o ja, ich will ja auch lustig seyn, daß mir das Herz zerspringt! -- Aber wie es in solchen Fällen wohl geht, Annidi hatte ihn ganz mißverstanden. -- Wahr¬ haftig -- sagte sie, vertraulich näher tretend -- du magerst mir ganz ab bei dem Leben, und ich wollt' es dir schon lange einmal sagen: so fleißig wie du bist, es kann dir ja doch am Ende einerlei seyn, was du schreibst. Da ist der junge Schreiber uns gegen¬ über, du schreibst eine bessere Hand, als er, das sagen alle, und was verdient der, wie lebt der gegen uns! --
Da kam die Mutter mit dem Thee, Otto wies sie so heftig von sich, daß Kanne und Tassen über¬ einanderstürzten. Das kommt von dem ewigen Sitzen und Brüten, sagte der erstaunte Vater in der Haus¬ thür. -- Ja, und jede Henne brütet doch mehr aus für's Haus als er, brummte die Mutter. Otto aber, um nur aus alle dem Plunder herauszukommen, war schon aus dem Garten und Hause fort und schweifte, so müde er war, in der Abendkühle durch die Gassen und dunkelnden Felder, bis die Nacht völlig hereinbrach.
Als er zurückkehrte, war schon alles still im Hause, es ärgerte ihn heimlich, daß Annidi nicht be¬ sorgter war um ihn. Er fand sie droben eingeschlafen, der Mondschein machte ihre Züge so mild, ach und sie war so schön! Da blickte er durch's offene Fenster über die Dächer in die mondbeglänzten Abgründe der Stadt hinab, einzelne Wolken flogen darüber nach
o ja, ich will ja auch luſtig ſeyn, daß mir das Herz zerſpringt! — Aber wie es in ſolchen Faͤllen wohl geht, Annidi hatte ihn ganz mißverſtanden. — Wahr¬ haftig — ſagte ſie, vertraulich naͤher tretend — du magerſt mir ganz ab bei dem Leben, und ich wollt' es dir ſchon lange einmal ſagen: ſo fleißig wie du biſt, es kann dir ja doch am Ende einerlei ſeyn, was du ſchreibſt. Da iſt der junge Schreiber uns gegen¬ uͤber, du ſchreibſt eine beſſere Hand, als er, das ſagen alle, und was verdient der, wie lebt der gegen uns! —
Da kam die Mutter mit dem Thee, Otto wies ſie ſo heftig von ſich, daß Kanne und Taſſen uͤber¬ einanderſtuͤrzten. Das kommt von dem ewigen Sitzen und Bruͤten, ſagte der erſtaunte Vater in der Haus¬ thuͤr. — Ja, und jede Henne bruͤtet doch mehr aus fuͤr's Haus als er, brummte die Mutter. Otto aber, um nur aus alle dem Plunder herauszukommen, war ſchon aus dem Garten und Hauſe fort und ſchweifte, ſo muͤde er war, in der Abendkuͤhle durch die Gaſſen und dunkelnden Felder, bis die Nacht voͤllig hereinbrach.
