Thu&#x0364;re gena&#x0364;hert hatte, konnte nicht &#x017F;o &#x017F;chnell ent&#x017F;prin¬<lb/>
gen, eine Tonne hu&#x0364;pfte ihm zwi&#x017F;chen die Beine, er<lb/>
wollte &#x017F;ich an Otto'n fe&#x017F;thalten, erwi&#x017F;chte aber nur<lb/>
&#x017F;eine Laute, mit der er krachend niederfiel. Otto<lb/>
&#x017F;chalt auf Grundling, Grundling auf Guido, Guido<lb/>
auf mehrere alte Weiber, die u&#x0364;ber dem La&#x0364;rm keifend<lb/>
aus allen Dachfen&#x017F;tern herausfuhren. Mitten aus<lb/>
die&#x017F;er Verwirrung brach endlich das tiefe, weit&#x017F;chal¬<lb/>
lende Lachen Grundlings mit &#x017F;olcher vehementen Herz¬<lb/>
lichkeit, daß es bald Handelnde und Zu&#x017F;chauer unauf¬<lb/>
halt&#x017F;am mit fortriß.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e unerwartete Explo&#x017F;ion zer&#x017F;treute die letzten<lb/>
Wo&#x0364;lkchen an dem leichtbeweglichen Horizont. Auch<lb/>
Guido hatte daru&#x0364;ber &#x017F;eine hochmu&#x0364;thige Zerknir&#x017F;chung<lb/>
ga&#x0364;nzlich wieder verge&#x017F;&#x017F;en. Man holte Wein herbei,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[201/0208] Grundling in das Haus hinein. — Laßt mich jetzt ungeſchoren, das rath' ich euch, erwiederte Guido zor¬ nig von Innen, wem ſein Himmel uͤber dem Haupte zuſammenbrach, dem kommts auf ein Paar Scherben mehr oder weniger nicht an. — Hier aber verwickelte er ſich unter dem alten Geruͤmpel des Hausflurs mit den Fuͤßen in umherliegende Schlaͤuche, er zuckte unge¬ duldig, daruͤber gerieth ein uͤbereinandergeſchichteter Thurm von leeren Weintonnen in's Wanken und Fal¬ len, bis auf einmal Schaffe, Tonnen und Maler, unaufhaltſam uͤbereinanderkollernd, zum Hauſe heraus¬ geſtuͤrzt kamen. Grundling, der ſich vorwitzig der Thuͤre genaͤhert hatte, konnte nicht ſo ſchnell entſprin¬ gen, eine Tonne huͤpfte ihm zwiſchen die Beine, er wollte ſich an Otto'n feſthalten, erwiſchte aber nur ſeine Laute, mit der er krachend niederfiel. Otto ſchalt auf Grundling, Grundling auf Guido, Guido auf mehrere alte Weiber, die uͤber dem Laͤrm keifend aus allen Dachfenſtern herausfuhren. Mitten aus dieſer Verwirrung brach endlich das tiefe, weitſchal¬ lende Lachen Grundlings mit ſolcher vehementen Herz¬ lichkeit, daß es bald Handelnde und Zuſchauer unauf¬ haltſam mit fortriß. Dieſe unerwartete Exploſion zerſtreute die letzten Woͤlkchen an dem leichtbeweglichen Horizont. Auch Guido hatte daruͤber ſeine hochmuͤthige Zerknirſchung gaͤnzlich wieder vergeſſen. Man holte Wein herbei,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/208
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/208>, abgerufen am 21.11.2024.