Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

o ja, ich will ja auch lustig seyn, daß mir das Herz
zerspringt! -- Aber wie es in solchen Fällen wohl
geht, Annidi hatte ihn ganz mißverstanden. -- Wahr¬
haftig -- sagte sie, vertraulich näher tretend -- du
magerst mir ganz ab bei dem Leben, und ich wollt'
es dir schon lange einmal sagen: so fleißig wie du
bist, es kann dir ja doch am Ende einerlei seyn, was
du schreibst. Da ist der junge Schreiber uns gegen¬
über, du schreibst eine bessere Hand, als er, das sagen
alle, und was verdient der, wie lebt der gegen uns! --

Da kam die Mutter mit dem Thee, Otto wies
sie so heftig von sich, daß Kanne und Tassen über¬
einanderstürzten. Das kommt von dem ewigen Sitzen
und Brüten, sagte der erstaunte Vater in der Haus¬
thür. -- Ja, und jede Henne brütet doch mehr aus
für's Haus als er, brummte die Mutter. Otto aber,
um nur aus alle dem Plunder herauszukommen, war
schon aus dem Garten und Hause fort und schweifte,
so müde er war, in der Abendkühle durch die Gassen
und dunkelnden Felder, bis die Nacht völlig hereinbrach.

Als er zurückkehrte, war schon alles still im
Hause, es ärgerte ihn heimlich, daß Annidi nicht be¬
sorgter war um ihn. Er fand sie droben eingeschlafen,
der Mondschein machte ihre Züge so mild, ach und sie
war so schön! Da blickte er durch's offene Fenster
über die Dächer in die mondbeglänzten Abgründe der
Stadt hinab, einzelne Wolken flogen darüber nach

o ja, ich will ja auch luſtig ſeyn, daß mir das Herz
zerſpringt! — Aber wie es in ſolchen Faͤllen wohl
geht, Annidi hatte ihn ganz mißverſtanden. — Wahr¬
haftig — ſagte ſie, vertraulich naͤher tretend — du
magerſt mir ganz ab bei dem Leben, und ich wollt'
es dir ſchon lange einmal ſagen: ſo fleißig wie du
biſt, es kann dir ja doch am Ende einerlei ſeyn, was
du ſchreibſt. Da iſt der junge Schreiber uns gegen¬
uͤber, du ſchreibſt eine beſſere Hand, als er, das ſagen
alle, und was verdient der, wie lebt der gegen uns! —

Da kam die Mutter mit dem Thee, Otto wies
ſie ſo heftig von ſich, daß Kanne und Taſſen uͤber¬
einanderſtuͤrzten. Das kommt von dem ewigen Sitzen
und Bruͤten, ſagte der erſtaunte Vater in der Haus¬
thuͤr. — Ja, und jede Henne bruͤtet doch mehr aus
fuͤr's Haus als er, brummte die Mutter. Otto aber,
um nur aus alle dem Plunder herauszukommen, war
ſchon aus dem Garten und Hauſe fort und ſchweifte,
ſo muͤde er war, in der Abendkuͤhle durch die Gaſſen
und dunkelnden Felder, bis die Nacht voͤllig hereinbrach.

