Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Aber auf dieser außerordentlichen Flucht, fuhr
er fort, setzte mir die Liebe nicht wenig zu, ich kam
ganz herunter, ich war fast nichts als Seele. In die¬
sem Zustande hatte ich mich einmal des Abends im
Gebirge verirrt, ich wußte durchaus nicht wo ich mich
befand, und war endlich, wie es mir vorkam, über
die Trümmer eines umgefallenen Zauns in einen ehe¬
maligen französischen Garten gerathen. Durch die
schnell vorüberfliegenden Wolken fielen nur einzelne
Mondblicke zwischen finstern Laubwänden und künstlich
verschnittenen Taxusbäumen über zerbrochene Statüen,
die im hohen Grase lagen, aus dem Walde schlugen
unzählige Nachtigallen. Nur eine Statüe in einiger
Entfernung von mir schien noch wohlerhalten, es war
eine sitzende Najade an einem steinernen Bassin, dessen
klare Fluth ihre Füße umspülte. -- Ich bin eigentlich
ein Schwärmer, mit über der Brust gekreuzten Ar¬
men lehnte ich mich nachlässig an einen neben mir
stehenden antiken Opferaltar und sah eben unver¬
wandt in den Mond, als der morsche Altar, den ich
für Stein gehalten, hinter mir zusammenbrach. Daß
ich mit umfiel, war das Geringste dabei. Aber denkt
Euch mein Entsetzen! Ueber dem Gepolter wendet die
Najade auf einmal den Kopf, richtet sich hoch auf,
und entflieht in den dunklen Garten. Trotz meiner
Gänsehaut schreite ich doch auf das Bassin los, und
finde zwei der zierlichsten Pantöffelchen auf dem stei¬

Aber auf dieſer außerordentlichen Flucht, fuhr
er fort, ſetzte mir die Liebe nicht wenig zu, ich kam
ganz herunter, ich war faſt nichts als Seele. In die¬
ſem Zuſtande hatte ich mich einmal des Abends im
Gebirge verirrt, ich wußte durchaus nicht wo ich mich
befand, und war endlich, wie es mir vorkam, uͤber
die Truͤmmer eines umgefallenen Zauns in einen ehe¬
maligen franzoͤſiſchen Garten gerathen. Durch die
ſchnell voruͤberfliegenden Wolken fielen nur einzelne
Mondblicke zwiſchen finſtern Laubwaͤnden und kuͤnſtlich
verſchnittenen Taxusbaͤumen uͤber zerbrochene Statuͤen,
die im hohen Graſe lagen, aus dem Walde ſchlugen
unzaͤhlige Nachtigallen. Nur eine Statuͤe in einiger
Entfernung von mir ſchien noch wohlerhalten, es war
eine ſitzende Najade an einem ſteinernen Baſſin, deſſen
klare Fluth ihre Fuͤße umſpuͤlte. — Ich bin eigentlich
ein Schwaͤrmer, mit uͤber der Bruſt gekreuzten Ar¬
men lehnte ich mich nachlaͤſſig an einen neben mir
ſtehenden antiken Opferaltar und ſah eben unver¬
wandt in den Mond, als der morſche Altar, den ich
fuͤr Stein gehalten, hinter mir zuſammenbrach. Daß
ich mit umfiel, war das Geringſte dabei. Aber denkt
Euch mein Entſetzen! Ueber dem Gepolter wendet die
Najade auf einmal den Kopf, richtet ſich hoch auf,
und entflieht in den dunklen Garten. Trotz meiner
Gaͤnſehaut ſchreite ich doch auf das Baſſin los, und
finde zwei der zierlichſten Pantoͤffelchen auf dem ſtei¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0276" n="269"/>
          <p>Aber auf die&#x017F;er außerordentlichen Flucht, fuhr<lb/>
er fort, &#x017F;etzte mir die Liebe nicht wenig zu, ich kam<lb/>
ganz herunter, ich war fa&#x017F;t nichts als Seele. In die¬<lb/>
&#x017F;em Zu&#x017F;tande hatte ich mich einmal des Abends im<lb/>
Gebirge verirrt, ich wußte durchaus nicht wo ich mich<lb/>
befand, und war endlich, wie es mir vorkam, u&#x0364;ber<lb/>
