darüber seine deutschen Freunde fast ganz vernachläs¬ sigt. Er freute sich daher recht, als eines Tages Otto unerwartet gegen Abend zu ihm in's Zimmer trat, und bestürmte ihn sogleich mit Fragen nach Hohenstein, dessen grüne Stille mit allen ihren geliebten Personen ihm bei des Studenten Anblick wieder einmal ganz lebendig wurde. Aber zu seiner Verwunderung beant¬ wortete Otto alles nur obenhin, ausweichend und bei¬ nahe verlegen. Dagegen schien ihn irgend eine gegen¬ wärtige große Freude zu drängen, seinem Herzen Luft zu machen. Gegen seine sonstige, zurückhaltende Ge¬ wohnheit theilte er unaufgefordert mehrere so eben voll¬ endete Gedichte mit, sprach voll fröhlicher Zuversicht von seinen Plänen zu künftigen großen Arbeiten, und entwickelte einen solchen bunten Reichthum der Seele, daß Fortunat wie in ein Kaleidoscop hineinzusehen glaubte.
Draußen wehte es unterdeß schon wieder kühl über die Stadt, sie machten noch einen Gang in's Freie und Otto, sein Gespräch leidenschaftlich fort¬ setzend, führte den Freund zwischen kleinen Häusern und Weinbergen unvermerkt in eine schöne, abgelegene Ge¬ gend hinaus, die Fortunat noch nicht kannte. Garten stieß an Garten, ein unübersehbares blühendes Paradies mit zierlichen Villen und Balkonen, auf denen manche schlanke Gestalt zwischen den Wipfeln erschien, alles von der untergehenden Sonne zauberhaft durchblitzt
daruͤber ſeine deutſchen Freunde faſt ganz vernachlaͤſ¬ ſigt. Er freute ſich daher recht, als eines Tages Otto unerwartet gegen Abend zu ihm in's Zimmer trat, und beſtuͤrmte ihn ſogleich mit Fragen nach Hohenſtein, deſſen gruͤne Stille mit allen ihren geliebten Perſonen ihm bei des Studenten Anblick wieder einmal ganz lebendig wurde. Aber zu ſeiner Verwunderung beant¬ wortete Otto alles nur obenhin, ausweichend und bei¬ nahe verlegen. Dagegen ſchien ihn irgend eine gegen¬ waͤrtige große Freude zu draͤngen, ſeinem Herzen Luft zu machen. Gegen ſeine ſonſtige, zuruͤckhaltende Ge¬ wohnheit theilte er unaufgefordert mehrere ſo eben voll¬ endete Gedichte mit, ſprach voll froͤhlicher Zuverſicht von ſeinen Plaͤnen zu kuͤnftigen großen Arbeiten, und entwickelte einen ſolchen bunten Reichthum der Seele, daß Fortunat wie in ein Kaleidoſcop hineinzuſehen glaubte.
Draußen wehte es unterdeß ſchon wieder kuͤhl uͤber die Stadt, ſie machten noch einen Gang in's Freie und Otto, ſein Geſpraͤch leidenſchaftlich fort¬ ſetzend, fuͤhrte den Freund zwiſchen kleinen Haͤuſern und Weinbergen unvermerkt in eine ſchoͤne, abgelegene Ge¬ gend hinaus, die Fortunat noch nicht kannte. Garten ſtieß an Garten, ein unuͤberſehbares bluͤhendes Paradies mit zierlichen Villen und Balkonen, auf denen manche ſchlanke Geſtalt zwiſchen den Wipfeln erſchien, alles von der untergehenden Sonne zauberhaft durchblitzt
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daruͤber ſeine deutſchen Freunde faſt ganz vernachlaͤſ¬
ſigt. Er freute ſich daher recht, als eines Tages Otto
unerwartet gegen Abend zu ihm in's Zimmer trat, und
beſtuͤrmte ihn ſogleich mit Fragen nach Hohenſtein,
deſſen gruͤne Stille mit allen ihren geliebten Perſonen
ihm bei des Studenten Anblick wieder einmal ganz
lebendig wurde. Aber zu ſeiner Verwunderung beant¬
wortete Otto alles nur obenhin, ausweichend und bei¬
nahe verlegen. Dagegen ſchien ihn irgend eine gegen¬
waͤrtige große Freude zu draͤngen, ſeinem Herzen Luft
zu machen. Gegen ſeine ſonſtige, zuruͤckhaltende Ge¬
wohnheit theilte er unaufgefordert mehrere ſo eben voll¬
endete Gedichte mit, ſprach voll froͤhlicher Zuverſicht
von ſeinen Plaͤnen zu kuͤnftigen großen Arbeiten, und
entwickelte einen ſolchen bunten Reichthum der Seele,
daß Fortunat wie in ein Kaleidoſcop hineinzuſehen
glaubte.
Draußen wehte es unterdeß ſchon wieder kuͤhl
uͤber die Stadt, ſie machten noch einen Gang in's
Freie und Otto, ſein Geſpraͤch leidenſchaftlich fort¬
ſetzend, fuͤhrte den Freund zwiſchen kleinen Haͤuſern und
Weinbergen unvermerkt in eine ſchoͤne, abgelegene Ge¬
gend hinaus, die Fortunat noch nicht kannte. Garten
ſtieß an Garten, ein unuͤberſehbares bluͤhendes Paradies
mit zierlichen Villen und Balkonen, auf denen manche
ſchlanke Geſtalt zwiſchen den Wipfeln erſchien, alles
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/227>, abgerufen am 24.11.2024.
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