Als er zuruͤckkehrte, war ſchon alles ſtill im
Hauſe, es aͤrgerte ihn heimlich, daß Annidi nicht be¬
ſorgter war um ihn. Er fand ſie droben eingeſchlafen,
der Mondſchein machte ihre Zuͤge ſo mild, ach und ſie
war ſo ſchoͤn! Da blickte er durch's offene Fenſter
uͤber die Daͤcher in die mondbeglaͤnzten Abgruͤnde der
Stadt hinab, einzelne Wolken flogen daruͤber nach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0237" n="230"/>
o ja, ich will ja auch lu&#x017F;tig &#x017F;eyn, daß mir das Herz<lb/>
zer&#x017F;pringt! &#x2014; Aber wie es in &#x017F;olchen Fa&#x0364;llen wohl<lb/>
geht, Annidi hatte ihn ganz mißver&#x017F;tanden. &#x2014; Wahr¬<lb/>
haftig &#x2014; &#x017F;agte &#x017F;ie, vertraulich na&#x0364;her tretend &#x2014; du<lb/>
mager&#x017F;t mir ganz ab bei dem Leben, und ich wollt'<lb/>
es dir &#x017F;chon lange einmal &#x017F;agen: &#x017F;o fleißig wie du<lb/>
bi&#x017F;t, es kann dir ja doch am Ende einerlei &#x017F;eyn, was<lb/>
du &#x017F;chreib&#x017F;t. Da i&#x017F;t der junge Schreiber uns gegen¬<lb/>
u&#x0364;ber, du &#x017F;chreib&#x017F;t eine be&#x017F;&#x017F;ere Hand, als er, das &#x017F;agen<lb/>
alle, und was verdient der, wie lebt der gegen uns! &#x2014;</p><lb/>
          <p>Da kam die Mutter mit dem Thee, Otto wies<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;o heftig von &#x017F;ich, daß Kanne und Ta&#x017F;&#x017F;en u&#x0364;ber¬<lb/>
einander&#x017F;tu&#x0364;rzten. Das kommt von dem ewigen Sitzen<lb/>
und Bru&#x0364;ten, &#x017F;agte der er&#x017F;taunte Vater in der Haus¬<lb/>
thu&#x0364;r. &#x2014; Ja, und jede Henne bru&#x0364;tet doch mehr aus<lb/>
fu&#x0364;r's Haus als er, brummte die Mutter. Otto aber,<lb/>
um nur aus alle dem Plunder herauszukommen, war<lb/>
&#x017F;chon aus dem Garten und Hau&#x017F;e fort und &#x017F;chweifte,<lb/>
&#x017F;o mu&#x0364;de er war, in der Abendku&#x0364;hle durch die Ga&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und dunkelnden Felder, bis die Nacht vo&#x0364;llig hereinbrach.</p><lb/>
          <p>Als er zuru&#x0364;ckkehrte, war &#x017F;chon alles &#x017F;till im<lb/>
Hau&#x017F;e, es a&#x0364;rgerte ihn heimlich, daß Annidi nicht be¬<lb/>
&#x017F;orgter war um ihn. Er fand &#x017F;ie droben einge&#x017F;chlafen,<lb/>
der Mond&#x017F;chein machte ihre Zu&#x0364;ge &#x017F;o mild, ach und &#x017F;ie<lb/>
war &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n! Da blickte er durch's offene Fen&#x017F;ter<lb/>
u&#x0364;ber die Da&#x0364;cher in die mondbegla&#x0364;nzten Abgru&#x0364;nde der<lb/>
Stadt hinab, einzelne Wolken flogen daru&#x0364;ber nach<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0237] o ja, ich will ja auch luſtig ſeyn, daß mir das Herz zerſpringt! — Aber wie es in ſolchen Faͤllen wohl geht, Annidi hatte ihn ganz mißverſtanden. — Wahr¬ haftig — ſagte ſie, vertraulich naͤher tretend — du magerſt mir ganz ab bei dem Leben, und ich wollt' es dir ſchon lange einmal ſagen: ſo fleißig wie du biſt, es kann dir ja doch am Ende einerlei ſeyn, was du ſchreibſt. Da iſt der junge Schreiber uns gegen¬ uͤber, du ſchreibſt eine beſſere Hand, als er, das ſagen alle, und was verdient der, wie lebt der gegen uns! — Da kam die Mutter mit dem Thee, Otto wies ſie ſo heftig von ſich, daß Kanne und Taſſen uͤber¬ einanderſtuͤrzten. Das kommt von dem ewigen Sitzen und Bruͤten, ſagte der erſtaunte Vater in der Haus¬ thuͤr. — Ja, und jede Henne bruͤtet doch mehr aus fuͤr's Haus als er, brummte die Mutter. Otto aber, um nur aus alle dem Plunder herauszukommen, war ſchon aus dem Garten und Hauſe fort und ſchweifte, ſo muͤde er war, in der Abendkuͤhle durch die Gaſſen und dunkelnden Felder, bis die Nacht voͤllig hereinbrach. Als er zuruͤckkehrte, war ſchon alles ſtill im Hauſe, es aͤrgerte ihn heimlich, daß Annidi nicht be¬ ſorgter war um ihn. Er fand ſie droben eingeſchlafen, der Mondſchein machte ihre Zuͤge ſo mild, ach und ſie war ſo ſchoͤn! Da blickte er durch's offene Fenſter uͤber die Daͤcher in die mondbeglaͤnzten Abgruͤnde der Stadt hinab, einzelne Wolken flogen daruͤber nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/237
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/237>, abgerufen am 21.11.2024.