die Tru&#x0364;mmer eines umgefallenen Zauns in einen ehe¬<lb/>
maligen franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Garten gerathen. Durch die<lb/>
&#x017F;chnell voru&#x0364;berfliegenden Wolken fielen nur einzelne<lb/>
Mondblicke zwi&#x017F;chen fin&#x017F;tern Laubwa&#x0364;nden und ku&#x0364;n&#x017F;tlich<lb/>
ver&#x017F;chnittenen Taxusba&#x0364;umen u&#x0364;ber zerbrochene Statu&#x0364;en,<lb/>
die im hohen Gra&#x017F;e lagen, aus dem Walde &#x017F;chlugen<lb/>
unza&#x0364;hlige Nachtigallen. Nur eine Statu&#x0364;e in einiger<lb/>
Entfernung von mir &#x017F;chien noch wohlerhalten, es war<lb/>
eine &#x017F;itzende Najade an einem &#x017F;teinernen Ba&#x017F;&#x017F;in, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
klare Fluth ihre Fu&#x0364;ße um&#x017F;pu&#x0364;lte. &#x2014; Ich bin eigentlich<lb/>
ein Schwa&#x0364;rmer, mit u&#x0364;ber der Bru&#x017F;t gekreuzten Ar¬<lb/>
men lehnte ich mich nachla&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig an einen neben mir<lb/>
&#x017F;tehenden antiken Opferaltar und &#x017F;ah eben unver¬<lb/>
wandt in den Mond, als der mor&#x017F;che Altar, den ich<lb/>
fu&#x0364;r Stein gehalten, hinter mir zu&#x017F;ammenbrach. Daß<lb/>
ich mit umfiel, war das Gering&#x017F;te dabei. Aber denkt<lb/>
Euch mein Ent&#x017F;etzen! Ueber dem Gepolter wendet die<lb/>
Najade auf einmal den Kopf, richtet &#x017F;ich hoch auf,<lb/>
und entflieht in den dunklen Garten. Trotz meiner<lb/>
Ga&#x0364;n&#x017F;ehaut &#x017F;chreite ich doch auf das Ba&#x017F;&#x017F;in los, und<lb/>
finde zwei der zierlich&#x017F;ten Panto&#x0364;ffelchen auf dem &#x017F;tei¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269/0276] Aber auf dieſer außerordentlichen Flucht, fuhr er fort, ſetzte mir die Liebe nicht wenig zu, ich kam ganz herunter, ich war faſt nichts als Seele. In die¬ ſem Zuſtande hatte ich mich einmal des Abends im Gebirge verirrt, ich wußte durchaus nicht wo ich mich befand, und war endlich, wie es mir vorkam, uͤber die Truͤmmer eines umgefallenen Zauns in einen ehe¬ maligen franzoͤſiſchen Garten gerathen. Durch die ſchnell voruͤberfliegenden Wolken fielen nur einzelne Mondblicke zwiſchen finſtern Laubwaͤnden und kuͤnſtlich verſchnittenen Taxusbaͤumen uͤber zerbrochene Statuͤen, die im hohen Graſe lagen, aus dem Walde ſchlugen unzaͤhlige Nachtigallen. Nur eine Statuͤe in einiger Entfernung von mir ſchien noch wohlerhalten, es war eine ſitzende Najade an einem ſteinernen Baſſin, deſſen klare Fluth ihre Fuͤße umſpuͤlte. — Ich bin eigentlich ein Schwaͤrmer, mit uͤber der Bruſt gekreuzten Ar¬ men lehnte ich mich nachlaͤſſig an einen neben mir ſtehenden antiken Opferaltar und ſah eben unver¬ wandt in den Mond, als der morſche Altar, den ich fuͤr Stein gehalten, hinter mir zuſammenbrach. Daß ich mit umfiel, war das Geringſte dabei. Aber denkt Euch mein Entſetzen! Ueber dem Gepolter wendet die Najade auf einmal den Kopf, richtet ſich hoch auf, und entflieht in den dunklen Garten. Trotz meiner Gaͤnſehaut ſchreite ich doch auf das Baſſin los, und finde zwei der zierlichſten Pantoͤffelchen auf dem ſtei¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/276
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/276>, abgerufen am 24.11.2024.