Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

und schon die folgende Nacht segelt' er selber hinüber.
Und so geschah es, daß aus demselben Morgenroth, in
welchem Rom hinter Otto versank, die Gärten, Trüm¬
mer und Kuppeln vor dem glückseligen Fortunat duftig
wieder emporstiegen.

Sein erster Gang war zu dem Palast des Mar¬
chese, mit klopfendem Herzen betrat er den stillen Hof.
Er horchte, ob sich nicht irgendwo Fiametta's heitere
Stimme vernehmen ließe, doch alles blieb lautlos, wie
ausgestorben. So ging er durch die offene, luftige
Säulenhalle in den Garten. Da sangen die Vögel
und rauschten die Brunnen noch immer wie damals.
Aber an der Hauptallee sah er Wäsche zum Trocknen
aufgehängt, einzelne Ziegen weideten ungestört zwischen
den verwilderten Blumenbeeten. Endlich glaubte er in
einiger Entfernung Deutsch reden zu hören. Er ging
dem Klange nach, und begegnete einem alten, unbe¬
kannten, etwas schäbigen Diener. Hastig fragte er
nach dem Marchese A. und seiner Tochter. Der Alte
sah ihn von oben bis unten an, und sagte dann ver¬
drießlich: dieser Palast sey von einem deutschen Kava¬
lier bewohnt. Fortunat war wie im Traum. -- Er
verlangte nun, den Herrn zu sprechen. Der Bediente
wies schweigend nach einer Laube, und ging fort, ohne
sich weiter um den Gast zu bekümmern.

Hellen Halses aber mußte nun Fortunat aufla¬
chen, als er in die bezeichnete Laube trat und in dem

16

und ſchon die folgende Nacht ſegelt' er ſelber hinuͤber.
Und ſo geſchah es, daß aus demſelben Morgenroth, in
welchem Rom hinter Otto verſank, die Gaͤrten, Truͤm¬
mer und Kuppeln vor dem gluͤckſeligen Fortunat duftig
wieder emporſtiegen.

Sein erſter Gang war zu dem Palaſt des Mar¬
cheſe, mit klopfendem Herzen betrat er den ſtillen Hof.
Er horchte, ob ſich nicht irgendwo Fiametta's heitere
Stimme vernehmen ließe, doch alles blieb lautlos, wie
ausgeſtorben. So ging er durch die offene, luftige
Saͤulenhalle in den Garten. Da ſangen die Voͤgel
und rauſchten die Brunnen noch immer wie damals.
Aber an der Hauptallee ſah er Waͤſche zum Trocknen
aufgehaͤngt, einzelne Ziegen weideten ungeſtoͤrt zwiſchen
den verwilderten Blumenbeeten. Endlich glaubte er in
einiger Entfernung Deutſch reden zu hoͤren. Er ging
dem Klange nach, und begegnete einem alten, unbe¬
kannten, etwas ſchaͤbigen Diener. Haſtig fragte er
nach dem Marcheſe A. und ſeiner Tochter. Der Alte
ſah ihn von oben bis unten an, und ſagte dann ver¬
drießlich: dieſer Palaſt ſey von einem deutſchen Kava¬
lier bewohnt. Fortunat war wie im Traum. — Er
verlangte nun, den Herrn zu ſprechen. Der Bediente
wies ſchweigend nach einer Laube, und ging fort, ohne
ſich weiter um den Gaſt zu bekuͤmmern.

Hellen Halſes aber mußte nun Fortunat aufla¬
chen, als er in die bezeichnete Laube trat und in dem

