nernen Rande. Ich lege sie sogleich an mein Herz zwischen Frack und Weste, und komme, beim weiteren Vordringen, an einen, von hohen Bäumen tiefverschat¬ teten Platz. Auf dem Platze war ein Schloß, und an dem Schlosse ein Altan und auf dem Altan sehe ich, wie hinter einem Schleier von Mondschein, Blüten und Laubgewinden, das weiße Gewand der Najade wieder hervorschimmern. Das kam mir auf einmal ganz spanisch vor mit dem Balkone, ich redete sie erst zierlich in Assonanzen an, sie verbarg sich halb furcht¬ sam, halb neugierig, bald sah ich eine Locke, bald ein bloßes Füßchen, bald einen Arm, bald wieder gar nichts. Ich wurde immer verliebter, die Reime flossen mir wie Lavendelwasser, ich sprach von des Mondes Zaubermacht, der das Lieben hat erdacht, von einer süßvalenz'schen Nacht, vom Kosen und vom Flüstern sacht, bis daß die erste Lerche erwacht! Sie schwieg immerfort, und, wie auf der Himmelsleiter meines eigenen Wohllauts, stieg ich endlich ohne weiteres auf den nächsten Baum, schwang mich mit der einen Hand auf den Balkon, und hielt mit der anderen der Er¬ staunten ihre Pantöffelchen entgegen. In demselben Augenblick aber entriß sie mir's plötzlich und schlug mir damit tüchtig um beide Ohren. Also das ist deine Treue! rief sie, ich erkannte dich gleich anfangs, o ich unglückseliges Mädchen! -- es war Gertrud selbst. Ich stand ganz verblüfft. Vergeblich sagte ich, daß
nernen Rande. Ich lege ſie ſogleich an mein Herz zwiſchen Frack und Weſte, und komme, beim weiteren Vordringen, an einen, von hohen Baͤumen tiefverſchat¬ teten Platz. Auf dem Platze war ein Schloß, und an dem Schloſſe ein Altan und auf dem Altan ſehe ich, wie hinter einem Schleier von Mondſchein, Bluͤten und Laubgewinden, das weiße Gewand der Najade wieder hervorſchimmern. Das kam mir auf einmal ganz ſpaniſch vor mit dem Balkone, ich redete ſie erſt zierlich in Aſſonanzen an, ſie verbarg ſich halb furcht¬ ſam, halb neugierig, bald ſah ich eine Locke, bald ein bloßes Fuͤßchen, bald einen Arm, bald wieder gar nichts. Ich wurde immer verliebter, die Reime floſſen mir wie Lavendelwaſſer, ich ſprach von des Mondes Zaubermacht, der das Lieben hat erdacht, von einer ſuͤßvalenz'ſchen Nacht, vom Koſen und vom Fluͤſtern ſacht, bis daß die erſte Lerche erwacht! Sie ſchwieg immerfort, und, wie auf der Himmelsleiter meines eigenen Wohllauts, ſtieg ich endlich ohne weiteres auf den naͤchſten Baum, ſchwang mich mit der einen Hand auf den Balkon, und hielt mit der anderen der Er¬ ſtaunten ihre Pantoͤffelchen entgegen. In demſelben Augenblick aber entriß ſie mir's ploͤtzlich und ſchlug mir damit tuͤchtig um beide Ohren. Alſo das iſt deine Treue! rief ſie, ich erkannte dich gleich anfangs, o ich ungluͤckſeliges Maͤdchen! — es war Gertrud ſelbſt. Ich ſtand ganz verbluͤfft. Vergeblich ſagte ich, daß
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nernen Rande. Ich lege ſie ſogleich an mein Herz
zwiſchen Frack und Weſte, und komme, beim weiteren
Vordringen, an einen, von hohen Baͤumen tiefverſchat¬
teten Platz. Auf dem Platze war ein Schloß, und an
dem Schloſſe ein Altan und auf dem Altan ſehe ich,
wie hinter einem Schleier von Mondſchein, Bluͤten
und Laubgewinden, das weiße Gewand der Najade
wieder hervorſchimmern. Das kam mir auf einmal
ganz ſpaniſch vor mit dem Balkone, ich redete ſie erſt
zierlich in Aſſonanzen an, ſie verbarg ſich halb furcht¬
ſam, halb neugierig, bald ſah ich eine Locke, bald ein
bloßes Fuͤßchen, bald einen Arm, bald wieder gar
nichts. Ich wurde immer verliebter, die Reime floſſen
mir wie Lavendelwaſſer, ich ſprach von des Mondes
Zaubermacht, der das Lieben hat erdacht, von einer
ſuͤßvalenz'ſchen Nacht, vom Koſen und vom Fluͤſtern
ſacht, bis daß die erſte Lerche erwacht! Sie ſchwieg
immerfort, und, wie auf der Himmelsleiter meines
eigenen Wohllauts, ſtieg ich endlich ohne weiteres auf
den naͤchſten Baum, ſchwang mich mit der einen Hand
auf den Balkon, und hielt mit der anderen der Er¬
ſtaunten ihre Pantoͤffelchen entgegen. In demſelben
Augenblick aber entriß ſie mir's ploͤtzlich und ſchlug
mir damit tuͤchtig um beide Ohren. Alſo das iſt deine
Treue! rief ſie, ich erkannte dich gleich anfangs, o ich
ungluͤckſeliges Maͤdchen! — es war Gertrud ſelbſt.
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/277>, abgerufen am 24.11.2024.
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