nicht zu faul, lenke sogleich meine Schritte dahin, ar¬ beite mich durch Strauch und Dorn immer tiefer nach, und was erblick' ich?! -- Unter einer hohen Linde im dämmernden Mondschein steht der Emissair in erhabe¬ ner Stellung, neben ihm ein sehr junger Mensch, der so eben, die rechte Hand zum Himmel gereckt, einen feierlichen Schwur ablegt. Nun halt' ich mich nicht länger, ich stürze hervor und donnere den Seelenver¬ käufer an, daß er sich unterfange, diesen Sitz der Aufklärung mit der pestilenzialischen Finsterniß des Mittelalters zu verdüstern et cetera. Unterdeß fing auch über meiner Rede ein Hund in der Nähe zu bel¬ len an, einige Personen bewegten sich von fern zwi¬ schen den Bäumen, die Ueberraschten wurden immer verlegener, ich fuhr in meinen Ermahnungen immer nachdrücklicher fort. Aber was geschieht? Der Kerl von Jesuit packt mich auf einmal von hinten, der an¬ dere an den Füßen, daß ich die Balance verliere, so werfen sie mich in eine verfluchte Kalesche am Gebüsch, die ich vorher gar nicht bemerkt hatte, schwingen sich mit herauf, der Kutscher peitscht in die Pferde und fort geht es über Stock und Stein in die finstere Nacht hinein. -- Als ich wieder zu mir selbst kam, fand ich mit Vergnügen, daß meine Pfeife in der Con¬ fusion nicht ausgegangen war, auch hatte ich den Tag über viel gesessen, etwas Motion konnte nicht schaden, die Nacht war schön, kein Mensch oder Dorf in der
nicht zu faul, lenke ſogleich meine Schritte dahin, ar¬ beite mich durch Strauch und Dorn immer tiefer nach, und was erblick' ich?! — Unter einer hohen Linde im daͤmmernden Mondſchein ſteht der Emiſſair in erhabe¬ ner Stellung, neben ihm ein ſehr junger Menſch, der ſo eben, die rechte Hand zum Himmel gereckt, einen feierlichen Schwur ablegt. Nun halt' ich mich nicht laͤnger, ich ſtuͤrze hervor und donnere den Seelenver¬ kaͤufer an, daß er ſich unterfange, dieſen Sitz der Aufklaͤrung mit der peſtilenzialiſchen Finſterniß des Mittelalters zu verduͤſtern et cetera. Unterdeß fing auch uͤber meiner Rede ein Hund in der Naͤhe zu bel¬ len an, einige Perſonen bewegten ſich von fern zwi¬ ſchen den Baͤumen, die Ueberraſchten wurden immer verlegener, ich fuhr in meinen Ermahnungen immer nachdruͤcklicher fort. Aber was geſchieht? Der Kerl von Jeſuit packt mich auf einmal von hinten, der an¬ dere an den Fuͤßen, daß ich die Balance verliere, ſo werfen ſie mich in eine verfluchte Kaleſche am Gebuͤſch, die ich vorher gar nicht bemerkt hatte, ſchwingen ſich mit herauf, der Kutſcher peitſcht in die Pferde und fort geht es uͤber Stock und Stein in die finſtere Nacht hinein. — Als ich wieder zu mir ſelbſt kam, fand ich mit Vergnuͤgen, daß meine Pfeife in der Con¬ fuſion nicht ausgegangen war, auch hatte ich den Tag uͤber viel geſeſſen, etwas Motion konnte nicht ſchaden, die Nacht war ſchoͤn, kein Menſch oder Dorf in der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0211"n="204"/>
nicht zu faul, lenke ſogleich meine Schritte dahin, ar¬<lb/>
beite mich durch Strauch und Dorn immer tiefer nach,<lb/>
