der Welt nichts mehr höre -- aber Ihr müßt mir die Hand darauf geben, daß Ihr so lange kein Wort von Litteratur mit mir reden wollt.
Er sprach so eifrig, daß er endlich auch den un¬ gläubigen Manfred um so mehr mit sich fortriß, als dieser selbst überzeugt war, daß nur die Einsamkeit und eine eisern geregelte Thätigkeit den wirren Geist heilen könnte. Und mehr bedurfte es nicht, um ihn mit Leib und Seele für den Gedanken zu gewinnen.
Sie besprachen nun noch bei einer Bowle Punsch ausführlich den neuen Plan. Dryander faßte alles begeistert auf, richtete sich in Gedanken schon völlig hier ein, war beruhigt, fast weich, und in diesem un¬ gewohnten Zustande unwiderstehlich liebenswürdig; und als sie endlich schieden, begab sich Manfred mit dem Gefühle eines begonnenen guten Werkes zur Ruhe, und überdachte noch lange, wie er es am besten voll¬ führen und gestalten wollte.
Wie sehr war er daher erstaunt, als er am fol¬ genden Morgen vernahm, daß Dryander, der von dem übermäßig genossenen Punsch vor Hitze nicht schlafen konnte, noch lange vor Tages-Anbruch die Frau und den ganzen Hof aufrumort habe, und so eben schon wieder abgereist sey. -- In des Dichters Stube fand er mehrere vergessene Kleinigkeiten, Tücher und Strümpfe auf allen Stühlen zerstreut, das offene Fenster klappte im Winde, auf dem Tische lag ein,
18
der Welt nichts mehr hoͤre — aber Ihr muͤßt mir die Hand darauf geben, daß Ihr ſo lange kein Wort von Litteratur mit mir reden wollt.
Er ſprach ſo eifrig, daß er endlich auch den un¬ glaͤubigen Manfred um ſo mehr mit ſich fortriß, als dieſer ſelbſt uͤberzeugt war, daß nur die Einſamkeit und eine eiſern geregelte Thaͤtigkeit den wirren Geiſt heilen koͤnnte. Und mehr bedurfte es nicht, um ihn mit Leib und Seele fuͤr den Gedanken zu gewinnen.
Sie beſprachen nun noch bei einer Bowle Punſch ausfuͤhrlich den neuen Plan. Dryander faßte alles begeiſtert auf, richtete ſich in Gedanken ſchon voͤllig hier ein, war beruhigt, faſt weich, und in dieſem un¬ gewohnten Zuſtande unwiderſtehlich liebenswuͤrdig; und als ſie endlich ſchieden, begab ſich Manfred mit dem Gefuͤhle eines begonnenen guten Werkes zur Ruhe, und uͤberdachte noch lange, wie er es am beſten voll¬ fuͤhren und geſtalten wollte.
Wie ſehr war er daher erſtaunt, als er am fol¬ genden Morgen vernahm, daß Dryander, der von dem uͤbermaͤßig genoſſenen Punſch vor Hitze nicht ſchlafen konnte, noch lange vor Tages-Anbruch die Frau und den ganzen Hof aufrumort habe, und ſo eben ſchon wieder abgereiſt ſey. — In des Dichters Stube fand er mehrere vergeſſene Kleinigkeiten, Tuͤcher und Struͤmpfe auf allen Stuͤhlen zerſtreut, das offene Fenſter klappte im Winde, auf dem Tiſche lag ein,
18
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0280"n="273"/>
der Welt nichts mehr hoͤre — aber Ihr muͤßt mir<lb/>
die Hand darauf geben, daß Ihr ſo lange kein Wort<lb/>
von Litteratur mit mir reden wollt.</p><lb/><p>Er ſprach ſo eifrig, daß er endlich auch den un¬<lb/>
glaͤubigen Manfred um ſo mehr mit ſich fortriß, als<lb/>
dieſer ſelbſt uͤberzeugt war, daß nur die Einſamkeit<lb/>
und eine eiſern geregelte Thaͤtigkeit den wirren Geiſt<lb/>
heilen koͤnnte. Und mehr bedurfte es nicht, um ihn<lb/>
mit Leib und Seele fuͤr den Gedanken zu gewinnen.</p><lb/><p>Sie beſprachen nun noch bei einer Bowle Punſch<lb/>
ausfuͤhrlich den neuen Plan. Dryander faßte alles<lb/>
begeiſtert auf, richtete ſich in Gedanken ſchon voͤllig<lb/>
hier ein, war beruhigt, faſt weich, und in dieſem un¬<lb/>
gewohnten Zuſtande unwiderſtehlich liebenswuͤrdig; und<lb/>
als ſie endlich ſchieden, begab ſich Manfred mit dem<lb/>
Gefuͤhle eines begonnenen guten Werkes zur Ruhe,<lb/>
und uͤberdachte noch lange, wie er es am beſten voll¬<lb/>
fuͤhren und geſtalten wollte.</p><lb/><p>Wie ſehr war er daher erſtaunt, als er am fol¬<lb/>
genden Morgen vernahm, daß Dryander, der von<lb/>
dem uͤbermaͤßig genoſſenen Punſch vor Hitze nicht<lb/>ſchlafen konnte, noch lange vor Tages-Anbruch die<lb/>
Frau und den ganzen Hof aufrumort habe, und ſo<lb/>
eben ſchon wieder abgereiſt ſey. — In des Dichters<lb/>
Stube fand er mehrere vergeſſene Kleinigkeiten, Tuͤcher<lb/>
und Struͤmpfe auf allen Stuͤhlen zerſtreut, das offene<lb/>
Fenſter klappte im Winde, auf dem Tiſche lag ein,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">18<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[273/0280]
der Welt nichts mehr hoͤre — aber Ihr muͤßt mir
die Hand darauf geben, daß Ihr ſo lange kein Wort
von Litteratur mit mir reden wollt.
Er ſprach ſo eifrig, daß er endlich auch den un¬
glaͤubigen Manfred um ſo mehr mit ſich fortriß, als
dieſer ſelbſt uͤberzeugt war, daß nur die Einſamkeit
und eine eiſern geregelte Thaͤtigkeit den wirren Geiſt
heilen koͤnnte. Und mehr bedurfte es nicht, um ihn
mit Leib und Seele fuͤr den Gedanken zu gewinnen.
Sie beſprachen nun noch bei einer Bowle Punſch
ausfuͤhrlich den neuen Plan. Dryander faßte alles
begeiſtert auf, richtete ſich in Gedanken ſchon voͤllig
hier ein, war beruhigt, faſt weich, und in dieſem un¬
gewohnten Zuſtande unwiderſtehlich liebenswuͤrdig; und
als ſie endlich ſchieden, begab ſich Manfred mit dem
Gefuͤhle eines begonnenen guten Werkes zur Ruhe,
und uͤberdachte noch lange, wie er es am beſten voll¬
fuͤhren und geſtalten wollte.
Wie ſehr war er daher erſtaunt, als er am fol¬
genden Morgen vernahm, daß Dryander, der von
dem uͤbermaͤßig genoſſenen Punſch vor Hitze nicht
ſchlafen konnte, noch lange vor Tages-Anbruch die
Frau und den ganzen Hof aufrumort habe, und ſo
eben ſchon wieder abgereiſt ſey. — In des Dichters
Stube fand er mehrere vergeſſene Kleinigkeiten, Tuͤcher
und Struͤmpfe auf allen Stuͤhlen zerſtreut, das offene
Fenſter klappte im Winde, auf dem Tiſche lag ein,
18
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/280>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.