Die Stimme schien Fortunaten bekannt, da rauschte es in dem nächsten Gebüsch, und mit einem leichten Satze schwang sich der Sänger zwischen dem alten Gemäuer zu ihnen herauf, daß seine Laute an den Zweigen einen fröhlichen Klang gab. -- Otto! rief Fortunat freudig aus, denn es war niemand an¬ ders, als der poetische Student aus Hohenstein. Fast aber hätte er ihn nicht wieder erkannt, so verwandelt, von der Sonne gebräunt und rüstig erschien der Jüng¬ ling. Er hatte Fortunats Ankunft schon erfahren, und erzählte ihm nun sogleich voller Entzücken von sei¬ ner Reise und dem hiesigen Aufenthalt, er war wie berauscht in den fremden Lüften. Kordelchen neckte ihn mit seinem römischen Liebchen, und Grundling schwor, das sei das schönste Frauenzimmer, das er jemals gesehen, alle Maler stiegen ihr nach, wenn sie, ihr Fruchtkörbchen auf dem Kopfe mit dem einen Arm unterstützend, schlank und zierlich über den Markt ging; einem Landsmann habe sie bei dieser Gelegen¬ heit einmal eine Feige umsonst gereicht, nämlich hin¬ ter's Ohr.
Während sie noch so sprachen, hörten sie hinter sich im Hause heftig gehen und die Thüren zuschla¬ gen. Es war Guido, der, in der ungebärdigsten Laune zurückgekehrt, nach Licht rief und im Finstern mit den Stühlen umherwarf. -- Heraus, du verstörter Polter¬ geist mit deinem dummen Künstler-Unglück! rief
Die Stimme ſchien Fortunaten bekannt, da rauſchte es in dem naͤchſten Gebuͤſch, und mit einem leichten Satze ſchwang ſich der Saͤnger zwiſchen dem alten Gemaͤuer zu ihnen herauf, daß ſeine Laute an den Zweigen einen froͤhlichen Klang gab. — Otto! rief Fortunat freudig aus, denn es war niemand an¬ ders, als der poetiſche Student aus Hohenſtein. Faſt aber haͤtte er ihn nicht wieder erkannt, ſo verwandelt, von der Sonne gebraͤunt und ruͤſtig erſchien der Juͤng¬ ling. Er hatte Fortunats Ankunft ſchon erfahren, und erzaͤhlte ihm nun ſogleich voller Entzuͤcken von ſei¬ ner Reiſe und dem hieſigen Aufenthalt, er war wie berauſcht in den fremden Luͤften. Kordelchen neckte ihn mit ſeinem roͤmiſchen Liebchen, und Grundling ſchwor, das ſei das ſchoͤnſte Frauenzimmer, das er jemals geſehen, alle Maler ſtiegen ihr nach, wenn ſie, ihr Fruchtkoͤrbchen auf dem Kopfe mit dem einen Arm unterſtuͤtzend, ſchlank und zierlich uͤber den Markt ging; einem Landsmann habe ſie bei dieſer Gelegen¬ heit einmal eine Feige umſonſt gereicht, naͤmlich hin¬ ter's Ohr.
Waͤhrend ſie noch ſo ſprachen, hoͤrten ſie hinter ſich im Hauſe heftig gehen und die Thuͤren zuſchla¬ gen. Es war Guido, der, in der ungebaͤrdigſten Laune zuruͤckgekehrt, nach Licht rief und im Finſtern mit den Stuͤhlen umherwarf. — Heraus, du verſtoͤrter Polter¬ geiſt mit deinem dummen Kuͤnſtler-Ungluͤck! rief
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Die Stimme ſchien Fortunaten bekannt, da
rauſchte es in dem naͤchſten Gebuͤſch, und mit einem
leichten Satze ſchwang ſich der Saͤnger zwiſchen dem
alten Gemaͤuer zu ihnen herauf, daß ſeine Laute an
den Zweigen einen froͤhlichen Klang gab. — Otto!
rief Fortunat freudig aus, denn es war niemand an¬
ders, als der poetiſche Student aus Hohenſtein. Faſt
aber haͤtte er ihn nicht wieder erkannt, ſo verwandelt,
von der Sonne gebraͤunt und ruͤſtig erſchien der Juͤng¬
ling. Er hatte Fortunats Ankunft ſchon erfahren,
und erzaͤhlte ihm nun ſogleich voller Entzuͤcken von ſei¬
ner Reiſe und dem hieſigen Aufenthalt, er war wie
berauſcht in den fremden Luͤften. Kordelchen neckte
ihn mit ſeinem roͤmiſchen Liebchen, und Grundling
ſchwor, das ſei das ſchoͤnſte Frauenzimmer, das er
jemals geſehen, alle Maler ſtiegen ihr nach, wenn ſie,
ihr Fruchtkoͤrbchen auf dem Kopfe mit dem einen Arm
unterſtuͤtzend, ſchlank und zierlich uͤber den Markt
ging; einem Landsmann habe ſie bei dieſer Gelegen¬
heit einmal eine Feige umſonſt gereicht, naͤmlich hin¬
ter's Ohr.
Waͤhrend ſie noch ſo ſprachen, hoͤrten ſie hinter
ſich im Hauſe heftig gehen und die Thuͤren zuſchla¬
gen. Es war Guido, der, in der ungebaͤrdigſten Laune
zuruͤckgekehrt, nach Licht rief und im Finſtern mit den
Stuͤhlen umherwarf. — Heraus, du verſtoͤrter Polter¬
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/207>, abgerufen am 21.11.2024.
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