und was erblick' ich?! — Unter einer hohen Linde im<lb/>
daͤmmernden Mondſchein ſteht der Emiſſair in erhabe¬<lb/>
ner Stellung, neben ihm ein ſehr junger Menſch, der<lb/>ſo eben, die rechte Hand zum Himmel gereckt, einen<lb/>
feierlichen Schwur ablegt. Nun halt' ich mich nicht<lb/>
laͤnger, ich ſtuͤrze hervor und donnere den Seelenver¬<lb/>
kaͤufer an, daß er ſich unterfange, dieſen Sitz der<lb/>
Aufklaͤrung mit der peſtilenzialiſchen Finſterniß des<lb/>
Mittelalters zu verduͤſtern <hirendition="#aq">et cetera</hi>. Unterdeß fing<lb/>
auch uͤber meiner Rede ein Hund in der Naͤhe zu bel¬<lb/>
len an, einige Perſonen bewegten ſich von fern zwi¬<lb/>ſchen den Baͤumen, die Ueberraſchten wurden immer<lb/>
verlegener, ich fuhr in meinen Ermahnungen immer<lb/>
nachdruͤcklicher fort. Aber was geſchieht? Der Kerl<lb/>
von Jeſuit packt mich auf einmal von hinten, der an¬<lb/>
dere an den Fuͤßen, daß ich die Balance verliere, ſo<lb/>
werfen ſie mich in eine verfluchte Kaleſche am Gebuͤſch,<lb/>
die ich vorher gar nicht bemerkt hatte, ſchwingen ſich<lb/>
mit herauf, der Kutſcher peitſcht in die Pferde und<lb/>
fort geht es uͤber Stock und Stein in die finſtere<lb/>
Nacht hinein. — Als ich wieder zu mir ſelbſt kam,<lb/>
fand ich mit Vergnuͤgen, daß meine Pfeife in der Con¬<lb/>
fuſion nicht ausgegangen war, auch hatte ich den Tag<lb/>
uͤber viel geſeſſen, etwas Motion konnte nicht ſchaden,<lb/>
die Nacht war ſchoͤn, kein Menſch oder Dorf in der<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[204/0211]
nicht zu faul, lenke ſogleich meine Schritte dahin, ar¬
beite mich durch Strauch und Dorn immer tiefer nach,
und was erblick' ich?! — Unter einer hohen Linde im
daͤmmernden Mondſchein ſteht der Emiſſair in erhabe¬
ner Stellung, neben ihm ein ſehr junger Menſch, der
ſo eben, die rechte Hand zum Himmel gereckt, einen
feierlichen Schwur ablegt. Nun halt' ich mich nicht
laͤnger, ich ſtuͤrze hervor und donnere den Seelenver¬
kaͤufer an, daß er ſich unterfange, dieſen Sitz der
Aufklaͤrung mit der peſtilenzialiſchen Finſterniß des
Mittelalters zu verduͤſtern et cetera. Unterdeß fing
auch uͤber meiner Rede ein Hund in der Naͤhe zu bel¬
len an, einige Perſonen bewegten ſich von fern zwi¬
ſchen den Baͤumen, die Ueberraſchten wurden immer
verlegener, ich fuhr in meinen Ermahnungen immer
nachdruͤcklicher fort. Aber was geſchieht? Der Kerl
von Jeſuit packt mich auf einmal von hinten, der an¬
dere an den Fuͤßen, daß ich die Balance verliere, ſo
werfen ſie mich in eine verfluchte Kaleſche am Gebuͤſch,
die ich vorher gar nicht bemerkt hatte, ſchwingen ſich
mit herauf, der Kutſcher peitſcht in die Pferde und
fort geht es uͤber Stock und Stein in die finſtere
Nacht hinein. — Als ich wieder zu mir ſelbſt kam,
fand ich mit Vergnuͤgen, daß meine Pfeife in der Con¬
fuſion nicht ausgegangen war, auch hatte ich den Tag
uͤber viel geſeſſen, etwas Motion konnte nicht ſchaden,
die Nacht war ſchoͤn, kein Menſch oder Dorf in der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/211>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.