16
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0248" n="241"/>
und &#x017F;chon die folgende Nacht &#x017F;egelt' er &#x017F;elber hinu&#x0364;ber.<lb/>
Und &#x017F;o ge&#x017F;chah es, daß aus dem&#x017F;elben Morgenroth, in<lb/>
welchem Rom hinter Otto ver&#x017F;ank, die Ga&#x0364;rten, Tru&#x0364;<lb/>
mer und Kuppeln vor dem glu&#x0364;ck&#x017F;eligen Fortunat duftig<lb/>
wieder empor&#x017F;tiegen.</p><lb/>
          <p>Sein er&#x017F;ter Gang war zu dem Pala&#x017F;t des Mar¬<lb/>
che&#x017F;e, mit klopfendem Herzen betrat er den &#x017F;tillen Hof.<lb/>
Er horchte, ob &#x017F;ich nicht irgendwo Fiametta's heitere<lb/>
Stimme vernehmen ließe, doch alles blieb lautlos, wie<lb/>
ausge&#x017F;torben. So ging er durch die offene, luftige<lb/>
Sa&#x0364;ulenhalle in den Garten. Da &#x017F;angen die Vo&#x0364;gel<lb/>
und rau&#x017F;chten die Brunnen noch immer wie damals.<lb/>
Aber an der Hauptallee &#x017F;ah er Wa&#x0364;&#x017F;che zum Trocknen<lb/>
aufgeha&#x0364;ngt, einzelne Ziegen weideten unge&#x017F;to&#x0364;rt zwi&#x017F;chen<lb/>
den verwilderten Blumenbeeten. Endlich glaubte er in<lb/>
einiger Entfernung Deut&#x017F;ch reden zu ho&#x0364;ren. Er ging<lb/>
dem Klange nach, und begegnete einem alten, unbe¬<lb/>
kannten, etwas &#x017F;cha&#x0364;bigen Diener. Ha&#x017F;tig fragte er<lb/>
nach dem Marche&#x017F;e A. und &#x017F;einer Tochter. Der Alte<lb/>
&#x017F;ah ihn von oben bis unten an, und &#x017F;agte dann ver¬<lb/>
drießlich: die&#x017F;er Pala&#x017F;t &#x017F;ey von einem deut&#x017F;chen Kava¬<lb/>
lier bewohnt. Fortunat war wie im Traum. &#x2014; Er<lb/>
verlangte nun, den Herrn zu &#x017F;prechen. Der Bediente<lb/>
wies &#x017F;chweigend nach einer Laube, und ging fort, ohne<lb/>
&#x017F;ich weiter um den Ga&#x017F;t zu beku&#x0364;mmern.</p><lb/>
          <p>Hellen Hal&#x017F;es aber mußte nun Fortunat aufla¬<lb/>
chen, als er in die bezeichnete Laube trat und in dem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">16<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[241/0248] und ſchon die folgende Nacht ſegelt' er ſelber hinuͤber. Und ſo geſchah es, daß aus demſelben Morgenroth, in welchem Rom hinter Otto verſank, die Gaͤrten, Truͤm¬ mer und Kuppeln vor dem gluͤckſeligen Fortunat duftig wieder emporſtiegen. Sein erſter Gang war zu dem Palaſt des Mar¬ cheſe, mit klopfendem Herzen betrat er den ſtillen Hof. Er horchte, ob ſich nicht irgendwo Fiametta's heitere Stimme vernehmen ließe, doch alles blieb lautlos, wie ausgeſtorben. So ging er durch die offene, luftige Saͤulenhalle in den Garten. Da ſangen die Voͤgel und rauſchten die Brunnen noch immer wie damals. Aber an der Hauptallee ſah er Waͤſche zum Trocknen aufgehaͤngt, einzelne Ziegen weideten ungeſtoͤrt zwiſchen den verwilderten Blumenbeeten. Endlich glaubte er in einiger Entfernung Deutſch reden zu hoͤren. Er ging dem Klange nach, und begegnete einem alten, unbe¬ kannten, etwas ſchaͤbigen Diener. Haſtig fragte er nach dem Marcheſe A. und ſeiner Tochter. Der Alte ſah ihn von oben bis unten an, und ſagte dann ver¬ drießlich: dieſer Palaſt ſey von einem deutſchen Kava¬ lier bewohnt. Fortunat war wie im Traum. — Er verlangte nun, den Herrn zu ſprechen. Der Bediente wies ſchweigend nach einer Laube, und ging fort, ohne ſich weiter um den Gaſt zu bekuͤmmern. Hellen Halſes aber mußte nun Fortunat aufla¬ chen, als er in die bezeichnete Laube trat und in dem 16

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/248
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/248>, abgerufen am 21.11.2024.