Als er zuruͤckkehrte, war ſchon alles ſtill im Hauſe, es aͤrgerte ihn heimlich, daß Annidi nicht be¬ ſorgter war um ihn. Er fand ſie droben eingeſchlafen, der Mondſchein machte ihre Zuͤge ſo mild, ach und ſie war ſo ſchoͤn! Da blickte er durch's offene Fenſter uͤber die Daͤcher in die mondbeglaͤnzten Abgruͤnde der Stadt hinab, einzelne Wolken flogen daruͤber nach
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0237"n="230"/>
o ja, ich will ja auch luſtig ſeyn, daß mir das Herz<lb/>
zerſpringt! — Aber wie es in ſolchen Faͤllen wohl<lb/>
geht, Annidi hatte ihn ganz mißverſtanden. — Wahr¬<lb/>
haftig —ſagte ſie, vertraulich naͤher tretend — du<lb/>
magerſt mir ganz ab bei dem Leben, und ich wollt'<lb/>
es dir ſchon lange einmal ſagen: ſo fleißig wie du<lb/>
biſt, es kann dir ja doch am Ende einerlei ſeyn, was<lb/>
du ſchreibſt. Da iſt der junge Schreiber uns gegen¬<lb/>
uͤber, du ſchreibſt eine beſſere Hand, als er, das ſagen<lb/>
alle, und was verdient der, wie lebt der gegen uns! —</p><lb/><p>Da kam die Mutter mit dem Thee, Otto wies<lb/>ſie ſo heftig von ſich, daß Kanne und Taſſen uͤber¬<lb/>
einanderſtuͤrzten. Das kommt von dem ewigen Sitzen<lb/>
und Bruͤten, ſagte der erſtaunte Vater in der Haus¬<lb/>
thuͤr. — Ja, und jede Henne bruͤtet doch mehr aus<lb/>
fuͤr's Haus als er, brummte die Mutter. Otto aber,<lb/>
um nur aus alle dem Plunder herauszukommen, war<lb/>ſchon aus dem Garten und Hauſe fort und ſchweifte,<lb/>ſo muͤde er war, in der Abendkuͤhle durch die Gaſſen<lb/>
und dunkelnden Felder, bis die Nacht voͤllig hereinbrach.</p><lb/><p>Als er zuruͤckkehrte, war ſchon alles ſtill im<lb/>
Hauſe, es aͤrgerte ihn heimlich, daß Annidi nicht be¬<lb/>ſorgter war um ihn. Er fand ſie droben eingeſchlafen,<lb/>
der Mondſchein machte ihre Zuͤge ſo mild, ach und ſie<lb/>
war ſo ſchoͤn! Da blickte er durch's offene Fenſter<lb/>
uͤber die Daͤcher in die mondbeglaͤnzten Abgruͤnde der<lb/>
Stadt hinab, einzelne Wolken flogen daruͤber nach<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[230/0237]
o ja, ich will ja auch luſtig ſeyn, daß mir das Herz
zerſpringt! — Aber wie es in ſolchen Faͤllen wohl
geht, Annidi hatte ihn ganz mißverſtanden. — Wahr¬
haftig — ſagte ſie, vertraulich naͤher tretend — du
magerſt mir ganz ab bei dem Leben, und ich wollt'
es dir ſchon lange einmal ſagen: ſo fleißig wie du
biſt, es kann dir ja doch am Ende einerlei ſeyn, was
du ſchreibſt. Da iſt der junge Schreiber uns gegen¬
uͤber, du ſchreibſt eine beſſere Hand, als er, das ſagen
alle, und was verdient der, wie lebt der gegen uns! —
Da kam die Mutter mit dem Thee, Otto wies
ſie ſo heftig von ſich, daß Kanne und Taſſen uͤber¬
einanderſtuͤrzten. Das kommt von dem ewigen Sitzen
und Bruͤten, ſagte der erſtaunte Vater in der Haus¬
thuͤr. — Ja, und jede Henne bruͤtet doch mehr aus
fuͤr's Haus als er, brummte die Mutter. Otto aber,
um nur aus alle dem Plunder herauszukommen, war
ſchon aus dem Garten und Hauſe fort und ſchweifte,
ſo muͤde er war, in der Abendkuͤhle durch die Gaſſen
und dunkelnden Felder, bis die Nacht voͤllig hereinbrach.
Als er zuruͤckkehrte, war ſchon alles ſtill im
Hauſe, es aͤrgerte ihn heimlich, daß Annidi nicht be¬
ſorgter war um ihn. Er fand ſie droben eingeſchlafen,
der Mondſchein machte ihre Zuͤge ſo mild, ach und ſie
war ſo ſchoͤn! Da blickte er durch's offene Fenſter
uͤber die Daͤcher in die mondbeglaͤnzten Abgruͤnde der
Stadt hinab, einzelne Wolken flogen daruͤber nach
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/237>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.