gestern dort vergessen, aber sie wurde über und über roth dabei. -- Einmal kam er spät des Abends von einer Wanderung zurück, als er im Garten noch singen hörte, er meinte Fiametta's Stimme zu erkennen und wollte ihr noch eine gute Nacht sagen. Da war's ihm, als säh' er ihr Figürchen, verstohlen winkend und flüsternd, bald hier bald dort durch das Gebüsch schimmern, er folgte immer eifriger durch Hecken und Dorn in eine ganz unbekannte Gegend des Gartens hinein, die schadenfrohen Nesseln stichelten auf seine seidenen Strümpfe, Eidechsen schlüpften überall neu¬ gierig durch das Gestrüpp. Plötzlich stand er vor einem Gartenhause, die Thür war fest zu, durch die geschlossenen Jalousien aber glaubte er im Mondschein flüchtig zwei frische Augen funkeln zu sehen. Sonst war alles still im ganzen Garten und beschämt und verdrießlich wanderte er wieder nach dem alten Schlosse zurück. -- Aber es half ihm nichts, der Mor¬ gen kam doch wieder und das liebliche Stimmchen mit ihm wie ein Zaubervogel im Walde, der ihn neckend immer tiefer in das grüne Labyrinth verlockte, von dem kein Ende abzusehen war.
So waren mehrere Wochen vergangen, Fortunat hatte, um sich alle Liebesthorheit aus dem Sinn zu schlagen, sich endlich mit einer Art von Wuth auf die Sehenswürdigkeiten der Stadt geworfen, mancherlei Studien und Ausflüge in die Umgegend gemacht, und
geſtern dort vergeſſen, aber ſie wurde uͤber und uͤber roth dabei. — Einmal kam er ſpaͤt des Abends von einer Wanderung zuruͤck, als er im Garten noch ſingen hoͤrte, er meinte Fiametta's Stimme zu erkennen und wollte ihr noch eine gute Nacht ſagen. Da war's ihm, als ſaͤh' er ihr Figuͤrchen, verſtohlen winkend und fluͤſternd, bald hier bald dort durch das Gebuͤſch ſchimmern, er folgte immer eifriger durch Hecken und Dorn in eine ganz unbekannte Gegend des Gartens hinein, die ſchadenfrohen Neſſeln ſtichelten auf ſeine ſeidenen Struͤmpfe, Eidechſen ſchluͤpften uͤberall neu¬ gierig durch das Geſtruͤpp. Ploͤtzlich ſtand er vor einem Gartenhauſe, die Thuͤr war feſt zu, durch die geſchloſſenen Jalouſien aber glaubte er im Mondſchein fluͤchtig zwei friſche Augen funkeln zu ſehen. Sonſt war alles ſtill im ganzen Garten und beſchaͤmt und verdrießlich wanderte er wieder nach dem alten Schloſſe zuruͤck. — Aber es half ihm nichts, der Mor¬ gen kam doch wieder und das liebliche Stimmchen mit ihm wie ein Zaubervogel im Walde, der ihn neckend immer tiefer in das gruͤne Labyrinth verlockte, von dem kein Ende abzuſehen war.
So waren mehrere Wochen vergangen, Fortunat hatte, um ſich alle Liebesthorheit aus dem Sinn zu ſchlagen, ſich endlich mit einer Art von Wuth auf die Sehenswuͤrdigkeiten der Stadt geworfen, mancherlei Studien und Ausfluͤge in die Umgegend gemacht, und
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geſtern dort vergeſſen, aber ſie wurde uͤber und uͤber
roth dabei. — Einmal kam er ſpaͤt des Abends von
einer Wanderung zuruͤck, als er im Garten noch ſingen
hoͤrte, er meinte Fiametta's Stimme zu erkennen und
wollte ihr noch eine gute Nacht ſagen. Da war's
ihm, als ſaͤh' er ihr Figuͤrchen, verſtohlen winkend
und fluͤſternd, bald hier bald dort durch das Gebuͤſch
ſchimmern, er folgte immer eifriger durch Hecken und
Dorn in eine ganz unbekannte Gegend des Gartens
hinein, die ſchadenfrohen Neſſeln ſtichelten auf ſeine
ſeidenen Struͤmpfe, Eidechſen ſchluͤpften uͤberall neu¬
gierig durch das Geſtruͤpp. Ploͤtzlich ſtand er vor
einem Gartenhauſe, die Thuͤr war feſt zu, durch die
geſchloſſenen Jalouſien aber glaubte er im Mondſchein
fluͤchtig zwei friſche Augen funkeln zu ſehen. Sonſt
war alles ſtill im ganzen Garten und beſchaͤmt
und verdrießlich wanderte er wieder nach dem alten
Schloſſe zuruͤck. — Aber es half ihm nichts, der Mor¬
gen kam doch wieder und das liebliche Stimmchen mit
ihm wie ein Zaubervogel im Walde, der ihn neckend
immer tiefer in das gruͤne Labyrinth verlockte, von
dem kein Ende abzuſehen war.
So waren mehrere Wochen vergangen, Fortunat
hatte, um ſich alle Liebesthorheit aus dem Sinn zu
ſchlagen, ſich endlich mit einer Art von Wuth auf die
Sehenswuͤrdigkeiten der Stadt geworfen, mancherlei
Studien und Ausfluͤge in die Umgegend gemacht, und
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/226>, abgerufen am 24.11.2024.
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